# taz.de -- Eiskunstlauf-WM ohne Russland: Show ohne Stars | |
> Die Qualität der Eiskunstlauf-WM in Frankreich leidet unter dem | |
> Ausschluss Russlands. Der russische Einfluss bei den Wettbewerben ist | |
> dennoch groß. | |
Bild: Dieser gebürtige Russe darf mitmachen: Nikita Starostin tritt bei der WM… | |
Attraktiv sind die Weltmeisterschaften im Eiskunstlaufen, die diese Woche | |
im französischen Montpellier stattfinden, wahrlich nicht. Die besten | |
Eisläufer sind nicht dabei. Der amerikanische Olympiasieger Nathan Chen und | |
der japanische Superstar Yuzuru Hanyu fehlen wegen Verletzungen. China, | |
dessen Paar Wenjing Sui/Cong Han mit wunderschönen Programmen den | |
Olympiasieg im Paarlaufen errang, schickt wegen der Coronapandemie keine | |
Sportler nach Frankreich. Vor allem aber fehlen die starken russischen | |
Läuferinnen und Läufer, die bei Olympia fünf von zwölf möglichen Medaillen | |
holten. | |
Auch wenn der Ausschluss russischer Athleten den Wettbewerb sportlich | |
schmälert, die Entscheidung des Weltverbandes ISU, sie wegen des russischen | |
Angriffskrieges auf die Ukraine von allen internationalen Wettkämpfen | |
auszuschließen, ist richtig. Nicht nur, weil die Paare Evgeina | |
Tarassowa/Vladimir Morozow und Victoria Sinitsina/Nikita Kazalapow [1][bei | |
Putins bedrückender Propaganda-Show im Moskauer Luschniki-Stadion] jubelnd | |
auf der Bühne standen und ihre in Peking errungenen Silbermedaillen | |
präsentierten. Nicht nur, weil der jetzt als Trainer tätige Olympiasieger | |
von 2006, Evgeni Pluschenko, der noch heute mit seiner Eislaufkunst ganze | |
Eishallen zum Rocken bringt, ebenfalls im Stadion war und Auftritte in den | |
„Volksrepubliken“ am Donbass ankündigte. | |
Eiskunstlauf ist in Russland äußerst populär. Wenn ein Millionenpublikum in | |
dem von Pressezensur geprägten Land auf den Auftritt ihrer Stars verzichten | |
muss – vielleicht löst das ja doch bei einzelnen Fragen aus. | |
Hinzu kommt: Eiskunstlauf genießt in Russland die höchste Aufmerksamkeit | |
der Machthaber. Das konnte man bei Olympia sehen, als das | |
Verteidigungsministerium [2][nach dem Dopingvorwurf gegen die 15-jährige | |
Kamila Valieva] ein gruseliges Video verbreitete. Darauf zu sehen war ein | |
eislaufendes Mädchen, das zuerst von dunklen Mächten angegriffen und danach | |
vom russischen Militär beschützt wird. | |
## Russische Sportler für andere Nationen am Start | |
Es gibt zudem personelle Bande zwischen einzelnen ehemaligen Eisläufern und | |
den Machthabern: Kremlsprecher Dmitri Peskow ist mit der ehemaligen | |
Eistänzerin Tatjana Navka verheiratet und Patenonkel der Tochter ihres | |
früheren Trainers. Es gab allerdings auch ehemalige Eiskunstläuferinnen, | |
die am Tag nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in sozialen Medien | |
dagegen protestierten. | |
Und doch sind bei den Weltmeisterschaften 19 SportlerInnen am Start, die in | |
Russland das Eislaufen erlernt haben und seit Jahren, meist wegen der dort | |
großen Konkurrenz, für andere Staaten laufen. Sie laufen für Australien, | |
Aserbaidschan, Polen, Spanien oder Georgien. Oder für Deutschland wie der | |
19-jährige gebürtige St. Petersburger Nikita Starostin, der vor wenigen | |
Jahren wegen des deutschen Lebenspartners seiner Mutter nach Deutschland | |
zog, heute in Belgien trainiert und als vielversprechendes Talent sein | |
WM-Debüt geben wird. Dazu kommen internationale Sportler ohne russische | |
Wurzeln, die wegen der hervorragenden Trainingsbedingungen in Russland | |
trainierten wie beispielsweise die deutschen Paarlaufmeister Minerva | |
Hase/Nolan Seegert. Das Paar hatte Glück im Unglück, weil es nach Olympia | |
noch in Berlin zu tun hatte und darum noch nicht an ihren Trainingsort nach | |
Sotchi zurückgekehrt war, als der Krieg ausbrach. | |
Im italienischen Bergamo bekam das Paar mit seiner internationalen | |
Trainingsgruppe sportliches Asyl und wurde bei der Vorbereitung auf die WM | |
von zwei italienischen Trainern betreut. Zu der Gruppe gehören zwei | |
italienische und ein georgisches Paar, die mit ihnen gemeinsam in Sotchi | |
trainierten, etwa auf demselben Niveau laufen und sich im Training | |
gegenseitig pushen. | |
Hase sagte der taz, dass ihr russischer Startrainer Dmitri Savin zur WM | |
kommen möchte. „Das ist natürlich nicht einfach, denn es gibt kaum noch | |
Wege aus Russland heraus.“ Auch im Training sei er öfter per Video | |
zugeschaltet. Nolan Seegert, der während der Olympischen Spiele wegen einer | |
Coronadiagnose Tage in Quarantäne verbringen musste und dem darum beim | |
Wettkampf die Kraft fehlte, sei wieder fit, sagt seine Partnerin. | |
Gemeldet sind zu den Weltmeisterschaften auch ein Mann und zwei Paare aus | |
der Ukraine. Wo sie derzeit sind und ob sie den Weg nach Frankreich | |
schaffen, ist nicht bekannt. Die Meldung der in Moskau lebenden gebürtigen | |
Moskauerin Anastasia Shabatova, die für die Ukraine läuft, wurde vor einer | |
Woche ohne Angaben von Gründen zurückgezogen. | |
22 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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