# taz.de -- Wegen getöteter Polizist:innen: Razzia für ein „Like“ | |
> Razzia bei einer Person aus Hamburg – der Grund: Ein Like für einen | |
> Tweet, der die Tötung von Polizist*innen gebilligt haben soll. | |
Bild: Wer das anders seht, sollte sich im Netz vorsehen: Gedenkort für die ers… | |
Der Vorfall erinnert ein wenig an die Pimmelgate-Affäre um Hamburgs | |
Innensenator Andy Grote (SPD). Dieser hatte im vergangenen Jahr [1][eine | |
Hausdurchsuchung angezettelt], weil er bei Twitter mit dem Satz „du bist so | |
1 Pimmel“ beleidigt worden war. Ein*e Hamburger*in musste am frühen | |
Montagmorgen auch der Polizei die Tür öffnen, ebenfalls wegen eines Tweets. | |
Genauer: Wegen eines Likes. Dieses soll die betroffene Person vor | |
eineinhalb Jahren unter folgenden Tweet gesetzt haben, der eine etwas | |
andere Hausnummer war als der Pimmel-Tweet: „Wo sind eigentlich die | |
Schweigeminuten für Ahmed Ahmad, für Giorgos Zantioinis, für Oury Jalloh, | |
für all die Menschen die die Polizei ermordet hat? Ich trauere wenn | |
unschuldige sterben, nicht wenn die killer selber mal dran glauben müssen“. | |
Das Handy der betroffenen Person wurde beschlagnahmt, schreibt der | |
Ermittlungsausschuss Hamburg (EA), der Aktivist*innen unterstützt. | |
Die Durchsuchung war Teil einer bundesweiten Razzia. In 15 Bundesländern | |
wurden rund 80 Menschen aufgesucht. Die Maßnahmen beruhen auf Erkenntnissen | |
der Ermittlungsgruppe Hate Speech des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz. | |
Diese sei „als Reaktion auf zahlreiche Hasskommentierungen nach der Tötung | |
der beiden Polizeibeamten im Landkreis Kusel am 31.01.2022“ eingerichtet | |
worden, [2][schreibt die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz]. | |
## Bundesweit 150 Beschuldigte | |
Die Gruppe bearbeite Fälle unter der Leitung der Generalstaatsanwaltschaft, | |
gehe Hinweisen nach und suche „proaktiv nach solchen“, [3][heißt es beim | |
Innenministerium Rheinland-Pfalz]. „Insgesamt wird 150 Personen | |
vorgeworfen, für 172 strafrechtlich relevante Kommentare und 18 Likes | |
verantwortlich zu sein.“ Mit der Razzia habe man nun „erstmals gemeinsam | |
mit allen Bundesländern das Ziel verfolgt, bei den Tatverdächtigen weitere | |
für die Strafverfolgung dienliche Beweise zu sichern“, wird der | |
LKA-Vizepräsident zitiert. | |
Am Dienstag begann der Prozess um die zwei getöteten Polizist*innen. Gerade | |
vor dem Hintergrund bewertet der EA die Razzia am Tag zuvor als „reine | |
PR-Aktion“ im eigenen Interesse. Ein Aktivist des EA, der seinen Namen | |
nicht nennen möchte, hält die Durchsuchung in Hamburg zudem für | |
unverhältnismäßig. „Dass Likes verfolgt werden, ist ziemlich absurd. Da ist | |
jegliches Maß verloren.“ Außerdem stelle sich ihm die Frage, welche | |
zusätzlichen Beweise ein Handy liefern sollte, wenn der richterliche | |
Beschluss zur Durchsuchung schon darauf beruhe, zu wissen, wer das Like | |
unter den Tweet gesetzt haben soll. | |
Er setzt das Handeln der Polizei auch ins Verhältnis zu Erkenntnissen, die | |
der [4][ZDF-Satiriker Jan Böhmermann] vor rund einem Monat in einer | |
investigativen Recherche gesammelt hatte: Sein Team hatte sieben | |
strafrechtlich relevante Hassnachrichten in allen 16 Bundesländern | |
angezeigt – und dann dokumentiert, wie träge die Polizei dazu teils | |
ermittelte. „Das hat mit Verhältnismäßigkeit überhaupt nichts mehr zu tun… | |
so der Aktivist, zumal die Beleidigungen viel härter gewesen seien. „Wenn | |
es um Kolleg*innen geht, wird direkt die Generalstaatsanwaltschaft | |
eingebunden.“ | |
## Die Rechtslage ist bislang unklar | |
Die Begründung für den Durchsuchungsbeschluss war laut dem Aktivisten: Der | |
Tweet, der kurz nach der Tötung der beiden Polizist*innen abgesetzt | |
worden sein soll, beziehungsweise das Liken, soll ihr Andenken verunglimpft | |
und die Tat gebilligt haben. Für beide Straftaten kann eine Freiheits- oder | |
Geldstrafe verhängt werden. | |
Ein Hamburger Rechtsanwalt aus dem Umfeld des EA glaubt jedoch nicht, dass | |
allein ein Like oder ein Retweet dazu reicht, diese Tatbestände zu | |
erfüllen. „Es ist eher ein Versuch, diese Hasskriminalität zu bekämpfen, | |
allerdings mit sehr starken Mitteln.“ Aufgrund fehlender Rechtsprechung | |
gebe es dazu noch viele unterschiedliche juristische Ansichten. | |
Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte, dass die Durchsuchung „wegen des | |
Verdachts einer Straftat nach § 140 und § 189 StGB durch Liken eines | |
Twitterbeitrages“ erfolgte. Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der | |
Durchsuchung beantwortete die Sprecherin „aufgrund der andauernden | |
Ermittlungen“ nicht. Unter Hasskriminalität könne aber „ganz allgemein au… | |
eine Tathandlung wie das ‚Liken‘ und damit ‚Gutheißen‘ eines Hasskomme… | |
fallen“. | |
22 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Hausdurchsuchung-wegen-eines-Tweets/!5799732 | |
[2] https://gstko.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/hassbotsc… | |
[3] https://mdi.rlp.de/de/service/pressemitteilungen/detail/news/News/detail/bu… | |
[4] /Hass-im-Netz/!5854812 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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