# taz.de -- Die Wahrheit: Zaster für eine Leiche | |
> Dreist, dreister, am dreistesten: Um an Kohle zu kommen, werden auf der | |
> grünen Insel schon mal Tote zum Schalter geschleppt. | |
Manchmal kann man mit einem toten Ahnen noch ein paar Euro verdienen. Vor | |
allem, wenn man verschweigt, dass er tot ist. Ein Donal O’Callaghan aus dem | |
südirischen Cork hat 33 Jahre lang die Rente seiner verstorbenen Eltern | |
kassiert – insgesamt mehr als eine halbe Million Euro. Es war der größte | |
Sozialbetrug in der irischen Geschichte. Vor zwei Wochen ist er deswegen zu | |
dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. | |
Sozialbetrug ist offenbar vererbbar. O’Callaghans Mutter Eileen war bereits | |
1979 gestorben, aber ihr Mann Donald holte ihre Rente trotzdem jede Woche | |
vom Postamt ab. Als er 1987 starb, machte der Sohn weiter und kassierte für | |
beide Eltern. Er ging dabei recht dreist vor. 1990 beantragte er sogar | |
einen Heizkostenzuschuss. Da die Behörde die Lebensnachweise per Post | |
verlangte, fälschte er einfach die Unterschriften und schickte die | |
Formulare zurück. 2014 bestellte er im Namen seines Vaters einen | |
Berechtigungsausweis für soziale Dienste. | |
Als das Amt das Foto wegen der schlechten Qualität nicht akzeptierte, | |
fotografierte O’Callaghan einen Nachbarn, der im selben Alter war, wie sein | |
Vater gewesen wäre, wenn er noch gelebt hätte. Außer der elterlichen Rente | |
bezog O’Callaghan seit 30 Jahren Arbeitslosengeld, sodass er insgesamt auf | |
eine Summe von 700 Euro kam – pro Woche. | |
## Der 100. Geburtstag | |
Aufgeflogen ist die Sache erst, als Donald O’Callaghans hundertster | |
Geburtstag bevorstand. Zu diesem Anlass hätten ihm 2.540 Euro und eine | |
Geburtstagskarte vom Präsidenten zugestanden. Der Polizist Michael Nagle, | |
der die feierliche Übergabe organisieren sollte, konnte den Jubilar wegen | |
der Pandemie aber nicht persönlich aufsuchen. Bei seinem Anruf bestätigte | |
der Sohn, dass sein Vater sich auf das präsidiale Geschenk freue. | |
Nagle gab sich damit aber nicht zufrieden und kontaktierte die | |
Gemeindeschwester, sämtliche Krankenhäuser sowie die praktischen Ärzte in | |
Cork. Niemand hatte je vom Ehepaar O’Callaghan gehört. Sterbeurkunden gab | |
es allerdings auch nicht. Nagle suchte die Friedhöfe in Cork ab und stieß | |
auf Eileen O’Callaghans Grab. Eine Woche später fand er auf einem anderen | |
Friedhof auch das Grab ihres Mannes. | |
Wesentlich ungeschickter als O’Callaghan gingen zwei Männer in Carlow | |
südwestlich von Dublin vor. Sie schleppten einen Peadar Doyle zum Postamt, | |
um seine Rente einzustreichen. Der Postbeamtin fiel jedoch auf, dass der | |
66-Jährige nicht besonders gesund aussah. Das war er auch nicht. Er war | |
tot. | |
Einer der beiden Leichenträger war der Neffe des Verstorbenen. Er | |
behauptete beim Verhör, dass sein Onkel noch gelebt habe, als es aus dem | |
Haus ging. Er müsse auf den 200 Metern zum Postamt verstorben sein. Sie | |
hätten sich gewundert, warum er plötzlich so schwer geworden sei. Da man | |
bei einer Autopsie den Todeszeitpunkt nicht auf die Minute genau | |
feststellen kann, wird man dem Neffen und seinem Freund das Gegenteil nicht | |
nachweisen können. | |
28 Feb 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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