# taz.de -- Nato-Gipfel in Madrid: Krieg, Kurden und Klima | |
> Die Nato legt Spaniens Hauptstadt lahm. Der Ukrainekrieg dominiert ihr | |
> Treffen. Generalsekretär will schnelle Eingreifkräfte stark aufstocken. | |
Bild: Polizisten patrouillieren das Messezentrum, wo der Gipfel stattfindet | |
MADRID taz | So ein Sicherheitsaufgebot hat es in der spanischen Hauptstadt | |
seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben. Wenn in Madrid ab Dienstag | |
der Nato-Gipfel stattfindet, der über die Strategie des westlichen | |
Militärbündnisses für das kommende Jahrzehnt beraten soll, wird das | |
öffentliche Leben in Spaniens Hauptstadt weitgehend zum Erliegen kommen. | |
Zehntausend Polizisten werden zusätzlich im Einsatz sein. Die Straßen rund | |
um die Hotels, in denen die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs | |
absteigen, werden abgeriegelt. Insgesamt kommen 40 Delegationen – 30 aus | |
den Mitgliedsstaaten, der Rest sind Beobachter. | |
Lange wurde spekuliert, ob auch der ukrainische Präsident Wolodimir | |
Selenski anreisen würde. Jetzt steht fest, dass er nur per Videoschalte | |
reden wird. | |
Das Gebiet rund um den Austragungsort des Nato-Gipfels, das Messezentrum | |
Ifema im Nordosten der Stadt, wird zu einer Hochsicherheitszone. Die großen | |
Verkehrsadern Madrids können jederzeit gesperrt werden. | |
## US-Delegation zählt 1.200 Personen | |
Alleine der Fuhrpark des US-Präsidenten Joe Biden, der am Dienstag ankommt, | |
umfasst Dutzende Fahrzeuge und seine Delegation 1.200 Personen. Insgesamt | |
werden 5.000 Personen erwartet. Hinzu kommen noch Journalisten aus aller | |
Welt. | |
Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida hat die Bewohner der Stadt | |
aufgerufen, während des Gipfels möglichst von zu Hause aus zu arbeiten oder | |
öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Doch auch die werden teilweise | |
gesperrt sein. | |
Bei der zur Debatte stehenden Nato-Strategie für das kommende Jahrzehnt | |
geht es nicht nur um militärische Bedrohungsszenarien. Das neue Konzept | |
soll das von 2010, das in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon | |
verabschiedet worden war, ablösen. | |
Es nimmt erstmals auch den Klimawandel und seine Folgen als Gefahr auf. | |
Auch von Cyberangriffen, Desinformationskampagnen und den sogenannten | |
hybriden Kriegen ist die Rede. | |
## Türkei blockiert weiterhin Erweiterung | |
Doch im Vordergrund steht der aktuelle Krieg in der Ukraine. Die Nato will | |
die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte von 40.000 auf mehr als 300.000 | |
erhöhen, kündigte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag an. | |
Auch geht es um die Erweiterung des Bündnisses um Schweden und Finnland. | |
Doch noch droht die Türkei mit Veto. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft | |
den beiden skandinavischen Ländern vor, „Terroristen“ zu unterstützen. | |
Er meint damit die Kurden, die vor politischer Verfolgung Zuflucht vor | |
allem in Schweden gefunden haben. Zum anderen geht es auch um die Frage, | |
inwieweit die Nato ihre militärische Präsenz in den Ländern rund um | |
Russland und die Ukraine verstärkt. | |
Die unmittelbaren Nachbarländer wie die baltischen Staaten wollen eine | |
Aufstockung der dort stationierten Truppenkontigente. Von einer | |
Verdoppelung ist die Rede. Nicht alle Länder in Westeuropa sehen diesen | |
Bedarf. Denn dies würde die Militärausgaben weiter in die Höhe treiben. | |
## Streit beim spanischen Gastgeber | |
Auch beim Gastgeber Spanien sorgt das Thema Nato für Diskussionen. Während | |
der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez eine Erhöhung des | |
Militärhaushaltes anstrebt, ist der linksalternative Koalitionspartner | |
Unidas Podemos (UP) dagegen. | |
„Auf dem Nato-Gipfel werden die Länder vereinbaren, Milliarden öffentlicher | |
Gelder auszugeben, um mehr Waffen von den großen Kriegskonzernen zu | |
kaufen“, beschwert sich UP-Fraktionssprecher Pablo Echenique. | |
UP nahm deshalb am Gegengipfel wie an der Demonstration gegen den Gipfel am | |
Sonntag teil. „Nein zur Nato, Stützpunkte raus“ oder „Militärausgaben f… | |
Schulen und Krankenhäuser“ und „Frieden“ war auf den Transparenten zu | |
lesen. Es kamen laut Polizei 2.200, laut Veranstalter 30.000 Teilnehmer. | |
Doch selbst Letzteres kann nicht als Mobilisierungserfolg verbucht werden. | |
Denn als Spanien vor 40 Jahren der Nato beitrat, geschah dies nach einer | |
Volksabstimmung, bei der sich nur knappe 52,5 Prozent für die | |
Mitgliedschaft aussprachen. | |
28 Jun 2022 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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