# taz.de -- Ugandische Aktivistin über Klimawandel: „Das ist Umwelt-Kolonial… | |
> Die ugandische Klimaaktivistin Hamira Kobusingye wünscht den | |
> G7-Regierungschefs ein schlechtes Gewissen. | |
Bild: AktivistInnen von Rise Up Uganda vor dem Reichstag in Berlin | |
Dieser Text ist Teil einer freundlichen Übernahme. Die [1][taz | |
Genossenschaft] wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Zum Feiern haben 18 | |
unserer über 22.200 Eigentümer*innen eine eigene taz gemacht. Die | |
ganzen 16 Seiten gibt es am 2./3. Juli am Kiosk oder [2][hier]. | |
Etwa fünfzig Menschen, meist schwarzer Hautfarbe, versammeln sich auf der | |
Wiese vor dem Reichstag in Berlin, ein Zwischenstopp auf dem Weg zum | |
G7-Gipfel in Bayern. „We want climate justice now“, rufen sie in die | |
Mikrofone. Eine Gruppe Aktivist*innen des Rise-Up-Netzwerks ist aus | |
Uganda angereist, seit fast einem Monat sind sie schon in Europa auf ihrer | |
„Klimamobilisierungstour“, wie sie es selbst nennen. Sie waren in Schweden | |
und zum Wiener Weltgipfel in Österreich, um den Globalen Norden an seine | |
Verantwortung für die Klimakatastrophe zu erinnern und Solidarität | |
einzufordern. | |
Unter dem Slogan „Show us the money“ fordern sie von den Ländern des | |
Globalen Nordens, endlich Geld für den Klimaschutz im Globalen Süden auf | |
den Tisch zu legen. Eine der Aktivist*innen aus Uganda ist Hamira | |
Kobusingye. „Es ist so heiß, lass uns irgendwo im Schatten sitzen“, sagt | |
sie, und wir finden einen schattigen Platz unter einem Baum. | |
Wie hängen Solidarität und Klimagerechtigkeit für dich zusammen? | |
Ich wuchs mit einer alleinerziehenden Mutter auf. Es war sehr schwer für | |
sie, mich alleine großzuziehen, sie wurde oft schlecht bezahlt, weil sie | |
keine höhere Bildung hatte. Sie hat sehr gelitten und sehr viel aufgegeben. | |
Schon von klein auf wollte ich deshalb, dass alle ein besseres Leben haben. | |
In der Sekundarschule habe ich jüngere Mädchen beraten, wie sie ihr Leben | |
meistern können. | |
Was waren da die größten Probleme? | |
[3][Dass junge Mädchen schwanger wurden]. In Uganda wirst du dann von der | |
Schule geworfen, und das war’s mit der Ausbildung. So habe ich schon früh | |
verstanden, was Ungleichheit und Ungerechtigkeit sind. | |
Und das hat dich geprägt? | |
Ja definitiv. Ich arbeitete bei einer NGO, die Frauen dabei unterstützt, | |
ihr Gemüse selbst anzubauen. Wenn die Familie etwas zu essen hat, bleibt | |
Geld übrig, zum Beispiel für Schulgebühren. Aber dann ist etwas | |
Schreckliches passiert: Ich habe auch von meinem Ersparten in dieses | |
Anbauprojekt investiert, dann kam der Regen nicht, alle unsere Pflanzen | |
sind verdorrt. Es brach mir das Herz, vor allem, weil ich nicht wusste, was | |
ich hätte anders machen können. Und dann kamen auch noch [4][Covid und der | |
Lockdown] in Uganda. | |
Das gab mir die Zeit, intensiv zu lesen, mich weiterzubilden. Ich verstand, | |
dass ich mit meinem Farmprojekt versuchte, an den Symptomen rumzudoktern. | |
Aber was wirklich passiert, ist die Veränderung in den Wetterverhältnissen, | |
des Klimas. Es war nicht so, dass ich meine Pflanzen schlecht betreut habe. | |
Ich hatte nichts falsch gemacht, aber wenn das Klima sich ändert, muss man | |
in anderen Kategorien denken. Auf einmal fühlte der Klimawandel sich für | |
mich sehr konkret an. | |
Und dann hast du begonnen, dich da zu engagieren? | |
Ich arbeite immer noch mit lokalen Frauengruppen, auch um ihnen zu zeigen, | |
wie sie durch andere Methoden die Probleme des Klimawandels nicht | |
verstärken. Aber ich habe mich auch mehr und mehr mit fossilen Brennstoffen | |
und ihren Auswirkungen beschäftigt, und auch mit den Kampagnen hier in | |
Afrika, zum Beispiel die Kampagnen im Niger-Delta, in Point Harcourt, gegen | |
die Ölindustrie. Ich lernte jeden Tag mehr über die daraus folgenden | |
Umweltprobleme und Gesundheitsprobleme. | |
Und wie hat das deinen Aktivismus vor Ort in Uganda beeinflusst? | |
Ich habe angefangen zu streiken, auf den Straßen Kampalas. Ich fing jeden | |
Tag mit einer Streikstunde an. Ich hatte ein Plakat mit einer Familie aus | |
Port Harcourt, deren Baby schon eine verseuchte Lunge hatte, von dem Ruß | |
und anderen Abgasen. Ich saß auf der Straße und erklärte den Leuten, die | |
vorbeigingen, das Problem. So fing ich an. | |
War das inspiriert von Greta Thunberg? | |
Von Greta habe ich erst später erfahren, aber ich hatte von der ugandischen | |
Klima-Aktivistin Vanessa Nakate gehört, was für eine Kampagne sie gestartet | |
hatte. Ich realisierte, dass das, was im Niger-Delta passierte, auch | |
jederzeit in Uganda passieren konnte, besonders nachdem in Uganda Öl | |
entdeckt worden war. Unsere Leute wären genauso betroffen. Ich fing dann | |
an, Artikel zu schreiben, für Rise Up, aber auch mit anderen | |
Aktivist:innen aus anderen Ländern. So bin ich eine der Stimmen meiner | |
Community. Ich weiß, woran diese leidet, was der Klimawandel für sie im | |
konkreten Alltag bedeutet. | |
Was erhoffst du dir? | |
Wenn unsere Geschichten wieder und wieder erzählt werden, als Geschichten | |
einer Gesellschaft, müssen Entscheidungsträger uns anhören. Afrika trägt | |
nur wenig bei zu den globalen Emissionen und ist es nicht fair, uns mit | |
ihren zerstörerischen Folgen alleine zu lassen. Unser Leiden basiert auf | |
dem Imperialismus und dem Wohlstand des Globalen Nordens. Letztlich ist es | |
eine Art Umwelt-Kolonialismus. | |
Was hofft ihr auf dem [5][G7-Gipfel] zu erreichen? | |
Wir haben keinen offiziellen Platz im Programm. Wir sind Teil der | |
Protestbewegung und ich werde am Zaun eine Rede halten. | |
Denkst du, eure Botschaft wird zu den G7-Regierungschefs durchdringen? | |
Vielleicht werden sie uns ignorieren, aber sie werden dennoch schlaflose | |
Nächte haben, wenn sie darüber nachdenken, wie viel Elend ihre | |
Entscheidungen auslösen. Das Pariser Klimaabkommen will, dass es eine | |
Finanzierung für die ärmeren Länder gibt. Es wird sich auch für den | |
Globalen Norden rächen, dies zu ignorieren. Letztlich basiert ihr Reichtum | |
auf dem, was sie uns genommen haben. | |
Und wie steht es mit der politischen Führung Ugandas – wird eurer Bewegung | |
dort zugehört? | |
Unsere politische Führung ist auch in der Verantwortung und nicht frei von | |
Schuld. Gleichzeitig ist sie eingebunden in ein globales System, das ihnen | |
wenig Handlungsspielraum gibt. Von daher ist es wichtig, das Denken im | |
Globalen Norden zu ändern und Solidarität einzufordern. | |
Wie spielt der momentane Krieg in der Ukraine hier herein? | |
Ich verurteile den Krieg. Aber jeder sollte auch wissen, dass während dort | |
Menschen im Krieg sterben, Menschen in Uganda an den Folgen des | |
Klimawandels, an Hunger, Dürre oder Überschwemmungen, sterben. Es macht | |
mich traurig und wütend, wenn ich dort ein unterernährtes Kind sehe. Der | |
Krieg in der Ukraine ist in aller Munde, aber um unsere Toten kümmert sich | |
niemand. Meine größte Enttäuschung ist, dass nun europäische Länder | |
versuchen, fossile Rohstoffe statt aus Russland aus unseren Ländern zu | |
bekommen. Das ist so unfair. Es bringt mich zurück zum Anfang meines | |
Aktivismus: Als europäische Ölkonzerne im Niger-Delta Umweltkatastrophen | |
verursachten, packten sie einfach ein und gingen. Das ist so unfair, denn | |
es ist die lokale Bevölkerung, die mit den Folgeschäden zurückbleibt. | |
2 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Müller | |
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