Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Zwangsloyaler Schneckentempofahrer
> Sein Autofahrername ist „Sotschneck“ – irische Wucherer lassen sich die
> Versicherung seiner betagten Blechkiste fürstlich bezahlen. Ein
> Leidensreport.
Bild: Nonnen der Sisters of Charity in Dublin beim Tee
Einmal im Jahr verbreiten irische Kfz-Versicherungen Angst und Schrecken
unter den 2,2 Millionen Autobesitzern. Mein Verhältnis zu dieser Branche
war von Anfang an getrübt. Als ich vor vielen Jahren nach Irland zog,
verlangte die Versicherung einen happigen Aufschlag, weil ich einen
deutschen Führerschein besaß.
Nachdem ich die irische Führerscheinprüfung bestanden hatte, wurde die
Sache nicht billiger, weil ich einen noch happigeren Aufschlag für das aus
Deutschland importierte Auto zahlen musste: Es hatte das Steuer auf der
falschen Seite. Schließlich kaufte ich einen Wagen in Irland mit
Rechtssteuer, und für einige Jahre herrschte Waffenstillstand zwischen mir
und der Versicherung – bis zu dem Tag, an dem der Sachbearbeiter
behauptete, er habe meine Umzugsmeldung samt neuer Adresse nie erhalten.
Deshalb war die jährliche Rechnung nicht angekommen, sodass meine
Versicherung bereits fünf Monate zuvor abgelaufen war. Ich könne von Glück
sagen, dass ich in der Zeit keinen Schaden angerichtet habe, meinte der
garstige Sachbearbeiter, der seine Macht außerordentlich genoss. Eine
Erneuerung des Versicherungsschutzes käme nicht infrage, weil man keinen 21
Jahre alten Kleinwagen versichere, höhnte er.
## Alle naselang einen Neuwagen
Mein Argument, dass ich doch jedes Jahr zum TÜV müsste und deshalb kein
erhöhtes Risiko darstellte, zog nicht. Die Gauner stecken mit den
Autohändlern unter einer Decke: Die wollen nämlich, dass man sich alle
naselang einen Neuwagen zulegt.
Es gibt nur eine einziges Unternehmen in Irland, das auch betagte
Blechkisten versichert, sich das aber fürstlich bezahlen lässt. Obwohl ich
eher übervorsichtig fahre, sodass mich manche Freunde „Sotschneck“ nennen,
steigt die Versicherungsprämie jedes Jahr. Theoretisch kennt man in Irland
zwar den Schadenfreiheitsrabatt, aber der wird durch die Prämienerhöhungen
stets mehr als aufgefressen. Die Versicherungsbeiträge sind in den
vergangenen zehn Jahren um 42 Prozent gestiegen, obwohl die Schadensfälle
um 2,5 Prozent zurückgegangen sind.
## Loyale Kunden werden bestraft
Die irische Zentralbank hat nun voriges Jahr eine Untersuchung in Auftrag
gegeben. Die kam zu dem Ergebnis, dass loyale Kunden bestraft werden. Sie
werden jedes Jahr stärker zur Kasse gebeten, weil sie keine Preise
vergleichen. Neukunden hingegen lockt man mit günstigen Angeboten. Für mich
ist das keine Option, denn ich bin zwangsloyal, weil kein anderes
Unternehmen meine alte Kiste versichern will.
An der Coronapandemie hat die Versicherungsbranche besonders dreist
profitiert. Die meisten Autos standen während des ausgedehnten Lockdowns
nämlich still, sodass es kaum Schadensfälle gab und die Versicherungen
allein im Jahr 2020 fast 300 Millionen Euro eingespart haben. Nach der Rüge
der Zentralbank verteilten sie dann Coupons. Ich habe einen
Amazon-Gutschein über 10 Euro erhalten und habe dafür das Buch „Tod eines
Versicherungsvertreters“ gekauft.
9 May 2022
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Versicherung
Auto
Kolumne Die Wahrheit
Großbritannien
Irland
Großbritannien
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Händeschütteln mit Untoten
Vor 125 Jahren erschien erstmals die Geschichte des Grafen Dracula. Bram
Stokers Roman hat einen zutiefst irischen Hintergrund.
Die Wahrheit: Im Schmelzofen des Trunks
Die Modezeitschrift „Vogue“ verlangt vom britischen Pub „Inn at Vogue“,…
Namen zu ändern. Dessen Besitzer husten den Modefuzzies eins.
Streit um Krankenhaus in Irland: Sorge vor Einfluss der Nonnen
Eine neue irische Entbindungsklinik steht auf dem Areal eines katholischen
Ordens. Kritiker befürchten, dass dadurch Abtreibungen erschwert werden.
Die Wahrheit: Soldaten in Tomatensuppe
Kulinarisch ist England noch immer ein Krisengebiet, aber dafür macht die
trostlose Briten-Küche so richtig schön dick.
Die Wahrheit: Reisen mit eingeseiftem Mantel
Sehr blonde Frauen können einen schon mit einem Fluch belegen, obwohl sie
noch gar nicht in Erscheinung getreten sind. Ein Reise- und Leidensbericht.
Die Wahrheit: Sperma für den Präsidenten
Alte Geheimakten des irischen Staates enthalten, wenn sie der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, einige brisante und kuriose
Geschichten.
Die Wahrheit: St. Patrick heißt jetzt Selenski
Am irischen Nationalfeiertag hat Irlands dümmster Poet Bono ein paar Verse
auf den ukrainischen Präsidenten verfasst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.