Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Die Dynastie der Schirmmützen
> Ein Viertel aller Abgeordneten im irischen Parlament verdient am
> exorbitanten Immobiliengeschäft der Insel mit. Eine Familie zockt extrem
> Mieter ab.
Wer in Dublin wohnen will, muss es sich leisten können. Immer mehr Menschen
können das nicht, es gibt inzwischen mehr als 10.000 Obdachlose. Für eine
Dreizimmerwohnung auf der billigeren Nordseite muss man rund 2.500 Euro
hinblättern. Hat man einen Hund oder eine Katze, kommen 75 Euro hinzu. Frei
herumlaufende Tiere machten eben Dreck, so eine Wohnungsbaugesellschaft.
Für Hamster und Kanarienvögel müsse man bei geschlossenen Käfigtüren nichts
bezahlen.
Die Regierung hat ihre Sozialbauten in den achtziger Jahren verscherbelt.
Beim Bau neuer Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen hält man sich
zurück. Könnte es daran liegen, dass ein Viertel aller Abgeordneten im
Immobiliengeschäft ist? Gäbe es genügend Wohnraum, könnten sie nicht mehr
exorbitante Mieten kassieren. Lange Zeit funktionierten die Nebengeschäfte
heimlich, doch inzwischen müssen Abgeordnete deklarieren.
Michael Healy-Rae ist mit 16 vermieteten Objekten der größte Immobilienhai
im Parlament. Er entstammt der Dynastie der Healy-Raes aus dem Königreich
Kerry im Südwesten der Insel, wo Parlamentssitze vererbbar sind.
Jeder Healy-Rae wird mit einer Schirmmütze geboren, die er bis zu seinem
Tod tragen muss – und manchmal darüber hinaus. Vater Jackie Healy-Rae war
83, als er 2014 starb, und in diesen acht Jahrzehnten hatte sich die Mütze
mit der Kopfhaut verschweißt.
## Habsüchtige Hirne
Man unterschätzt die schirmbemützte Familie leicht, weil sie bei
öffentlichen Auftritten wie tollpatschige Landeier wirken, aber unter ihren
Mützen arbeitet ein habsüchtiges Hirn. Michael, der für seine
Abgeordnetentätigkeit gut 100.000 Euro im Jahr kassiert, gibt seine
Tätigkeiten im Parlamentsregister mit Postamtsvorsteher, Politiker, Bauer,
Tankstellenbesitzer und Vermieter von Baumaschinen an. Darüber hinaus er
besitzt Aktien der New York Times.
Das sind freilich kleine Fische im Vergleich zu seinem Kollegen Seán
Haughey, der Anteile an 34 Unternehmen besitzt – vom chinesischen Alibaba
über Disney bis hin zu Pfizer und Sanofi. Die Raffgier hat er vom Vater
gelernt: Charles Haughey war am 11. Dezember 1979 Premierminister geworden.
Von da ab floss das Schmiergeld in Millionenhöhe. Haughey gab es mit vollen
Händen aus. Er kaufte sich einen Landsitz im Norden Dublins, sammelte
Rennpferde, kaufte Seidenhemden in Paris für 1.000 Pfund pro Stück, legte
sich eine Insel zu und ließ darauf ein Prunkhaus bauen. Um auf die Insel zu
gelangen, musste ein Privathubschrauber her.
Er war der korrupteste Politiker Irlands. Als er 1992 wegen einer
Abhöraffäre zurücktreten musste, war der Ex-Buchhalter einer der reichsten
Männer der Insel. Viele Politiker versuchen seitdem, ihm nachzueifern, aber
selbst die Healy-Raes sind Amateure im Vergleich zu Haughey.
20 Jun 2022
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Immobilienspekulation
Immobilienmarkt
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Großbritannien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Aberglaube für Fortgeschrittene
Wenn man nicht abergläubisch ist, doch keinesfalls einen Weißdornzweig nach
Hause bringen will, dann verbindet einen schon was mit dem großen Péle.
Die Wahrheit: Weltmeister der Langeweile
Sie lieben es, Abwasserrohre zu beobachten. Oder Kreisverkehre. Engländer
sind gern Mitglieder im Club der schnarchsäckigen Dumpfbacken.
Die Wahrheit: Irre teures Irland
Wer schlau ist und rechnen kann, bucht sich aus Irland weg ans Mittelmeer.
Denn auf der Insel werden allerorten Wucherpreise aufgerufen.
Die Wahrheit: Pulloverzwillinge in Flöckchenwolke
Kleidung für Hunde und Katzen ist hip und lukrativ. Noch hipper und
lukrativer ist identische Kleidung für Haustiere und ihre Frauchen oder
Herrchen.
Die Wahrheit: Eine Stadt voller Joyce-Irrer
Am kommenden Donnerstag ist es wieder soweit: Es ist Bloomsday. Am 16. Juni
fallen die Joyceianer über Dublin her. Längst aber sind sie in der Stadt …
Die Wahrheit: Händeschütteln mit Untoten
Vor 125 Jahren erschien erstmals die Geschichte des Grafen Dracula. Bram
Stokers Roman hat einen zutiefst irischen Hintergrund.
Die Wahrheit: Im Schmelzofen des Trunks
Die Modezeitschrift „Vogue“ verlangt vom britischen Pub „Inn at Vogue“,…
Namen zu ändern. Dessen Besitzer husten den Modefuzzies eins.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.