# taz.de -- Die Wahrheit: Eine Stadt voller Joyce-Irrer | |
> Am kommenden Donnerstag ist es wieder soweit: Es ist Bloomsday. Am 16. | |
> Juni fallen die Joyceianer über Dublin her. Längst aber sind sie in der | |
> Stadt … | |
Bild: Der Burren National Park | |
Man kann ihm einfach nicht entkommen. Das ist nicht seine Schuld, | |
schließlich ist James Joyce seit 81 Jahren tot. Aber seine Fans lassen ihn | |
nicht in Ruhe ruhen. Am kommenden Donnerstag fallen sie wieder über Dublin | |
her und feiern den Bloomsday, weil der „Ulysses“, Joyces Mammutwerk, am 16. | |
Juni 1904 spielt. | |
Das Buch ist vor 100 Jahren erstmals veröffentlicht worden. Es erschien an | |
Joyces 40. Geburtstag in Paris, nachdem es von 1918 bis 1920 in der | |
US-amerikanischen Zeitschrift The Little Review als Serie abgedruckt worden | |
war. Eine Stadt voller Joyce-Irrer wäre für einen Tag zu verkraften. Aber | |
wenn die Joyceaner schon mal in der Stadt sind, kann man den Tag auch auf | |
einen ganzen Monat mit 59 Veranstaltungen ausdehnen. | |
Obendrein wollen sie den Dubliner Flughafen in James Joyce International | |
umbenennen. Warum nicht gleich die ganze Stadt? Joycelin – da wäre die | |
Umbenennung des Flughafens einbegriffen: Joycelin International. Dabei gibt | |
es wahrlich genug Ehrungen für Joyce, obwohl er seine Heimatstadt in Grund | |
und Boden verdammt hat: „Die Sau, die ihre Ferkel frisst“, nannte er | |
Dublin. | |
Eine Brücke, eine Bibliothek, ein Besucherzentrum, ein napoleonischer | |
Wachturm sind nach Joyce benannt, die Gänge im Flughafen sind mit Zitaten | |
bepflastert, und in der Dubliner Innenstadt lungert eine Joyce-Statue | |
herum. Das Museum of Literature Ireland heißt so, damit man es als „Moli“ | |
abkürzen kann – eine Anspielung auf Molly Bloom aus dem „Ulysses“. | |
Das alles müsste eigentlich als Wiedergutmachung für die schäbige | |
Behandlung, die Joyce in Irland widerfahren ist, locker reichen. Der | |
Dichter hatte Dublin im Alter von 22 Jahren verlassen, weil ihm „kotzübel | |
von der Stadt des Versagens, der Verbitterung und des Elends“ war. Dass | |
„Ulysses“ in Irland nie verboten war, lag daran, dass kein Buchhändler sich | |
getraut hatte, es ins Sortiment aufzunehmen. | |
Belfast habe den George-Best-Flughafen, in Irlands heimlicher Hauptstadt | |
Liverpool gebe es den John Lennon International, meinte ein Abgeordneter. | |
Und Dublin? Wie wäre es mit einer Frau? Mary Heath zum Beispiel. Sie war | |
eine irische Flugpionierin, erzielte als Pilotin Weltrekorde und flog 1928 | |
von Kapstadt nach London. Aber wenn es um Ehrungen geht, ist Dublin kein | |
gutes Pflaster für Frauen. Von den rund 200 Statuen in der Stadt zeigen nur | |
sieben eine Frau, und zwei davon sind Kunstfiguren. Da hat Joyce bessere | |
Chancen. | |
„Der Flughafen ist das Erste und Letzte, das Reisende erleben“, meint Mike | |
Curtis, Geschäftsführer einer Werbeagentur. Deshalb sei der Name wichtig. | |
Eine von Joyces Romanfiguren sagte einmal: „Wenn man Erfolg haben wollte, | |
musste man weggehen. In Dublin konnte man gar nichts machen.“ Das ist nicht | |
unbedingt eine Botschaft, mit der man Touristen konfrontieren sollte, wenn | |
sie gerade in Dublin gelandet sind. | |
13 Jun 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Irland | |
James Joyce | |
Dublin | |
Reisen in Europa | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Großbritannien | |
Großbritannien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ökotouristisches Netzwerk: Die grüne Steinwüste | |
Im Westen Irlands liegt der Burren. Auf den ersten Blick eine | |
Mondlandschaft, auf den zweiten ein bizzares Gebirge, das ökologische | |
Visionen erlaubt. | |
Die Wahrheit: Irre teures Irland | |
Wer schlau ist und rechnen kann, bucht sich aus Irland weg ans Mittelmeer. | |
Denn auf der Insel werden allerorten Wucherpreise aufgerufen. | |
Die Wahrheit: Pulloverzwillinge in Flöckchenwolke | |
Kleidung für Hunde und Katzen ist hip und lukrativ. Noch hipper und | |
lukrativer ist identische Kleidung für Haustiere und ihre Frauchen oder | |
Herrchen. | |
Die Wahrheit: Die Dynastie der Schirmmützen | |
Ein Viertel aller Abgeordneten im irischen Parlament verdient am | |
exorbitanten Immobiliengeschäft der Insel mit. Eine Familie zockt extrem | |
Mieter ab. | |
Die Wahrheit: Händeschütteln mit Untoten | |
Vor 125 Jahren erschien erstmals die Geschichte des Grafen Dracula. Bram | |
Stokers Roman hat einen zutiefst irischen Hintergrund. | |
Die Wahrheit: Im Schmelzofen des Trunks | |
Die Modezeitschrift „Vogue“ verlangt vom britischen Pub „Inn at Vogue“,… | |
Namen zu ändern. Dessen Besitzer husten den Modefuzzies eins. | |
Die Wahrheit: Soldaten in Tomatensuppe | |
Kulinarisch ist England noch immer ein Krisengebiet, aber dafür macht die | |
trostlose Briten-Küche so richtig schön dick. |