# taz.de -- Gericht stoppt Abschiebeflug nach Ruanda: „Risiko irreversibler S… | |
> In letzter Minute wurde der erste Abschiebeflug von Asylbewerbern aus | |
> London nach Ruanda vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gestoppt. | |
Bild: Demonstration gegen die Abschiebeflüge nach Ruanda vor dem britischen In… | |
LONDON ap/rtr | In letzter Minute hat die britische Regierung einen | |
geplanten Abschiebeflug nach Ruanda nach einer Intervention des | |
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stoppen müssen. Das Gericht in | |
Straßburg sah am Dienstag „ein echtes Risiko irreversibler Schäden“ für … | |
Betroffenen im Falle einer Umsetzung des Vorhabens. Es müsse zunächst eine | |
Frist von drei Wochen nach dem Abschluss des Rechtsweges in Großbritannien | |
verstreichen. | |
Die Verfügung des Gerichts galt für einen von den Verbliebenen, einen | |
Iraker. „Damit können die anderen sechs ähnliche Einwände erheben“, sagte | |
Clare Moseley von der Stiftung Care4Calais der Nachrichtenagentur Reuters. | |
„Wir sind so erleichtert.“ | |
Die Regierung in London will den Plan dennoch weiterverfolgen. Sie sei zwar | |
enttäuscht, werde sich aber „nicht davon abbringen lassen, das Richtige zu | |
tun“, erklärte Innenministerin Priti Patel. Anwälte in ihrem Haus prüften | |
nun jede Entscheidung im Zusammenhang mit dem gescheiterten Abschiebeflug. | |
Die Vorbereitungen auf den nächsten Flug würden jetzt beginnen, ergänzte | |
Patel. | |
Den [1][Deal mit Ruanda] hatte der konservative Premierminister Boris | |
Johnson im April verkündet. Danach sollen illegal nach Großbritannien | |
eingereiste Menschen unabhängig von ihrer Nationalität in das Land in | |
Ostafrika ausgeflogen werden. Werden ihre Asylanträge dort anerkannt, | |
können sie bleiben, eine Rückkehr nach Großbritannien ist allerdings | |
ausgeschlossen. | |
Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will mit dem Verfahren | |
gegen Schleuserbanden vorgehen und unerwünschte [2][Einreisen über den | |
Ärmelkanal] unattraktiv machen. Nach Johnsons Plänen erhält Ruanda anfangs | |
120 Millionen Pfund (etwa 144 Millionen Euro) für die Zusammenarbeit. | |
Vergangenes Jahr sind mehr als 28.000 Migranten und Flüchtlinge über dem | |
Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen. | |
Zwar gab es in Ruanda 1994 einen Genozid mit Hunderttausenden Opfern, doch | |
habe sich das Land seitdem einen Ruf als Hort der Stabilität und des | |
wirtschaftlichen Fortschritts aufgebaut, argumentierte Johnsons Regierung. | |
Kritiker wandten ein, dass diese Stabilität unter massiver politischer | |
Unterdrückung in Ruanda zustande gekommen sei. | |
Im Übrigen sei es illegal und unmenschlich, Menschen in ein Tausende | |
Kilometer entferntes Land zu bringen, in dem sie nicht leben wollten, | |
monierten Aktivisten. Bischöfe der anglikanischen Kirche, darunter der | |
Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, kritisierten die Abschiebepläne in | |
einem [3][offenen Brief] als unmoralische Politik, die Großbritannien zur | |
Schande gereiche. Selbst Prinz Charles, der zur politischen Neutralität | |
verpflichtet ist, soll nach Medienberichten sein Entsetzen über das | |
Vorhaben der Regierung geäußert haben. | |
Dennoch hatte Außenministerin Liz Truss am Dienstag betont, dass der erste | |
Abschiebeflug auf jeden Fall abhebe, unabhängig von der Zahl der Insassen. | |
Anwälte legten für betroffene Migranten und Flüchtlinge bis zuletzt Fall | |
für Fall Berufung ein oder versuchten einstweilige Verfügungen zu erwirken | |
– zum Teil mit Erfolg. | |
Die Zahl der Menschen auf der Liste der Regierung wurde immer kleiner, | |
obwohl zwei Gerichte die Abschiebungen grundsätzlich erlaubt hatten und der | |
Supreme Court als letzte Instanz noch am Dienstag eine Berufung abgewiesen | |
hatte. Nach dem außergewöhnlichen Einschreiten des Europäischen | |
Gerichtshofs für Menschenrechte war am Ende niemand auf der Abschiebeliste | |
für Ruanda mehr übrig. Der Flug wurde abgesagt. | |
Den Ruanda-Pakt hat das UN-Flüchtlingshilfswerk auch aus der Sorge heraus | |
kritisiert, dass der Plan Schule machen könnte. Politiker in [4][Dänemark] | |
und Österreich haben bereits ähnliche Vorschläge gemacht. | |
UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi bezeichnete den Ruanda-Deal als | |
„völlig falsch“. Wenn die britische Regierung tatsächlich daran | |
interessiert sei, Leben zu schützen, sollte sie mit anderen Ländern gegen | |
Menschenschmuggler vorgehen und Asylsuchenden sichere Routen anbieten – und | |
nicht einfach Migranten in anderen Ländern abladen. | |
15 Jun 2022 | |
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