| # taz.de -- Aufschwung von Portugals Fußballerinnen: Mit Klasse und etwas Wut | |
| > Nachrücker Portugal ist die vielleicht größte Überraschung bei dieser EM. | |
| > Gegen Titelverteidiger Niederlande hofft das Team auf den ganz großen | |
| > Coup. | |
| Bild: Jessica Silva freut sich inmitten ihrer beiden Teamkolleginnen über den … | |
| Es hätte gewiss viele Teams gegeben, die wären nach so einem EM-Einstand | |
| nicht zurückgekommen. Zwei Gegentore in den ersten fünf Minuten kassierten | |
| die Portugiesinnen gegen die Schweiz bei ihrem zweiten Großturnier | |
| überhaupt, und ohnehin schon waren sie als Underdog in die Gruppe gegangen. | |
| Qualifiziert haben sie sich nicht einmal sportlich, sondern gehen mit der | |
| undankbaren Aufgabe als Nachrückerinnen [1][für das ausgeschlossene | |
| Russland] ins Turnier. Zeit für die Vorbereitung gab es kaum. Und das Team | |
| besteht aus größtenteils international Unbekannten, die in der schwer | |
| einzuschätzenden heimischen Liga kicken. | |
| All das mag beigetragen haben, diese Elf zu unterschätzen. In das zweite | |
| Spiel [2][gegen die Niederlande] dürfen die Portugiesinnen nun mit dem | |
| Gefühl gehen, das vielleicht einzige echte Überraschungsteam dieser EM zu | |
| sein. Auf der Weltrangliste der Fifa stehen sie noch hinter Finnland; doch | |
| sind sie eher eine Art fußballerisches Schwellenland, haben mehr mit den | |
| Italienerinnen vor ein paar Jahren gemein als mit ewigen Underdogs wie | |
| Nordirland. | |
| „Das Spiel hat uns das Gefühl gegeben, dass alles möglich ist“, erklärte | |
| die sehr agile Tatiana Pinto nach dem ersten Spieltag. Sie meinte der Remis | |
| der Niederländerinnen gegen Schweden, hätte aber genauso gut das | |
| portugiesische Spiel meinen können. Nachdem die Portugiesinnen in der | |
| ersten Halbzeit sehr umständlich mit langen Bällen agierten und kaum zum | |
| Zuge kamen, bewiesen Trainer Francisco Neto und sein Team in der zweiten | |
| ihre Flexibilität. Mit feinem Kurzpassspiel, Zweikampfstärke und hoher | |
| technischer Qualität kamen die Frauen um die ehemalige Lyon-Spielerin | |
| Jéssica Silva und die starke Andreia Norton noch zum 2:2 und verpassten | |
| knapp einen Sieg. | |
| Gegen die Niederländerinnen, die im Schweden-Spiel nicht den allerstärksten | |
| Eindruck machten und ihre hochklassige Offensive viel zu wenig in Szene | |
| setzten, könnte es für eine Überraschung reichen. Etwas empört waren die | |
| Portugiesinnen über die, wie sie fanden, herabwürdigenden Kommentare | |
| anderer Teams, weil sie sich nicht sportlich qualifiziert hatten. Auch, | |
| wenn es in dieser Gruppe unrealistisch ist, ins Viertelfinale zu kommen – | |
| etwas Wut könnte zum Katalysator werden, sich zu beweisen. Es geht vor | |
| allem um einen Leistungsnachweis der letzten vier Jahre. | |
| ## Später Aufschwung | |
| „Obwohl wir bei den großen Turnieren meist nicht dabei sind, verdienen wir | |
| es, da zu sein“, hat Jéssica Silva vor dem Turnier gesagt. „Wer aufmerksam | |
| ist, wird sehen, dass wir uns sehr entwickelt haben. Wir wollen ein | |
| wettbewerbsfähiges Portugal zeigen.“ Nachdem Portugal den Aufschwung im | |
| Fußball der Frauen lange verschlafen hatte, hat sich in den letzten Jahren | |
| einiges getan. 2016, rund um die Teilnahme am ersten EM-Turnier, hat der | |
| Verband die großen Männerclubs aufgefordert, ein eigenes Team in die erste | |
| Liga zu entsenden. Die Liga wurde von zwölf auf 16 Teams aufgestockt, heute | |
| spielen dort auch Sporting Braga, Sporting Lissabon und Benfica Lissabon, | |
| die aktuellen Meisterinnen. | |
| Allerdings sind die sportlichen Unterschiede immer noch enorm und es gibt | |
| nicht mal eine landesweite Liga: Der Wettbewerb ist in Nord und Süd | |
| aufgeteilt, am Ende werden gemeinsame Runden um Meisterschaft und Abstieg | |
| ausgespielt. 2020 gab es überhaupt nur 70 Profis in der Liga, vermutlich | |
| eher Halbprofis, und ein Drittel der Spielerinnen erhielt Geld für ihre | |
| Tätigkeit. | |
| Der portugiesische Verband hat in den vergangenen Jahren widersprüchliche | |
| Signale gesendet. 2019 verkündete er ein großes Paket von 1,2 Millionen | |
| Euro für den Frauenfußball samt eines Entwicklungsplans. Kurz darauf, | |
| während der Pandemie, versuchte er dagegen, eine Gehaltsobergrenze von | |
| 500.000 Euro für einen gesamten Kader durchzusetzen, die auf wütende | |
| Proteste traf. | |
| Die portugiesische Liga ist sehr reguliert, unter anderem der Zugang von | |
| Ausländerinnen. Noch Stand 2018 mussten laut Uefa zehn Spielerinnen pro | |
| Team auf dem Platz lokal ausgebildet sein, eine der striktesten Regelungen | |
| des Kontinents. Das verhindert einerseits Einflüsse von außen und somit | |
| Weiterentwicklung, kann aber zugleich garantieren, dass lokale Talente | |
| Zugang bekommen. Viele Frauenligen haben Zugangsbeschränkungen für | |
| Ausländerinnen, aber wenige solche hohen Hürden. Sie dürfte nicht nur | |
| theoretischer Natur sein: [3][Ligen wie die polnische Liga], die keinerlei | |
| Beschränkungen hat, werden durchaus auch ohne Vollprofitum | |
| internationalisiert. | |
| Beim letzten EM-Turnier präsentierten sich die Portugiesinnen nicht | |
| schlecht, mit einem Sieg gegen Schottland und zwei knappen Niederlagen | |
| gegen England und Spanien. Benfica schaffte es diese Saison in die | |
| Gruppenphase der Champions League. Und junge Talente wie Kika Nazareth | |
| haben schon einen Vorgeschmack auf ihr Können gegeben. | |
| Nun soll die Punktausbeute besser werden als 2017, ein ambitionierter | |
| Wunsch in dieser Gruppe. Dass sie mit dem Remis gegen die Schweiz | |
| vielleicht die große Chance verspielt haben, weiterzukommen, dürfte den | |
| Portugiesinnen selbst klar sein. Aber die EM gilt eher als Zwischenschritt. | |
| „Vor acht Jahren waren wir auf Platz 49 im Fifa Ranking“, hat Neto gesagt. | |
| „Jetzt sind wir auf Platz 29. Aber da wollen wir nicht bleiben.“ | |
| 13 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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