| # taz.de -- Die Wahrheit: Irre teures Irland | |
| > Wer schlau ist und rechnen kann, bucht sich aus Irland weg ans | |
| > Mittelmeer. Denn auf der Insel werden allerorten Wucherpreise aufgerufen. | |
| Der Preis von 7.000 Euro für einen relativ neuen Kleinwagen klingt recht | |
| günstig. Leider handelt es sich dabei nicht um den Kaufpreis, sondern um | |
| die Mietkosten für zwei Wochen. Das erscheint jedoch preiswert, wenn man es | |
| mit der Miete für einen Kleinbus mit neun Sitzen vergleicht: Ein sich im | |
| Schockzustand befindlicher Tourist berichtete jüngst in einer Radiosendung, | |
| dass man ihm 52.000 Euro für neun Tage abknöpfen wollte. Das gleiche Modell | |
| sei bei einem Autohändler für 45.000 Euro zum Kauf angeboten worden, | |
| behauptete er. | |
| Irland ist, gemeinsam mit Dänemark, das teuerste Land in der Europäischen | |
| Union. Die Preise für Gas und Strom liegen um 88 Prozent und für | |
| Lebensmittel um 17,5 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Alkohol ist doppelt | |
| so teuer, und Zigaretten … ach, Schwamm drüber. | |
| Zwar sind auch die Löhne höher als der EU-Durchschnitt, aber das wiegt die | |
| exorbitanten Preise bei Weitem nicht auf. Wenn in Dublin eine größere | |
| Veranstaltung stattfindet, nutzen die Hotels das schamlos aus. | |
| Vorvergangenes Wochenende wurden die Viertelfinalspiele zwischen acht | |
| Grafschaften im gälischen Fußball im Dubliner Stadion Croke Park | |
| ausgetragen. Die Fans, die zur Unterstützung ihrer Teams angereist waren, | |
| mussten mindestens 500 Euro für ein Zimmer hinblättern – pro Nacht und ohne | |
| Frühstück. Eine Jugendherberge verlangte 167 Euro für ein Bett in einem | |
| Zehnbettzimmer. | |
| ## Ferien im eigenen Land? Unmöglich | |
| Viele Touristen haben ihre Flüge storniert, nachdem sie versucht hatten, | |
| Übernachtungen und Mietwagen zu buchen. Selbst die Einheimischen, die | |
| rechnen können, machen Urlaub am Mittelmeer, weil sie sich Ferien im | |
| eigenen Land nicht leisten können. Ein Bruce-Springsteen-Fan aus dem | |
| westirischen Sligo wollte nächstes Jahr zum Konzert vom Boss und seiner | |
| Band nach Dublin fahren. Er fand heraus, dass er eine Stange Geld sparen | |
| kann, wenn er stattdessen zum Konzert nach Rom fliegt. | |
| Und das Guinness, Irlands wohl berühmtestes hirnumnebelndes Produkt nach | |
| Bono, ist in Rom auch billiger. Im Dubliner Pub Merchant’s Arch, das in | |
| einem Zunfthaus von 1821 untergebracht ist, kostet das Pint – jene | |
| magischen 0,56 Liter – tagsüber 7,10 Euro. Nach Mitternacht muss man einen | |
| Euro mehr berappen. Wenn man kurz vor dem Glockenschlag noch ein paar Pints | |
| auf Vorrat bestellt, kann man viel Geld sparen, muss zum Schluss aber | |
| schales Bier in Kauf nehmen. | |
| Das Wirtshaus liegt übrigens am Südende der gusseisernen Ha’penny Bridge, | |
| die so heißt, weil im 19. Jahrhundert ein halber Penny zu zahlen war, | |
| wollte man sie überqueren. Wäre sie heute in Privatbesitz, müsste man | |
| vermutlich zehn Euro anlegen. Aber was will man überhaupt auf der Südseite? | |
| Die ist noch teurer als die Nordhälfte Dublins. | |
| Ich werde zur Erholung meines Kontos bald eine Weile in Berlin verbringen | |
| müssen. | |
| 4 Jul 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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