# taz.de -- Nachruf auf Schriftsteller F. C. Delius: Schweigen und Lachen | |
> Der Schriftsteller F. C. Delius ist tot. Seine Bücher erzählen von den | |
> sozialen Aufbrüchen vor 1968 und den ideologischen Verhärtungen danach. | |
Bild: Der Schriftsteller F. C. Delius war Teilnehmer und Chronist der 68er-Bewe… | |
Die Begegnungen hatten oft etwas Sperriges. Wenn man ihn (das ist nun | |
allerdings schon etwas her) während einer Frankfurter Buchmesse im Café | |
Laumer sitzen sah oder ihm in Berlin-Charlottenburg, wo er lebte, über den | |
Weg lief (Delius meist in Trenchcoat und mit Hut), dann räusperte er sich | |
oft zunächst ein paarmal und wartete darauf erst einmal ab. | |
Vor allem in seinen späteren Büchern hat F. C. Delius sich selbst als eher | |
schweigsamen Menschen beschrieben. Aber in dieser Reserviertheit war auch | |
ein Taxieren, auf welcher Seite innerhalb der Linken man denn steht, | |
spürbar. Er kam einem biografisch aus den Fraktions- und Grabenkämpfen der | |
60er und 70er Jahren entgegen. Literarisch konnte er diese Kämpfe aber | |
gründlich hinter sich lassen – darin liegt ein erzählerischer Antrieb | |
seines beeindruckenden literarischen Werkes. | |
## Junger Autor mit Mut | |
Man las ihn lange als Teilnehmer und gleichzeitig auch als Chronist der | |
68er-Bewegung. Unvergesslich, mit welcher Bewunderung mein Unidozent von F. | |
C. Delius’ 1972 herausgekommener Satire „Unsere Siemens-Welt“ sprach. Sich | |
als junger Autor mit der Autorität – und der gut gefüllten juristischen | |
Kriegskasse – so eines Konzerns anzulegen, dazu gehörte tatsächlich Mut. Da | |
hatte Delius schon Gedichtbände veröffentlicht und, als zweitjüngster | |
Teilnehmer, an der legendären Tagung der Gruppe 47 in Princeton | |
teilgenommen. | |
Den gesellschaftlichen Aufbrüchen, die zu den politisch so virulenten | |
Jahren 1967/68 führten, dann aber auch den ideologischen Verhärtungen bis | |
hin zur Roten Armee Fraktion und zum Deutschen Herbst 1977 hat F. C. Delius | |
erzählstarke Romane gewidmet, „Amerikahaus und der Tanz um die Frauen“ etwa | |
oder die RAF-Trilogie „Mogadischu Fensterplatz“, „Himmelfahrt eines | |
Staatsfeindes“ und „Ein Held der inneren Sicherheit“. | |
Wenn man die Romane über die 50er Jahre, „Der Sonntag, an dem ich | |
Weltmeister wurde“, und die Wiedervereinigung, „Die Birnen von Ribbeck“, | |
hinzunimmt, kann man in diesem Werk eine eindringliche | |
Mentalitätsgeschichte Deutschlands festmachen. | |
## Ironischer Spott | |
Das sind aber keineswegs nur „Romane über …“ Schön an ihnen ist vielmehr | |
immer wieder, wenn in ihnen aufblitzt, was F. C. Delius vor allen | |
ideologischen Verhärtungen bewahren konnte: der Jazz etwa, dem er noch | |
[1][2018 in „Die Zukunft der Schönheit“] ein Denkmal setzte, und das | |
spöttische Lachen. „Ich wage sogar die Behauptung: Leitkultur im Berlin der | |
vorachtundsechziger Zeit war das Lachen“, schrieb er in „Als die Bücher | |
noch geholfen haben“. Tatsächlich funkelte in den Begegnungen mit ihm | |
irgendwann oft auch ironischer Spott in den Augenwinkeln. | |
Wirklich nahekommen konnte er einem mit den späten Büchern, die ihn zu | |
einem Vertreter des autofiktionalen Erzählens werden ließen. Wer etwa | |
„Bildnis der Mutter als junge Frau“ und den [2][2021 erschienenen Band „D… | |
sieben Sprachen des Schweigens“] liest, kann erfahren, aus welchen | |
Spannungen sich eine literarische Produktivität speisen kann. | |
Kriegstraumatisierter, den Sohn stottern machender Vater auf der einen | |
Seite, eine geliebte, mit dem warmen Licht Roms assoziierte Mutter auf der | |
anderen Seite, hier rührt eine literarische Stimme eben auch an die letzten | |
Dinge. Am Montag ist Friedrich Christian Delius im Alter von 79 Jahren in | |
Berlin gestorben. | |
31 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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