# taz.de -- Schwimm-WM nach Olympia: Weltmeisterschaft zweiter Wahl | |
> Bei der Schwimm-WM in Budapest fehlen einige Ausnahmekönner. Das liegt | |
> nicht nur am Ausschluss Russlands. | |
Bild: Der Ukrainer Mychajlo Romantschuk hat sich in Magdeburg auf die WM vorber… | |
Wenn Bernd Berkhahn über die Zusammenarbeit mit Mychajlo Romantschuk | |
spricht, wird der Bundestrainer zwischenzeitlich nachdenklich. Seit Anfang | |
März gehört Romantschuk zu Berkhahns Trainingsgruppe in Magdeburg – weil | |
der Langstreckenspezialist aus dem nordwestukrainischen Riwne bereits kurz | |
nach Beginn des russischen Angriffskriegs in seinem Heimatland keine | |
intakte Sportstätte mehr fand. „Die Belastung durch den Krieg ist präsent, | |
gar keine Frage. Wie sprechen häufig darüber, tauschen uns aus“, berichtet | |
Berkhahn, der so auch etwas über das Schicksal des Vaters und des Trainers | |
des 25-Jährigen erfahren hat. | |
„Sie bekamen erst mal eine Ausbildung an verschiedenen Waffensystemen, | |
mussten sich mit Kriegsstrategien und all solchen Dinge beschäftigen – | |
wovon sie vorher keine Ahnung hatten. Jetzt sind sie fertig mit der | |
Ausbildung – und an der Front. Das ist völlig surreal für uns, das ist | |
eigentlich nicht zu fassen“, erzählt Berkhahn – der sich einen Kommentar | |
zum Ausschluss der russischen und belarussischen Athleten von der am | |
Samstag beginnenden Schwimm-WM verkneift. „Ich glaube“, sagt der 51-Jährige | |
lakonisch, „an meiner politischen Meinung ist niemand interessiert.“ | |
Der Internationale Schwimmverbands Fina selbst nahm in dieser Angelegenheit | |
zunächst eine vage Position ein. Am 27. Februar, drei Tage nach | |
Kriegsausbruch, sagten die Schwimmfunktionäre zwar die für Ende August | |
geplante Junioren-WM im russischen Kasan ab. In einem Beschluss vom 1. März | |
gestatteten sie russischen und belarussischen Sportlern dann aber eine | |
Teilnahme an Fina-Wettkämpfen unter neutraler Flagge. Es folgten | |
internationale Proteste. Nach erneuter Überprüfung beschlossen die | |
Verantwortlichen am 23. März letztlich den Ausschluss von Athleten und | |
Offiziellen aus Russland und Belarus von der Schwimm-WM. | |
Mit Russland fehlt bei den Titelkämpfen in Budapest damit die Nummer drei | |
im Medaillenspiegel [1][der letzten WM.] Im südkoreanischen Gwangju | |
sammelten russische Wassersportler vor drei Jahren 30 Edelmetallplaketten | |
ein – genauso viele wie China, mit 16-mal Gold ganz oben im Tableau. Nur | |
die zweitplatzierten Amerikaner (15-11-10) machten damals noch größere | |
Beute. Bei den Olympischen Spielen von Tokio kam die USA als | |
erfolgreichstes Team dann allein bei den Schwimmwettbewerben auf 30 | |
Medaillen, gefolgt von Australien mit 21 Auftritten auf dem | |
Siegertreppchen. | |
## Konzentration auf nur ein Event | |
In dieser nacholympischen Saison treten die beiden Top-Nationen deutlich | |
kürzer, allen voran die Australier. So entschied sich Emma McKeon, | |
siebenfache Medaillengewinnerin von Tokio, schon Mitte Februar gegen eine | |
WM-Teilnahme. Hochkaräter wie die Schwestern Bronte und Cate Campbell | |
verzichten ebenfalls auf die WM. | |
[2][Ariarne Titmus,] die auf der Jagd nach dem ältesten Weltrekord im | |
Frauen-Schwimmen gerade die Bestmarke der Italienerin Federica Pellegrini | |
über 200 Meter Freistil um 33 Hundertstelsekunden verfehlte, aber um 0,19 | |
Sekunden schneller war als bei ihrem Olympiasieg in Tokio, fehlt ebenfalls. | |
„Ich wollte in diesem Jahr nur ein Event haben, auf das ich mich dann ganz | |
fokussieren kann“, begründete Titmus ihre Entscheidung für die | |
Commonwealth Games im Juli. | |
In der Duna Arena wird es deshalb keine Neuauflage der packenden Duelle | |
geben, die sich Titmus und US-Superstar Katie Ledecky bei den Tokio-Spielen | |
über 400 und 800 Meter Freistil lieferten. Immerhin: Die 25-jährige | |
Ledecky, Inhaberin von sieben olympischen Goldmedaillen, ist in Budapest | |
dabei – als Vorzeigekraft eines Teams, in dem 28 der 41 gemeldeten | |
Schwimmer*innen erstmals bei einer Langbahn-WM antreten. | |
„Jeder macht etwas anderes: Manche konzentrieren sich auf die Commonwealth | |
Games, andere auf die EM im August“, fasst Berkhahn die aktuelle Lage | |
zusammen und prophezeit für das kleine, nur zehnköpfige WM-Team des DSV: | |
„Wir können damit rechnen, bei jedem Start mindestens das Semifinale zu | |
erreichen. Wenn nicht sogar das Finale.“ | |
18 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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