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# taz.de -- Frauenfußball-EM ohne Russland: Zwischen Europa und Asien
> Russland darf nicht zur Frauenfußball-EM. Der Verband schielt nach Asien,
> die besten Spielerinnen orientieren sich jedoch lieber gen Westen.
Bild: Spielt in Spanien – wo sie sich nicht verstecken muss: Fußballerin Nad…
Gerade hat Russland souverän gegen Russland gewonnen. Das Nationalteam der
Frauen siegte mit 3:1 gegen die Frauen von ZSKA Moskau. International
derzeit völlig isoliert, spielen die Russinnen nur gegen sich selbst. Als
einziges Team Osteuropas waren sie für diese EM qualifiziert. Nun findet
nicht nur die EM, sondern auch Europa ohne Russland statt.
Der deutschen Öffentlichkeit gilt [1][der Ausschluss der russischen
Fußballerinnen] als so selbstverständlich, dass er vor dem Turnier medial
nicht einmal stattfindet. Dabei bleibt er fragwürdig: Kein anderer Krieg,
keine anderen Menschenrechtsverbrechen der jüngeren Vergangenheit waren dem
Fußball den Turnierausschluss eines Landes wert. Unter russischen
Spielerinnen bleibt das nicht unbemerkt. Und nicht nur ist die
Verhältnismäßigkeit zweifelhaft, auch bleiben die damit verfolgten Ziele
unklar.
Für viele Spielerinnen sind damit langfristig Lebensträume geplatzt. Dass
Russland beim folgenden EM-Turnier teilnehmen wird, ist unwahrscheinlich.
Der Bann hat die Reihen im Land eher geschlossen; er wird mit einer
Mischung aus Enttäuschung und achselzuckendem Trotz quittiert.
Nationalspielerin Lina Jakupowa hofft gegenüber dem Portal „Championat“ auf
andere Turniere: „Ich denke, unsere Funktionäre finden einen Ausweg.“ Der
russische Fußball streckt bereits seine Fühler zum asiatischen Verband aus.
Spiele gegen Kasachstan statt Spanien würden für Russland freilich einen
großen Rückschritt bedeuten. Der kommt zur schlechtesten Zeit. Der
traditionsreiche russische Frauenfußball – schon 1911 gründeten sich erste
Teams, und in den zwanziger Jahren gab es eine kurze, dann wieder
zertretene Blüte – war gerade dabei, sich vorsichtig zu
internationalisieren. Linksverteidigerin Alsu Abdullina wechselte 2021 zum
FC Chelsea, Mittelfeldspielerin Alina Myagkowa ist bei Hellas Verona unter
Vertrag, und Stürmerin Nadeschda Karpowa kickt für Espanyol Barcelona.
## Fehlender Austausch
Diese Stimmen waren wichtig. Alina Myagkowa, die während ihrer Zeit in den
USA psychisch erkrankte, lobte den Umgang in den USA damit und kritisierte
in russischen Medien: „Die russische Mentalität nimmt keine Rücksicht auf
psychische Gesundheit.“ Sie forderte mehr Akademien für Mädchen („um
europäisches Niveau zu erreichen, wird es 10 bis 15 Jahre dauern“),
kritisiert aber auch das mangelnde Wissen über Russland in den USA. Der
fußballerische Austausch, nun zumindest mit mehr Stigma belegt, wird allen
schmerzlich fehlen.
Wie viel eine Auslandserfahrung in Russland ins Wackeln bringen kann, zeigt
die derzeitige Rebellin im Nationalteam, [2][Nadeschda Karpowa]. 2017
wechselte sie nach Spanien und muss dort endlich ihre Homosexualität nicht
mehr verstecken. Aus Barcelona heraus erobert sich die Stürmerin die
Freiheit, Putin und den Krieg zu kritisieren. „Ich kann diese
Unmenschlichkeit nicht einfach ansehen und stumm bleiben“, so Karpowa.
Viele Russ:innen seien Gefangene der Propaganda. „Putin hat uns alles
genommen. Aber er hat das mit unserem schweigenden Einverständnis getan.“
In Barcelona stürmt sie Seite an Seite mit einer Ukrainerin. Gleichzeitig
betont sie: „Ich schäme mich nicht, Russin zu sein.“
Ihre Nationalmannschaftskollegin Margarita Chernomyrdina fiel ihr nun in
den Rücken. „Ich finde es richtig, dass man in Russland so was nicht durch
die Gegend schreit und keine Propaganda unter Minderjährigen betreibt.“
Zugleich betonte sie, Erwachsene sollten leben können, wie sie wollten,
ohne schiefe Seitenblicke. Persönlich diskutieren werden die beiden
LGBT-Rechte wohl nicht mehr: Nadeschda Karpowa wird vorerst um ihrer
Sicherheit willen nicht nach Russland zurückkehren. Und die Isolation des
Landes bewirkt Düsteres.
8 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.uefa.com/insideuefa/mediaservices/mediareleases/news/0275-150c9…
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Nadezhda_Karpova
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Fußball-EM der Frauen 2022
Russland
Boykott
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Fußball-EM der Frauen 2022
Makkabiade
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Eiskunstlauf
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