| # taz.de -- Nach dem G7-Gipfel: Zusammenrücken für die Ukraine | |
| > Angesichts des russischen Angriffskrieg bemüht sich der Westen um | |
| > Einigkeit – und versucht, wichtige Schwellenländer mit ins Boot zu holen. | |
| Bild: Wollte sich als Führungsmacht beweisen: Bundeskanzler Olaf Scholz am 28.… | |
| Es war sein Auftritt auf der Weltbühne. Er stand immer in der Mitte, meist | |
| mit dem US-amerikanischen Präsidenten zur Linken und dem französischen zur | |
| Rechten, er durfte stets als Erster sprechen, er war der Hausherr. Am | |
| letzten Tag des [1][G7-Gipfels im bayerischen Elmau] hatte der deutsche | |
| Bundeskanzler Olaf Scholz diese Bühne noch einmal für sich. Elmau sei gut | |
| gewesen für die G7, so Scholz, das Schloss im Rücken, in dem er und die | |
| Staatschefs der USA, Kanada, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und | |
| Japans samt Entourage genächtigt und diskutiert hatten. „Es ist großes | |
| Vertrauen untereinander entstanden“, sagte Scholz und sah dabei wie der | |
| erschöpfte Leiter eines Jugendcamps aus. | |
| Dem Bundeskanzler war im Hinblick auf den Ukrainekrieg oft eine zu | |
| abwartende Politik vorgeworfen worden. Da Deutschland turnusmäßig die | |
| Präsidentschaft der G7 innehat, hatte Scholz also nun drei Tage lang | |
| Gelegenheit, sich als führungsstark zu präsentieren.„Es gibt kein Zurück in | |
| die Zeit vor dem russischen Überfall“, sagte Scholz zum Abschluss des | |
| Treffens in Bezug auf den Krieg. „Vor uns liegt eine Zeit der | |
| Unsicherheit.“ Umso wichtiger seien Geschlossenheit und Entschlossenheit. | |
| Und tatsächlich sind die G7 seit dem 24. Februar zusammengerückt; Elmau hat | |
| dieses Teambuilding befördert. In der Abschlusserklärung der G7 heißt es | |
| unter anderem: „Wir sind bereit, uns gemeinsam mit interessierten Ländern | |
| und Institutionen sowie der Ukraine auf langfristige Sicherheitszusagen zu | |
| verständigen.“ Auf die Frage, ob er verraten könnte, welche | |
| Sicherheitszusagen gemeint seien, antwortet Scholz lediglich mit einem | |
| verschmitzten „Ja, könnte ich.“ Wollte er aber nicht. Trotzdem kann man es | |
| als Hinweis deuten, dass die G7 bereit sind, eine Art Schutzmacht für die | |
| Ukraine zu werden. | |
| Am Sonntag hatten alle sieben Länder der Ukraine zugesagt, ihr finanziell, | |
| humanitär, militärisch und diplomatisch zur Seite zu stehen, so lange es | |
| nötig ist. Also auch mit weiteren Waffenlieferungen. Auch die Sanktionen | |
| bleiben in Kraft, und zwar so lange, bis „Putin akzeptiert, dass sein | |
| Vorhaben nicht gelingt“, so Scholz zum Abschluss des Gipfels. Wie zur | |
| Bestätigung grollte von den Bergen der Donner. | |
| ## Neue Länder zu Gast | |
| Wobei es da noch Redebedarf unter den G7 gibt. Der US-amerikanische | |
| Präsident Joe Biden hat vorgeschlagen, Preisobergrenzen für Gas und Öl | |
| einzuführen, damit die Sanktionen auch wirken. Denn obwohl Russland weniger | |
| Öl verkauft, nimmt es wegen der gestiegenen Weltmarktpreise mehr ein. Ziel | |
| sei es, so der Pressesprecher des Weißen Hauses, Putins Haupteinnahmequelle | |
| zum Versiegen zu bringen. Scholz dämpfte die Erwartungen: Obergrenzen seien | |
| ein sehr ambitioniertes Vorhaben, deren Umsetzung noch viel Arbeit | |
| erfordere. | |
| Deutschland hatte gezielt fünf weitere Länder eingeladen: Indien, | |
| bevölkerungsreichstes demokratisch verfasstes Land in Asien, Indonesien, | |
| das in diesem Jahr den G20-Gipfel ausrichtet, Senegal, welches den Vorsitz | |
| der afrikanischen Union inne hat, sowie Südafrika und Argentinien. Nicht | |
| alle Länder tragen die Sanktionen gegen Russland mit. Dennoch betonte | |
| Scholz zum Abschluss: „Es ist gut, dass wir nicht unter uns geblieben | |
| sind.“ | |
| Dass es gelingen würde, die Schwellenländer auf Elmau zu einem schärferen | |
| Kurs gegenüber Russland zu bewegen, war Wunschdenken. Im Globalen Süden ist | |
| man der Ansicht: Das ist das Problem des Westens. Die Nachfolgestaaten des | |
| ehemaligen britischen Empire, darunter Indien und Südafrika, trafen sich in | |
| der Woche zuvor zum Gipfel in Ruanda, in ihrer Abschlusserklärung tauchte | |
| das Wort Ukraine an gerade mal zwei Stellen auf – im Zusammenhang mit | |
| Ernährungssicherheit und internationalem Recht. Russland wurde gar nicht | |
| erwähnt. | |
| Statt mit moralischen Appellen, versucht der Westen es nun mit ökonomischen | |
| Offerten. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden hatte ein 600 Milliarden | |
| schweres Projekt mit nach Elmau gebracht, mit dem Infrastrukturmaßnahmen in | |
| Schwellen- und Entwicklungsländern über fünf Jahre privat und öffentlich | |
| finanziert werden sollen. Eine Kopie der chinesischen Seidenstraße nur in | |
| „gut“. Man wolle Länder nicht in die Verschuldung treiben, so Biden. | |
| ## Halbherzige Bekenntnisse zum Klima | |
| Wobei die G7 den Wünschen der Schwellenländer auch auf maßgebliches | |
| Betreiben Deutschlands in einem weiteren Punkt entgegengekommen sind: Sie | |
| wollen ihnen beim Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch bei der | |
| [2][Erschließung neuer Gasvorkommen] finanziell behilflich sein. Damit | |
| brechen sie mit ihrer erst im Mai erneuerten Selbstverpflichtung, sich | |
| nicht mehr an der Erschließung neuer Gasvorkommen im Ausland zu beteiligen. | |
| Scholz beteuerte zwar: Man sei sich einig, wo die Zukunft liege. „Nämlich | |
| nicht beim Gas.“ | |
| Doch das erscheint angesichts des Beschlusses nur ein halbherziges | |
| Bekenntnis zu sein. Auf den Klimaclub, den der Kanzler anregte, haben sich | |
| die G7 zwar geeinigt. Er soll bis Ende des Jahres gegründet werden. Der | |
| Club verpflichtet alle Mitglieder auf harte Ziele für den Klimaschutz und | |
| soll ihnen im Gegenzug Wettbewerbsvorteile gewähren. Eine schöne Idee, ob | |
| sie funktioniert, bleibt offen. | |
| Als Weltenlenkerin und Klimakanzlerin, als die sich Vorgängerin Angela | |
| Merkel vor sieben Jahren in Elmau präsentierte, wird man Olaf Scholz nach | |
| dem Revival vielleicht nicht in Erinnerung behalten. Aber immerhin als | |
| jemanden, der in diesen unruhigen Zeiten den Laden zusammenhalten kann. | |
| 28 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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