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# taz.de -- Königreich für EinsteigerInnen: Das große Belgien-Abc
> Warum werden Pommes in Belgien nicht diskriminiert? Wieso funktioniert
> das Land auch ohne Regierung? Und ist es wirklich hässlich?
A wie Absurdistan: beliebte Zuschreibung für Belgien (siehe auch
Anarchistan).
A wie Anarchistan: andere beliebte Zuschreibung. Wir wollen Anhaltspunkte
liefern, welche der beiden wohl besser passt.
B wie Brüssel: irritierende Doppelhauptstadt des Landes und Europas.
Verwirrte eine Britin bei der Brexit-Entscheidung sehr: „Ich will mich
nicht mehr von diesem kleinen Land Belgien regieren lassen.“
C wie Caesar, Julius: Sein „De Bello Gallico“ beginnt so: „Gallia est omn…
divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam
…“ – Ganz Gallien ist in drei Teile geteilt, von denen der eine von den
Belgern bewohnt wird, der andere von den Aquitani und der dritte … Und, so
Caesar weiter, die Belgen seien die tapfersten Bewohner Galliens.
D wie Deftigkeit im Dasein: Was ist so toll daran, Belgier zu sein? „Das
Bukolische, das Leichte, Lebensart und Lebensstil mit dieser großen
Deftigkeit im Dasein: Freiheit, Lebendigkeit, Revolution.“ Sagt der Eupener
Schriftsteller Freddy Derwahl („Bosch in Versuchung“). Siehe auch R wie
Revolution.
E wie Erfindungen: Waffeln und Gewürzspekulatius. Chicorée und Rosenkohl
(„Brussel’s sprouts“). Die Praline, die der Brüsseler Apotheker Neuhaus
erfand, als er Tabletten genießbarer machen wollte und sie mit einem
Schokoguss ummantelte. Rollschuhe. Audiokassetten. Neoprenanzug. Impfstoff
gegen Keuchhusten. Body-Mass-Index. Stroboskop. Die Wagen für den
Orientexpress. Straßenasphalt. Die einst lückenlose Autobahnbeleuchtung.
Und natürlich die Pommes frites (siehe F wie Fritten).
Mundharmonikavirtuose Toots Thielemans komponierte die Musik der
Sesamstraße. Im Brüsseler Exil haben Marx und Engels das Kommunistische
Manifest geschrieben. Der Euro für bessere Tausch- und Mehrwertbeziehungen:
Design wie auch Name sind belgischen Hirnen entsprungen.
F wie Fahrrad: Belgien liebt den Radsport und sein großes Idol (siehe M wie
Merckx), die Flandernrundfahrt samt dem Koppenberg, den Wallonischen Pfeil,
Lüttich-Bastogne-Lüttich, die Mauer von Geraardsbergen und Huy (Zielsprint
25 Prozent Steigung). Siehe auch V wie Velo 5.
F wie Fritten: Der Legende nach von Maas-Fischern um 1650 nahe der heutigen
wallonischen Hauptstadt Namur, beim Dorf Dave, in winterlicher Not
erfunden. Die Maas war zugefroren, angeln ging nicht und so warfen die
Fischersleut ersatzweise geschnittene Kartoffelstangen (fischähnliche
längliche Form!) ins heiße Fett. Mon Dieu! Lecker! Der Name „French Fries“
beruht auf US-Soldaten, die Französisch sprechende Belgier beim
Fritten-Mampf beobachteten und das Mahl falsch benannten. Belgische Fritten
werden in Rinderfett gebraten statt in billigem Palmfett wie bei uns.
Brügge hat das einzige Fritten-Museum der Welt.
Und: Jedes Sternerestaurant in Belgien hat eine Fritteuse, weil man Pommes
auch kulinarisch herzaubern kann, statt sie als Billigfraß zu
diskriminieren. Ohnehin gilt Belgien als Genießerland – einerseits ist die
Quote an Sternelokalen Weltspitze („Wo gibt es die beste französische
Küche? In Belgien“), andererseits gehen auch Familien mit nicht so viel
Geld im Großverbund auffällig üppig essen.
F wie Fünfhunderteinundvierzig: Die Anzahl der Tage ohne Regierung auf
Bundesebene. Das war 2010/11 und ist bis heute Weltrekord. Trotzdem
funktionierte das Land weiter, weil mehr Kompetenzen auf regionaler und
kommunaler Ebene liegen als anderswo. Dennoch wurde damals diskutiert, ob
sich das Land nicht besser aufteile: Flandern zu den Niederlanden, die
Wallonie nach Frankreich, Brüssel extra als eine Art neutrale EU-Stadt und
das deutschsprachige Ostbelgien nach: Luxemburg, keinesfalls Deutschland.
Mehrheitsfindung ist in Belgien so kompliziert, weil in den Regionen
Flandern und Wallonie jeweils eigene Parteien zur Wahl stehen. Und da
können sich wallonische Sozialisten mit wallonischen Konservativen einiger
sein als mit flämischen Sozialisten. Derzeit sind zwölf Parteien im
Bundesparlament. 2019/20 wurde der eigene Weltrekord bis zur
Regierungsbildung nur um wenige Wochen verfehlt (493 Tage). Zur
Meinungsbildung gehört elementar der „compromis à la belge“.
F wie Fußball: Die belgische Fußballnationalelf führte bis April 2022 fast
vier Jahre lang die Fifa-Weltrangliste an. Der RSC Anderlecht hat mehr
nationale Titel geholt als der stolze FC Immerallesgewinnen aus München.
Belgische Trainer erfanden in den 70ern die Abseitsfalle, Roger van Gool
(1. FC Köln) war 1976 der erste Bundesliga-Millionentransfer. Jean-Marc
Bosmans Klage revolutionierte 1995 das Ablösesystem.
Die belgische Nationalelf nennt sich Red Devils, auf der Website und auf
den Trikots steht verbandsoffiziell „Belgium“. Englisch also, eine
nichtoffizielle Landessprache. Man stelle sich vor, der DFB taufte sein
Team „Germany“. Neben den Fußballteufeln haben auch andere Nationalteams
englische Kampfnamen: Belgian Tornados (das 4x400-Laufteam Männer), Red
Lions (Hockeymänner, amtierende Weltmeister und Olympiasieger) oder das
Frauen-Basketballteam Belgian Cats. Bahnradteams fahren heute alle im
„Belgischen Kreisel“.
G wie Gott: „Gott existiert. Er lebt in Brüssel.“ So heißt es in dem
wunderbaren Kinofilm „Das brandneue Testament“. Demnach wäre Belgien der
Himmel auf Erden. Allerdings spielt der grandiose Benoît de Poolvoerde in
dieser Fantasygroteske von 2015 einen abgefeimten Prollgott, der seine
Mitwelt terrorisiert. Belgien ist überwiegend katholisch (anders als die
protestantischen Niederlande) und heute multireligiös: Der häufigste
Vorname männlicher Neugeborener in Brüssel ist Mohamed.
H wie Hässlichkeit: Belgien gilt oft als hässlich. Einer der Auslöser:
Monotone Autobahnfahrten Richtung Frankreich durch regennasse,
nichtssagende Landschaften, neben der traditionell schlaglochreichen Piste
scheußliche Werbetafeln in XXL, darüber betagte Peitschenlampen, die
nächtens die Bahn ausleuchten. Oder Charleroi: Die Dutroux-Stadt wurde bei
einer niederländischen Zeitungsumfrage mal als hässlichste Stadt der Welt
gekürt. Oder die Küste: Alte DDR-Kader würden neidisch, was da auf 65
Kilometer Länge, Ort für Ort (Ausnahme: de Haan), an uniformen Wohnkästen
in Plattenbau-Anmutung vor die Strände geklotzt wurde. Raffinierter
Vorteil: Nirgends sonst haben so viele UrlauberInnen freie Panoramasicht
auf Küste und Meer.
H wie Hässlichkeit, fehlende: Wer würde das flämische Trio Brügge, Gent,
Antwerpen mit seinen Prachtkathedralen und dem Überfluss an Premiummuseen
als hässlich zu bezeichnen wagen? Oder die alte Unistadt Leuven, Brüssels
weite Parks, die mystisch dunklen Ardennen mit ihren pittoresken Städtchen?
Oder das saftige ostbelgische Hügelland und Flanderns sanfte Weiten? Oder
das schauderlich-neblige Hochmoor Hohes Venn, wo nachts im Sturmgebraus der
Schotte das Gruseln bekäme?
I wie Istendael, Geert van: Der Brüsseler Schriftsteller, Autor des Buches
„Das belgische Labyrinth“, hat vor 20 Jahren diesen Satz gesagt: „Europa
muss belgisch werden oder es wird untergehen.“ Soll heißen: bei vielen
Ethnien, Kulturen und Sprachen auf engem Raum lernen, miteinander
umzugehen. Belgien sei, sagt er, „wie das große Europa, nur im Kleinen“.
Sind wir in Europa seitdem eigentlich schon belgischer geworden?
J wie Juden: Ab 1933 war Belgien Fluchtroute Nr. 1 aus Nazideutschland: hin
zur Küste, auf die Dampfer, manchmal auch erst zur großen jüdischen
Gemeinde nach Antwerpen. Kein Land versteckte erfolgreich so viele jüdische
Verfolgte wie Belgien, darunter den kleinen Paul Spiegel, später
Vorsitzender des Zentralrats der deutschen Juden. 30.000, so die
Schätzungen, überlebten auf Bauernhöfen und in Kellern den deutschen Terror
im viereinhalb Jahre besetzten Land.
K wie Königshaus: meist wohlwollend ignoriert. Oder auch gefeiert –
jedenfalls im deutschsprachigen Ostbelgien, das mit Abstand die royalste
Einstellung des Landes hat. Derzeitiger König: Philippe, der jeden
kleinstädtischen Sparkassenberater doubeln könnte. Vorgänger König Albert
II. musste 2020 nach einem gerichtlich angeordneten DNA-Test eine 1968
geborene Frau als uneheliche Tochter anerkennen: die heutige Künstlerin
Delphine Boël. Sie ist jetzt Zusatzprinzessin.
L wie Liberalität: FDP, hergeguckt: Belgien ist erfreulich klimaliberal
(Tempo 120, rekordverdächtige Bußgeldtabellen) und hat das liberalste
Sterbehilfegesetz der Welt. 1994 führte Belgien als erstes Land Europas
eine gesetzliche Geschlechterquote ein, seit 2002 gibt es verpflichtende
50:50-Quoten auf allen Wahllisten.
M wie Malen: Berühmte Pinselstreicher: Pieter Bruegel (Vater und Sohn), van
Dyck, van Eyck, Rubens, Delvaux, Ensor, Magritte (frühere Meister). Später
kamen Morris, Peyo und Hergé dazu, die Schöpfer von Lucky Luke, den
Schlümpfen sowie den Nationalhelden Tim und Struppi (im Original: Tintin
und Milou). Belgien ist Weltcomicland Nr. 1, Brüssel voll mit
häuserwandgroßen Zeichnungen. Hier lockt auch das Comicmuseum.
M wie Merckx, Eddy: Radfahrer, Vorbild, fünffacher Tour- und Giro-Gewinner,
dreifacher Straßenweltmeister. „Der Kannibale“ gewann die Tour de France
erstmals an dem Tag, als Neil Armstrong 1969 den Mond betrat. Ein großer
Speichentritt für ihn und die belgische Menschheit. Am legendär steilen
Koppenberg auf der Route der Flandernrundfahrt, wo es bei Nässe wegen des
Kopfsteinpflasters viele hässliche Unfälle gab, schob Merckx einmal lieber
hoch – und gewann.
N wie Neutralität: BelgierInnen wollen meist nicht auffallen, am liebsten
unsichtbar sein. Im Urlaub lassen sie sich je nach Sprache gern für
Franzosen oder Niederländer halten. Wie das kommt? Bis 1830 war das Land
immer unter wechselnder Herrschaft: Spanier, Habsburger, Franzosen,
Niederländer. Später kamen zweimal mordend und brandschatzend die
Deutschen. Deshalb passt die Lebensweisheit: Diskretion ist die Tugend
besetzter Völker.
Ein Dasein unterm Radar, weshalb man woanders auch so wenig über
Belgie/Belgique weiß. Das Land kann sich nicht verkaufen, PR steht eher für
Private Ruhe statt Public Relations.
O wie Ostbelgien: Hier lebt die „bestgeschützte Minderheit der Welt“. Siehe
Q wie Quasseln.
P wie Prominenz: Adamo, Helmut Lotti oder Orlando di Lasso sind nur
scheinitalienische Musiker, Jacques Brel, George Simenon und César Franck
nur Vonwegenfranzosen. Andere Belgier: Django Reinhardt, Philip Catherine,
Victor Horta, Hercule Poirot, Stromae. In Belgien geboren: Ursula von der
Leyen, Audrey Hepburn, Gerhard Mercator, Karl der Große, der deutsche
Fußballweltmeister Hacki Wimmer („Netzers Lunge“), Beethovens Opa.
Q wie Quasseln: Belgien ist zweisprachig? Nein, neben Französisch und
Niederländisch ist Deutsch offiziell dritte Landessprache, jedenfalls in
Ostbelgien entlang der Grenze zwischen Luxemburg und Aachen. Das Gebiet
heißt „Deutschsprachige Gemeinschaft“ (DG), das man nie-nie-nie deutsche
Gemeinschaft nennen darf. 77.000 Menschen haben ein eigenes Parlament mit
vier Ministern inklusive einem Ministerpräsidenten, die höchste
Ministerdichte EU-weit. Absurd? Die DG verwaltet sich mit zunehmenden
Kompetenzen selbst und kann autonom Verträge mit anderen EU-Staaten
abschließen. Kulturministerin Isabelle Weykmans (mit 24 Jahren einst
jüngste EU-Ministerin) sagt: „Wir sind Kosmopoliten in der Provinz.“
R wie Revolution: Am 25. August 1830 wurde in der Brüsseler Oper „Die
Stumme von Portici“ gegeben. „Zu den Waffen“ heißt es darin (nein, nicht…
den Waffeln!) und „Vive la Revolution“, geschmettert von mächtigen Chören.
Die feinen Leute im Saal erhoben sich, brüllten mit, stürmten nach draußen,
verbündeten sich mit Besoffenen der umliegenden Wirtshäuser, zogen durch
die Stadt und besetzten den Justizpalast. Aufruhr gegen den verhassten
niederländischen König, dessen Soldaten zu spät kamen. Die belgische
Revolution hatte begonnen.
Schönste Legende am Rande: Angeblich schütteten Helfer oben im Opernhaus
töpfeweise heiße Carbonade Flamande(eine Art Gulasch, zukunftsweisend:
flämisches Nationalgericht mit französischem Namen) auf die aufziehenden
Polizeikräfte herab. Botschaft: Wenn wir dermaßen essenverliebten Belgier
uns solche Köstlichkeiten vom Mund absparen, dann ist die Sache verdammt
ernst. Die Aufständischen (ohne einen bekannten Helden oder Anführer)
handelten der Oranierkrone schnell das Land zur Eigenverantwortung ab, das
heute fast genau Belgien entspricht. Der Aufstand verlief weitgehend
unblutig.
S wie Sax: Alphonse Sax aus Dinant ist Erfinder des Saxophons. Belgier
namens Xylo, Klav, Schlagz oder Tromp (siehe auch T wie Trump) gibt es
allerdings nicht.
T wie Trappistenbier: Je nach Zählweise gibt es in Belgien 3.000 bis 4.000
Biersorten, viele haben 8 bis 10 Prozent Alkohol und vereinzelt mehr.
Bekannt sind neben den oft nachfruchtierten Gueuze-Sauerbieren vor allem
die Abtei- und Trappistenbiere. Abteibiere dürfen nach alten Rezepturen
auch in weltlichen Brauereien im Auftrag hergestellt werden, die
Trappistenbiere müssen in ihren Klöstern von Benediktinermönchen selbst
oder zumindest unter ihrer Aufsicht gebraut werden. Weltweit gibt es elf
Trappistenbrauereien, davon sechs in Belgien. Die Besonderste ist
Westvleteren. Deren Bier gibt es nur per Anmeldung im abgelegenen Kloster
selbst, maximal ein Kasten kleine Flaschen pro Person (ca. 30 Euro). Bei
Ebay kostet ein Sixpack um die 50 Euro. Die Benediktiner von Westvleteren
sagen: „Wir leben nicht, um zu brauen, sondern wir brauen, um zu leben.“
Gerade so viel, wie sie für ihr karges Leben in der Sint-Sixtusabdij
brauchen.
T wie Trump: Der Ex-Präsident der USA ist ein ausgewiesener Kenner des
Landes: „Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort –
großartige Gebäude.“ Andererseits: „Brüssel ist ein elendes Loch
(hellhole).“ Auch Joe Biden hat das Loch schon besucht. Ästhetische
Statements dazu sind nicht bekannt.
U wie Urin: Niemand sonst hat einen pinkelnden Knaben (täglich anders
kostümiert) als Nationalsymbol: Das Manneken Pis in Brüssel, errichtet
1619. Seit 1985 gibt es im Genderkönigreich auch eine Jeanneke Pis, nicht
weit vom Manneken. Und Zinneke Pis – einen Straßenköter aus Bronze, der
seit 1998 das Bein hebt.
V wie Velo 5: Radfahren in Belgien? Ist dreigespalten.
Sportrad, Freizeit: extrem hoch. Wohl in keinem anderen Land erlebt man,
vor allem an Wochenenden, solche Massen an Rennradlern (seltener -innen),
die in bunte Werbewurstpellen gekleidet hordenweise die Landstraßen
befahren. Manche Gemeinden haben die Zahl der Hobbyrennen limitiert, weil
es Beschwerden gab, dass AutofahrerInnen nicht mehr aus ihren Grundstücken
kamen.
Alltagsnutzung: gering. Straßen, etwa für Arbeitswege, sind kaum
radentwickelt, ganz anders als beim Nachbarn Niederlande. Im fast weglosen
Brüssel war Radfahren jahrzehntelang fast ein Selbstmordkommando.
Urlaub: Ähnlich karg die Infrastruktur für touristische Zwecke. Es
existieren zwar hier und da Strecken („Ravel-Routen“), die aber sind
lückenhaft und oft mies ausgeschildert.
Jetzt aber gibt es zum Beispiel die Velo 5: eine neue europäische
Fahrradroute von Südengland bis Brindisi, die ganz Belgien durchzieht. Sie
lässt einen in Flandern die typischen milden Weiten erleben – und die
„Flämischen Ardennen“. Die sind keine neidische Antwort auf die Wallonen
mit ihren richtigen Ardennen, sondern heißen zu Recht so, wie man keuchend
etwa am steilen und engkurvigen Kopfsteinpflasteraufstieg Geraardsbergen
feststellt. Oder nebenan am Koppenberg (siehe M wie Merckx).
Die Velo 5 geht auch mitten durch Brüssel, teils über eine breite
Extrapiste. Sie ist Teil der 40 Kilometer Pop-up-Bikelanes, die hier nach
Covid-Ausbruch angelegt wurden und derzeit Stück für Stück verstetigt
werden. In Brüssels Citybereich gilt Tempo 30. Folgen: Deutlich mehr
Radfahrende, Brüssels legendäre Autostaus werden kürzer. Gent allerdings
kann mehr: Dessen Innenstadt ist seit einigen Jahren autobefreit.
V wie Verkehrszeichen: Das Schild „Bauarbeiten Ende“ (Schaufelarbeiter,
blauer Grund, dicker roter Diagonalstrich) kann das ganze Land erklären:
Denn links unten ist oft noch ein kleines Resthäufchen zu sehen,
weltexklusiv übrigens. Botschaft: Auch wenn die Arbeit scheinbar getan ist
– fertig sind wir nie. Immer weiter werken, ein Land im permanenten work in
progress. Dazu passt: Belgier lieben immens das Herumfrickeln am eigenen
Häuschen, das Schrauben, Basteln und Ausbauen, sodass man sich wundert,
wieso es dafür mit „Do it yourself“ einen englischen Begriff gibt.
W wie Weltraum: Aus dem All kommt in Brügge kein Fernsehen, denn
Satellitenschüsseln sind verboten, um das alte Stadtbild nicht zu
ruinieren. Die touristisch überschwemmte Stadt lebt dafür bei Einheimischen
mit dem Attribut „Mittelalterliches Disneyland“. Vor Corona kamen neun
Millionen BesucherInnen pro Jahr in die enge Gassenstadt, sommers täglich
auch mal über 50.000. Bei den 19.000 Einwohnern des Stadtkerns ergibt sich
das gleiche Verhältnis wie in Venedig.
Aus dem Weltraum ist Belgien dank der gelblichen Autobahnbeleuchtung
tatsächlich schnell zu identifizieren. Auf feinkörnigen ISS-Aufnahmen kann
man die gelbe Melange auch für eine Schale Pommes frites halten. Die Lampen
sind mittlerweile zu Teilen ausgeschaltet – auch belgische Autos haben
jetzt eigenes Licht. Und einen Führerschein muss man in Belgien auch haben.
Bis 1967 durfte man tatsächlich einfach so fahren, als wäre man in
Anarchistan.
X wie besondere Namen mit vorne X und hinten x: Xhonneux ist ein typischer
belgischer Familienname, Xhoffraix ein Ort zwischen dem Hohen Venn und
Malmedy.
Y wie Ypern. Stadt in Weltflandern. Horrorsynonym für den Stellungskampf
der über dreijährigen Flandernschlachten im 1. Weltkrieg 1914-1917.
Ersteinsatz der deutschen Besatzer von Senf- und Chlorgas. Viele
hunderttausend Tote.
Z wie Zusatzinfo: 2023 plant die taz eine 8- bis 10-tägige LeserInnenreise
nach Belgien. Details demnächst unter: taz-Reisen in die Zivilgesellschaft.
Der Termin ist noch offen.
26 Jun 2022
## AUTOREN
Bernd Müllender
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