Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ukrainische Fußballerinnen in Köln: Als Team auf der Flucht
> Die Fußballerinnen vom ukrainischen Erstligisten FC Krywbas sind mithilfe
> des 1. FC Köln nach Deutschland gelangt und trainieren beim Erstligisten.
Bild: Die Spielerinnen vom FC Krywbas packen für ihr Trainingsspiel beim 1. FC…
Köln taz | Wenn das Frauenteam des ukrainischen Fußballvereins FC Krywbas
mit dem Mannschaftsbus unterwegs ist, gibt es bei der Ankunft am Ziel ein
Ritual: Liubov Mozgha steigt als Erste aus. Die 27-Jährige ist so etwas wie
die heimliche Chefin im Team – das ist auch weit weg von der Heimat nicht
anders. Also ist die kleine blonde Mittelfeldspielerin auch an diesem
sonnigen Märzmittag in Köln ganz vorn dabei, als der Mannschaftsbus des 1.
FC Köln mit den ukrainischen Fußballerinnen am Geißbockheim, dem
Trainingsgelände des FC, vorfährt.
Die Frauen des FC Krywbas haben das Kriegsgebiet in ihrer Heimat verlassen
können – es war eine dramatische Flucht, die ihnen vor zehn Tagen mit der
Hilfe aus Deutschland gelungen ist. Eigentlich sollte das Team, das in der
Ukraine in der ersten Frauenliga spielt, Ende Februar zum Trainingslager in
die Türkei fliegen. Doch just am Abflugtag [1][wurde die Ukraine von
Russland angegriffen] – und es ging nichts mehr in Sachen Flugreise.
Noch am Abend des 24. Februar wurde das Team zurück in ihre Heimatstadt
Krywyj Rih gebracht und kam in den Kellerräumen eines Hotels unter. Bomben
flogen auf die 680.000-Einwohner-Stadt in der südlichen Ukraine.
Mittelfeldspielerin Mozgha erinnert sich mit Grauen daran: „Wir haben das
zunächst alles nicht glauben können. Sirenen gingen, als wir im Keller des
Hotels saßen, und dann haben wir die Bomben einschlagen gehört. Es war
furchtbar.“
Zunehmend belastend waren auch die folgenden Tage für das Fußballteam, denn
es durfte das Hotel nicht verlassen. Liubov Mozgha berichtet: „14 Tage lang
waren wir regelrecht eingesperrt dort, wir durften nicht raus. Zu
gefährlich. Umso erleichterter waren wir, als es dann hieß, dass es
losgeht. Wir konnten aus der Ukraine fliehen.“
## Menschen mit nur einer Plastiktüte
Im Hintergrund hatte der 2. Vorsitzende des Vereins, Jewgenyi Arbusov, viel
herumtelefoniert, um sein Frauenteam aus dem Land herauszubekommen.
Mithilfe von Mittelsmännern konnten verschiedene Vereine und Verbände im
Westen kontaktiert werden, der 1. FC Köln erwies sich schließlich als
entscheidender Adressat. Über die Stiftung des Vereins konnte ein Bus
geordert werden, eine Unterkunft wurde organisiert, und in Zusammenarbeit
mit einem örtlichen Karnevalsverein und einer ukrainischen
Interessensgemeinschaft in der Stadt wurden die nötigen finanziellen Mittel
gesammelt.
Am 14. März wurden die Frauen des FC Krywbas mit mehreren Kleinbussen zur
polnisch-ukrainischen Grenze transportiert, wo sie von Thorsten Friedrich,
einem Repräsentanten der Stiftung des 1. FC Köln, empfangen wurden. Der
wartete dort mit einem großen Reisebus, der den insgesamt 35-köpfigen Tross
nach Köln brachte. „Auf der Fahrt merkte man schon bald, dass sich die
zunächst noch gedrückte Stimmung langsam löste“, berichtet Friedrich. Eine
Einschätzung, die Mittelfeldspielerin Mozgha nur bestätigen kann: „Uns
wurde bewusst, dass wir endlich in Sicherheit waren. Es war total
befreiend. Die Angst in diesem Hotel hatte uns vorher schon sehr
zugesetzt.“
FC-Mitarbeiter Friedrich ist die Aktion nahegegangen: „Wir freuen uns, dass
das Team jetzt hier ist. Wir hoffen, dass wir hier auch weiter unterstützen
können und dem Team weiterhin die Möglichkeit bieten können, hier auch
etwas Abstand zu gewinnen und trainieren zu können. Es sind Menschen wie du
und ich – und die Menschen kommen dann mit einer Plastiktüte, da ist alles
Hab und Gut drin, was sie haben retten können. Das geht einem sehr nahe.
Die Schicksale sind bewegend.“
Seither versucht der FC Krywbas gemeinsam mit den deutschen Helfern so
etwas wie Alltagsleben für die jungen Frauen fern der Heimat herzustellen.
Ein Unterfangen, das mehr oder weniger passabel gelingt. „Wir sind gut
untergebracht, es wird gut für uns gesorgt“, erzählt Liubov Mozgha, die
sich als Profifußballerin bezeichnet. „Im Gegensatz zu vielen meiner
Teamkolleginnen, von denen sehr viele studieren, mache ich nichts anderes
als Fußball. Ich kann eigentlich ganz gut davon leben. [2][Frauenfußball
wird immer populärer in der Ukraine]“, sagt sie.
In Deutschland sind die ukrainischen Fußballerinnen in erster Linie froh,
dass sie nach über drei Wochen Untätigkeit nun wieder ihrem Sport nachgehen
können. „Wir waren schon etwas eingerostet“, sagt Mozgha. Sie lächelt,
während sie das sagt, doch rasch verfinstert sich ihr Gesicht auch wieder:
„Generell ist es aber schon so, dass wir mit den Gedanken natürlich ständig
in der Heimat sind. Wir haben alle unsere Verwandten noch dort, und wir
haben natürlich Angst um sie.“
Diverse Familienmitglieder der Spielerinnen sind in aktive Kriegshandlungen
involviert, mehr ins Detail wollen die jungen Ukrainerinnen nicht gehen.
Liubov Mozgha musste ihren Freund zurücklassen – denn 18- bis 60-jährigen
männlichen Ukrainern ist es untersagt, das Land zu verlassen. Außerdem
macht sie sich Sorgen um ihre Mutter: „Sie ist eine starke Frau. Wir
konnten ihr anbieten, mit nach Deutschland zu kommen, aber sie wollte
nicht. ‚Ich bleibe‘, hat sie einfach nur gesagt“, berichtet Mozgha. Die 90
Minuten Training auf dem Gelände des 1. FC Köln sind dann um. Liubov
Mozgha, die wegen einer Verletzung dieses Mal nicht mitmachen konnte,
wartet geduldig, bis ihre Teamkolleginnen nach der Dusche wieder in den Bus
geklettert sind. Sie steigt als Letzte ein. Das macht sie immer so.
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5837528
[2] /Frauenfussball-in-der-Ukraine/!5092196
## AUTOREN
Olaf Jansen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Frauenfußball
1.FC Köln
Frauen-Fußball-WM 2023
Frauenfußball
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Geflüchtete
Eiskunstlauf
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fußball der Frauen in der Türkei: Auswärtsfahrten selbst bezahlen
Schlechte Plätze, wenig Gehalt, kaum Anerkennung: Der türkische
Frauenfußball leidet unter Ungerechtigkeit. Obwohl Istanbuler Großklubs
mitmischen.
Frauenfußball im ausverkauften Camp Nou: Vor einem Wendepunkt
Beim Spiel zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid in der Champions
League geht es um einen Weltrekord und den Wunsch nach einer neuen Ära.
Historikerin über ukrainischen Fußball: „Sportler müssen laut sein“
Welche Rolle spielen Sportler in einem Land, in dem Krieg herrscht?
Kateryna Chernii über Fußball, Social Media und enttäuschte Fans.
Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin: Chaotische Ankunft
Die Verteilung der Menschen aus der Ukraine ist chaotisch. Die
Flüchtlingshelfer in Berlin werden von der Politik alleine gelassen.
Eiskunstlauf-WM ohne Russland: Show ohne Stars
Die Qualität der Eiskunstlauf-WM in Frankreich leidet unter dem Ausschluss
Russlands. Der russische Einfluss bei den Wettbewerben ist dennoch groß.
Flucht eines Fußballers aus der Ukraine: Andere Grenzen
Der ghanaische Fußballprofi Najeeb Yakubu ist aus der Ukraine geflüchtet.
Ein schreckliches Erlebnis – zumal er auch noch Rassismus erfährt.
Solidarität im Ukraine-Krieg: „Viele Segler wollen helfen“
Der Bruder der Seglerin Anastasiya Winkel lebt in Kiew. Sie versucht, ihm
und Freunden zu helfen. Das Trainingslager ist nun zweitrangig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.