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# taz.de -- Überwachung von kurdischen Vereinen: Der unauffindbare Erlass
> Daten über kurdische Vereine landen seit 1994 automatisch beim
> Verfassungsschutz. Den zugrundeliegenden Erlass findet das
> Innenministerium nicht mehr.
Bild: Zudem besteht das Ausländervereinsregister auch heute noch im Wesentlich…
Freiburg taz | Seit fast 30 Jahren werden die Daten aller kurdischen
Vereine automatisch an Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt (BKA)
übermittelt. Den zugrundeliegenden Erlass findet Innenministerin Nancy
Faeser (SPD) allerdings nicht mehr. Gökay Akbulut, die migrationspolitische
Sprecherin der Linken, fordert den sofortigen Stopp dieses
„unverantwortlichen Umgangs mit Bürgerdaten“.
Der Vorgang beleuchtet ein bisher kaum bekanntes Sonderrecht für
ausländische Vereine, deren Daten an mehreren Stationen gesammelt und
weitergegeben werden.
Es beginnt auf lokaler Ebene. Seit den 1960er Jahren müssen
Ausländervereine den Behörden Namen und Anschrift ihrer Vorstandsmitglieder
sowie die Satzung mitteilen. Als Ausländerverein gilt ein Verein, wenn er
überwiegend ausländische Mitglieder hat. Vereine mit Mitgliedern aus
EU-Staaten gelten nicht als Ausländervereine.
Ebenfalls seit den 1960er Jahren geben die örtlichen Behörden all diese
Daten an das Bundesverwaltungsamt in Köln weiter. Dort entstand so über
Jahrzehnte vermutlich ein „Ausländervereinsregister“ mit derzeit rund
14.700 Einträgen. Geregelt ist das in der Durchführungsverordnung zum
Vereinsgesetz von 1966.
## Papierakten, die sich nicht digital durchsuchen lassen
Der Nutzen dieses Ausländervereinsregisters ist allerdings beschränkt. Es
besteht auch heute noch im Wesentlichen aus Papierakten. Es kann deshalb
zum Beispiel nicht digital nach bestimmten Namen durchsucht werden. Die
Linke hatte 2020 beantragt, die „Diskriminierung von
Migrantenorganisationen“ zu beenden. Doch der Antrag wurde im Bundestag mit
den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD abgelehnt.
Erst seit Kurzem ist bekannt, dass die Daten aller kurdischen Vereine seit
1994 vom Bundesverwaltungsamt sofort an das Bundeskriminalamt und das
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) weitergegeben werden.
Allein in den vergangenen drei Jahren wurden Daten zu 209 kurdischen
Vereinen übermittelt. Der damalige parlamentarische Staatssekretär im
Innenministerium, Stephan Mayer (CSU), erklärte dies 2019 für
„unverzichtbar“, um Tarnvereine der seit 1993 in Deutschland verbotenen
militanten kurdischen Arbeiterpartei PKK zu entdecken.
## Zugrundeliegender Erlass ist verschwunden
Die Bundesregierung spricht von „Spontanübermittlungen“. Tatsächlich beru…
dieses Vorgehen jedoch auf einem Erlass des Bundesinnenministeriums aus
dem Jahr 1994. Allerdings: „Der erfragte Erlass aus dem Jahr 1994 ist
leider derzeit nicht auffindbar“, schrieb Innenstaatssekretär Mahmut
Özdemir (SPD) vorige Woche an die Linken-Abgeordnete Akbulut.
Auch die gesetzlichen Grundlagen, die Özdemir angibt, passen nicht. So
dürfen laut Gesetz Informationen ans BfV übermittelt werden, die
verfassungsfeindliche Bestrebungen „erkennen lassen“. Dass ein Verein
kurdisch ist, lässt derartiges aber gerade nicht erkennen. Akbulut hält die
Weitergabe für „rechtlich und politisch völlig inakzeptabel“.
Besonders heikel ist, dass Verfassungsschutz und BKA ihrerseits solche
Daten wieder an mindestens einen ausländischen Nachrichtendienst
weitergegeben haben, vermutlich an einen türkischen Dienst. Genaueres ist
aber nicht bekannt. „Eine Freigabe durch den ausländischen
Nachrichtendienst liegt nicht vor“, so die Bundesregierung im April.
25 May 2022
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesinnenministerium
Bundesamt für Verfassungsschutz
Nancy Faeser
PKK
Kurden
Ausländerrecht
PKK
PKK
Integration
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