# taz.de -- Die Wahrheit: St. Patrick heißt jetzt Selenski | |
> Am irischen Nationalfeiertag hat Irlands dümmster Poet Bono ein paar | |
> Verse auf den ukrainischen Präsidenten verfasst. | |
Irland wird der Ukraine keine Waffen schicken. Das hat die Regierung | |
entschieden. Man werde „konstruktive Enthaltsamkeit üben“, hieß es. Welche | |
Waffen sollte sie auch schicken? Die Armee besitzt keine Kampfpanzer. Aber | |
es gebe eine gewisse Expertise im Umgang mit ihnen, erklärte das | |
Verteidigungsministerium. Außerdem hieß es: „Wir haben beschlossen, keine | |
Kampfflugzeuge anzuschaffen, weshalb Irland sich gegen Luftangriffe nicht | |
verteidigen kann. Stattdessen haben wir der Marineflotte Priorität | |
eingeräumt.“ | |
Die gesamte Flotte umfasst neun Patrouillenschiffe. Früher wurden sie nach | |
Frauen aus der keltischen Mythologie benannt: Cliona, Maev, Róisín. 2013 | |
entschied die Regierung jedoch, die beiden neuen Schiffe „LÉ Samuel | |
Beckett“ und die „LÉ James Joyce“ zu taufen. „LÉ“ ist die Abkürzun… | |
„Long Éireannach“ – irisches Schiff. | |
Der Regisseur und Oscar-Preisträger Neil Jordan sammelte damals | |
Unterschriften von Schriftstellern und Künstlern, die sich dagegen | |
verwahrten, dass jemals Kriegsschiffe nach ihnen benannt würden. Die | |
Regierung habe kein Recht, sich mit Beckett und Joyce zu schmücken, | |
ereiferte sich auch der Kommentator Julian Gough in der Irish Times: „Beide | |
haben das Land als junge Männer verlassen und sind nicht zurückgekehrt. | |
Beide haben ihre Meisterwerke im Ausland im Bewusstsein verfasst, dass sie | |
wegen der staatlichen Zensur nie in der Heimat gelesen würden.“ | |
Als Joyce im Jahr 1941 in Zürich starb, nahm niemand von der irischen | |
Botschaft an der Beerdigung teil. Becketts Bücher wurden noch in den | |
sechziger Jahren in Irland verboten. Die Zensurbehörde hat seit ihrer | |
Gründung im Jahr 1928 insgesamt 12.500 Bücher verboten, darunter viele | |
Werke von Nobelpreisträgern. Noch vor fünf Jahren wurde „The Raped Little | |
Runaway“ von Jean Martin wegen Obszönität aus dem Verkehr gezogen. | |
Wo aber ist die Zensurbehörde, wenn man sie braucht? Bono, der Sänger der | |
irischen Popkapelle U2, konnte anlässlich des St. Patrick’s Day, des | |
irischen Nationalfeiertags, vorigen Donnerstag ungehindert ein unsägliches | |
Gedicht veröffentlichen. Deshalb muss hier schon wieder die Rede von ihm | |
sein. Das Gedicht endet mit den Zeilen: „Ireland’s sorrow and pain, is now | |
the Ukraine, and Saint Patrick’s name, is now Zelensky.“ | |
Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, verlas das | |
Gedicht beim traditionellen Patrick’s-Day-Lunch im Kapitol in Washington. | |
Micheál Martin, der blasse irische Premierminister, dem eine | |
Persönlichkeitstransplantation guttäte, hatte gehofft, dass der Empfang ihm | |
ein wenig Glanz verleihen würde. Er musste aber im Quarantänehotel bleiben, | |
weil er sich in den USA mit Corona infiziert hatte. | |
Glücklicherweise hatte seine Regierung entschieden, dass Bono unter das | |
irische Waffen-embargo falle. Ein Sprecher sagte, der Musiker dürfe nicht | |
in die Ukraine reisen, da den Menschen dort schon genug Leid widerfahren | |
sei. | |
21 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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