| # taz.de -- Gefährdetes Asylrecht in Europa: Flucht aus der Verantwortung | |
| > Großbritanniens Abschiebepolitik ist empörend. Dabei ist sie längst nicht | |
| > die größte Grausamkeit im Umgang mit Flüchtlingen, deren Zahl weltweit | |
| > steigt. | |
| Bild: Dutzende flüchtende Menschen verunglückten am 25. Mai vor der Küste Tu… | |
| Der am Dienstag vorerst gefloppte Versuch Großbritanniens, Schutzsuchende | |
| noch vor dem Asylverfahren nach [1][Ruanda] zu verfrachten, hat Symbolwert. | |
| Klarer kann ein Land nicht sagen, dass es formal am Asylrecht festhalten, | |
| dieses aber niemandem, der darauf angewiesen ist, gewähren will. Und so | |
| sind die Gerichtsurteile, die die Abschiebung der zunächst 31 | |
| [2][Flüchtlinge] aus London nach Kigali stoppten, ein wichtiger Etappensieg | |
| bei der Verteidigung des Asylrechts. | |
| Die Spitze europäischer Grausamkeiten gegenüber [3][Flüchtlingen] markiert | |
| der Ruanda-Deal indes nicht. Auch Dänemark versucht, seine Abschiebehaft in | |
| das Kosovo auszulagern, und verhandelt mit afrikanischen Staaten über | |
| exterritoriale Asylverfahrenslager. Und die von der EU aufgebaute libysche | |
| Küstenwache hat allein in diesem Jahr rund 8.000 Menschen kurz vor dem | |
| Erreichen europäischer Gewässer gestoppt und zurück in Folterlager in | |
| Libyen gebracht. In den vergangenen 6 Jahren summierte sich die Zahl der | |
| zurück nach Libyen Geschleppten auf über 80.000. Sowohl was Entrechtung als | |
| auch was die eingesetzte Gewalt angeht, stellt diese Strategie der | |
| Flüchtlingsabwehr den Londoner Plan klar in den Schatten. Von der aktiven | |
| Behinderung der Seenotrettung im Mittelmeer ganz zu schweigen. | |
| Welches Ausmaß das globale [4][Flüchtlingselend] hat, [5][zeigt der am | |
| Donnerstag erscheinende UNHCR-Jahresbericht]. Über 100 Millionen | |
| Vertriebene gibt es heute auf der Welt. Schutz im Sinne sicherer und | |
| menschenwürdiger Lebensumstände erhalten nur die wenigsten. | |
| Die Zahl ist gewaltig, unhändelbar aber ist sie nicht. Was alles möglich | |
| ist, wenn der politische Wille zur humanitären Hilfe und Aufnahme da ist, | |
| hat sich in der Ukrainekrise gezeigt. Sie steht in eklatantem Gegensatz zur | |
| Bereitschaft, andere Gruppen von Schutzsuchenden abzuwehren, auch mit | |
| brutalsten Mitteln. Die freiwillige Aufnahme, die so gern als Ausweg aus | |
| dieser Menschenrechtskrise beschworen wird, gibt es bis heute nur in | |
| homöopathischen Dosen. Woran es fehlt, ist schlichtweg die Bereitschaft, | |
| sich an das bisher geltende Flüchtlingsrecht zu halten und Zugang zu diesem | |
| zu gewähren. | |
| Genauso wichtig aber ist, dafür zu sorgen, dass nicht immer mehr Menschen | |
| neu vertrieben werden. Bis heute sind bewaffnete Konflikte die | |
| Fluchtursache Nummer eins. Diesen Rang könnte schon bald die Klimakrise | |
| einnehmen. Bislang aber erfasst die Weltgemeinschaft „Klimaflüchtlinge“ | |
| noch nicht einmal. Klimaschutz und Konfliktprävention – wer nicht immer | |
| weiter anschwellende Flüchtlingszahlen will, muss diese Dinge angehen. | |
| 16 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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