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# taz.de -- Überwachung von kurdischen Vereinen: Allgemeiner Verdacht reicht n…
> Dürfen die Daten kurdischer Vereine automatisch an Sicherheitsbehörden
> weitergeleitet werden? Ein Gutachten des Bundestags sagt klar Nein.
Bild: Fordert die Abschaffung diskriminierender Sonderregeln für Migrantenorga…
Freiburg taz | Die automatische [1][Weiterleitung der Daten kurdischer
Vereine] an den Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt ist
rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt der Wissenschaftliche Dienst des
Bundestags. Ein Gutachten dazu, das der taz vorliegt, hatte die
[2][Abgeordnete Gökay Akbulut] (Linke) in Auftrag gegeben.
Schon seit den 1960er-Jahren müssen Vereine mit überwiegend ausländischen
Mitgliedern Name und Anschrift ihrer Vorstände sowie die Satzung bei den
örtlichen Behörden einreichen. Diese reichen sie weiter an das
Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln, wo ein zentrales, aber bis heute nicht
digitalisiertes Ausländervereinsregister entstand.
Seit 1994 muss das Bundesverwaltungsamt alle eingehenden Informationen zu
kurdischen Vereinen automatisch an das Bundesamt für Verfassungsschutz
(BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten. Dies soll helfen,
Tarnvereine der [3][seit 1993 in Deutschland verbotenen kurdischen
Arbeiterpartei PKK] zu entdecken.
Innenminister Manfred Kanther (CDU) hatte das damals in einem Erlass
angeordnet, der heute allerdings spurlos verschwunden ist. Nachfolgerin
Nancy Faeser (SPD) kann den [4][Erlass weder im eigenen Haus noch in ihren
nachgeordneten Behörden] – BVA, BfV und BKA – finden.
## Befund dürfte die Bundesregierung nicht erstaunen
Wie nun der Wissenschaftliche Dienst feststellte, ist die Praxis rechtlich
auch nicht haltbar. So wäre eine Weitergabe der Daten an den
Verfassungsschutz nur möglich, wenn „in jedem Einzelfall vor der
Übermittlung der Daten“ festgestellt würde, dass ein kurdischer Verein
verdächtige Bestrebungen verfolgt. Es genüge nicht, dass erst die Empfänger
im Verfassungsschutz anhand der Daten entsprechende Bestrebungen entdecken
könnten. Auch für die Weitergabe der Daten an das BKA reiche ein
„allgemeiner Gefahrenverdacht“ nicht aus, kritisierte der Wissenschaftliche
Dienst die Praxis des Bundesverwaltungsamts.
Außerdem, so das Gutachten, genügten die angegebenen Rechtsgrundlagen im
Bundesverfassungsschutzgesetz (Paragraf 18 Absatz 1) und im BKA-Gesetz
(Paragraf 9 Absatz 4) nicht den Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts. Danach müsse schon bei der Schaffung eines
Datenpools, wie dem des Ausländervereinsregisters, präzise geregelt sein,
an welche andere Behörden und zu welchen Zwecken die Daten weitergegeben
werden dürfen.
Dieser Befund dürfte die Bundesregierung nicht erstaunen. In einer
parlamentarischen Antwort vom April 2022 erklärte sie selbst: „Die
Datenübermittlung von Ausländervereinen betreffenden Regelungen genügen
jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr den
datenschutzrechtlichen Anforderungen und müssen aus diesem Grund geändert
werden“. Ob dabei die bisherige Praxis nur rechtssicher geregelt oder aber
eingeschränkt werden soll, ließ das Ministerium auf Anfrage der taz offen.
Die illegale Weitergabe der Daten kurdischer Vereine an die
Sicherheitsbehörden wurde bisher auch nicht gestoppt. Die Abgeordnete
Akbulut fordert nun: „Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sollte das
Bundesinnenministerium die Aussetzung der Datensammlung verfügen.“ Ziel
müsse es sein, „die diskriminierenden Sonderregeln für
Migrantenorganisationen im Vereinsrecht komplett abzuschaffen.“
Die Datenweitergabe an die Sicherheitsbehörden ist vor allem deshalb
brisant, weil der Verfassungsschutz die Daten zumindest teilweise an einen
ausländischen – vermutlich den türkischen – Geheimdienst weiterleitet. �…
Bundesregierung muss daher sofort offenlegen, welche Vereine von dieser
Praxis betroffen sind“, fordert die Abgeordnete Akbulut, „damit deren
Mitglieder vor einer möglichen Reise in die Türkei gewarnt sind.“ Es
drohten schließlich Repressionen bis hin zu Verhaftungen.
Mahmut Özdemir (SPD), parlamentarischer Staatssekretär des
Bundesinnenministeriums, lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass dem
ausländischen Geheimdienst Vertraulichkeit zugesagt worden sei.
3 Jul 2022
## LINKS
[1] /Ueberwachung-von-kurdischen-Vereinen/!5853706
[2] /Verzweifelte-Ortskraefte-in-Afghanistan/!5815312
[3] /Ueberwachung-von-kurdischen-Vereinen/!5853706
[4] /Ueberwachung-von-kurdischen-Vereinen/!5853706
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Ausländerrecht
Verfassungsschutz
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Datenschutz
Kurden
Schwerpunkt Armut
Nato
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