# taz.de -- Die Wahrheit: Soldaten in Tomatensuppe | |
> Kulinarisch ist England noch immer ein Krisengebiet, aber dafür macht die | |
> trostlose Briten-Küche so richtig schön dick. | |
Bild: Auffällige Hüte gehören zur royalen Garderobe wie Corgihunde zu Queen … | |
Die Nazis sind einfach an allem schuld – sogar am grauslichen englischen | |
Essen. Früher konnte man auf der Insel angeblich prächtig speisen, doch der | |
Zweite Weltkrieg warf die angelsächsische Kochkunst um Generationen zurück, | |
denn sie basierte auf Importen aus allen Winkeln des Weltreichs: Pfeffer | |
aus Indien, Lamm aus Neuseeland, Zucker aus Jamaika, Tee aus Ceylon. | |
Die Nazis schnitten die Versorgungslinien ab, sodass es bis Mitte der | |
fünfziger Jahre in England nur noch langweilige und trostlos gewürzte | |
Gerichte gab. Während andere Länder, allen voran die Pasta-Nation Italien, | |
aus wenigen Zutaten schmackhafte Mahlzeiten für arme Leute machten, | |
beschränkte sich die englische Küche auf freudlose Sättigung. | |
Heutzutage gilt als Inselspezialität alles, was man zwischen getoastete | |
Weißbrotscheiben quetschen kann: Fischstäbchen, Pommes frites, gebackene | |
Bohnen. Oder man tunkt Soldaten in Tomatensuppe. Das sind keine | |
uniformierten Krieger, sondern frisch geröstete und in schmale Streifen | |
geschnittene, mit Butter bestrichene Toastscheiben. Damit füttert die Queen | |
ihre Corgis, und was für die royalen Köter gut ist, kann für die Untertanen | |
nicht schlecht sein. | |
Andere englische Spezialitäten sind „spotted dick“, was allerdings kein | |
gescheckter Penis, sondern ein Pudding mit Trockenfrüchten ist, sowie | |
„jellied eel“ – Aal in Aspik, weil diese Fische früher in Massen in der | |
Themse herumlungerten. Warum man die armen Tiere in Aspik einlegt, ist ein | |
englisches Geheimnis. | |
Eine Untersuchung kam 2018 zum Ergebnis, dass sich die Briten am | |
schlechtesten in Europa ernähren. Bei der Hälfte aller Mahlzeiten wird | |
Schnellfutter oder Mikrowellenkost serviert. Kein Wunder, dass die | |
Engländer das fetteste Volk Europas sind. | |
Ich habe allerdings wirklich keinen Grund zum Lästern. Mein Arzt hat mir | |
noch drei Monate gegeben. Wenn ich bis dahin nicht abgenommen habe, werde | |
er andere Saiten aufziehen, drohte der Doktor. Ich müsste dann zum ersten | |
Mal in meinem Leben Blutdrucktabletten einnehmen. Meine zwingend logische | |
Erklärung für das Übergewicht: Die Untersuchung von 2018 kam zu dem | |
Ergebnis, dass sich die Iren fast genauso schlecht wie ihre Nachbarn | |
ernähren und deshalb die zweitfetteste Nation in Europa sind. | |
Das fängt schon beim Frühstück an. Die einen nennen es „komplettes | |
englisches Frühstück“, bei anderen heißt es „komplettes irisches | |
Frühstück“. Beide bestehen aus einem Haufen gebratenem Zeug. Es ist ein | |
Großangriff im Morgengrauen auf die Leber. Genauso gut könnte man einen | |
Flachmann Whiskey zu sich nehmen. | |
Die Irish Times rief neulich einen Wettbewerb aus, bei dem die Leser ihre | |
Rezepte für die besten traditionellen irischen Gerichte einschicken | |
sollten. Die populärste Mahlzeit besteht aus einer leicht abgewandelten | |
Form der englischen Leibspeise: Man legt Kartoffelchips zwischen zwei | |
Weißbrotscheiben, wickelt sie in eine Serviette, legt sie auf den Fußboden | |
und springt drauf, damit die Chips zerbröseln. Dann doch lieber ein | |
Flachmann Whiskey. | |
16 May 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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