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# taz.de -- Rückkehr russischer Boxer:innen: Scheinheilige Bündnisse
> Der Weltboxverband lässt Russen wieder in den Ring. Wie schon beim
> Ausschluss entscheiden erneut nicht die Werte, sondern das Kalkül.
Bild: Putinnähe: Box-Weltverbandschef Kremlev Anfang September mit dem russisc…
Schöne Nachrichten gab es diese Woche für den russischen Sport. Der
Boxweltverband IBA hat als erste olympische Sportorganisation beschlossen,
dass der Ausschluss der russischen und belarussischen Athleten, der nach
Beginn des Krieges in der Ukraine umgesetzt wurde, wieder aufgehoben wird.
Die Sportler dürfen wieder antreten, nicht einfach nur so, sondern mit dem
ganzen nationalen Schnickschnack. Die eigenen Fahnen dürfen geschwungen,
die Nationalhymnen geschmettert werden. Zum Schutz der Athleten geschehe
dies, es solle keine Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität geben. Das
hat Umar Kremlew, der Chef der IBA erklärt. Und: „Es ist unser aller
Pflicht, Sport und Athleten von der Politik fernzuhalten.“
Kremlew ist Russe. Die ukrainische Verband wurde übrigens Ende September
vorläufig suspendiert. Zu viel Einmischung des Staates in die Arbeit des
nationalen Verbandes wurde moniert. [1][Ähnliche Bedenken gab es bereits
gegen Kremlew selbst.] Mitte Mai bildete sich aus den westlichen
Boxnationen eine Allianz, welche die Wiederwahl Kremlews verhindern wollte,
weil dessen Macht im internationalen Boxverband sich vor allem auf die
Gelder des russischen Staatsunternehmens Gazprom stützte, mit der er sich
seine Mehrheiten organisiert.
[2][Der Deutsche Boxsport-Verband traute sich damals nicht], offen zu
opponieren, weil er wohl glaubte, sich eine fragwürdige Haltung eher
leisten zu können als finanziellen Schaden. Kremlews Gegenkandidat, der
Niederländer Boris van der Vorst, wurde einen Tag vor der Wahl durch eine
Integritätsprüfung der IBA von der Wahl ausgeschlossen. Sein Wahlkampf
außerhalb der Wahlkampfzeit, hieß es, habe gegen die Statuten verstoßen.
Kremlew wurde mit bloßem Applaus und ohne Gegenkandidat erneut zum
Präsidenten gekürt.
Die Vorgänge scheinen eine aberwitzige Karikatur davon zu sein, wie sich
zwielichtige Figuren – Kremlew war Mitglied der „Nachtwölfe“, einem
nationalistischen russischen Motorradklub – Einfluss verschaffen können und
die Werte des Sports mit Füßen treten.
## Pekuniäre Überlegungen
Schaut man genauer und etwas weiter, ist das Bild ein vielschichtigeres.
IOC-Präsident Thomas Bach machte im August darauf aufmerksam, dass es von
den 205 nationalen olympischen Komitees etwa 150 im IOC gebe, deren
Regierungen keine Sanktionen gegen Russland verhängt hätten. Diese würden
sich fragen, [3][warum der IOC russische und belarussische
Sportler:innen ausschließe.] Sprich: Diese nationalen Komitees haben
keine eigene Motivation, im Bereich des Sports anders zu handeln, als das
auf dem Feld der Politik in ihren Ländern gehandhabt wird.
Ähnlich wie im Boxweltverband dürfte die Mehrheit pekuniären Überlegungen
den Vorrang geben. Der größte olympische Finanzier ist der US-Sender NBC,
der dem IOC 2021 für die Übertragungsrechte bis 2032 5,5 Milliarden Euro
zusicherte. Diese Zuwendungen machen etwa 40 Prozent im Gesamtetat der
Olympiamacher aus.
Wenig glaubwürdig wäre es zu behaupten, es ginge beim Ausschluss von
Belarus und Russland um die Werte des Sports. Viele Länder, räumte auch
Thomas Bach ein, würden das IOC fragen, was man bei den Kriegen im Jemen
oder in Afghanistan, Äthiopien oder Mali getan habe. Man kann den
Ausschluss für russiche und belarussische Sportler:innen weiter
gutheißen. Mehrheitsfähig ist er aber nur aufgrund der globalen politischen
und ökonomischen Machtverteilung und nicht weil sich das aus einer
Wertegemeinschaft des Sports ableiten lassen würde.
7 Oct 2022
## LINKS
[1] /Russischer-Wahlkampf-im-Boxverband/!5851955
[2] /Internationale-Boxverband-waehlt-Chef/!5850300
[3] /Sportwelt-und-Weltpolitik/!5839368
## AUTOREN
Johannes Kopp
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