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# taz.de -- Experte über Nato-Verhandlungen: „Türkei in der schwächeren Po…
> Um mit Moskau auf Augenhöhe zu verhandeln, brauche die Türkei die
> Rückendeckung der Nato, sagt Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft
> und Politik.
Bild: Nicht so stark, wie sie scheint: Die Position von Erdogans Türkei gegen�…
taz: Die Türkei hat Forderungen etwa nach der Lieferung US-amerikanischer
Kampfjets und einem härteren Vorgehen gegen die Kurdenorganisation PKK an
die Nato-Partner gestellt. Wie könnten diese darauf eingehen?
Günter Seufert: Offiziell haben die USA erklärt, dass sie nicht der
Ansprechpartner der Türkei sind, sondern Schweden und Finnland. Aber selbst
türkische Kommentatoren sagen, dass es der Türkei primär darum geht, mit
den USA zu verhandeln, etwa um die sogenannten CAATSA-Sanktionen
(Sanktionen gegen die „Gegner“ der Vereinigten Staaten; Anm. d. Red.)
aufzuheben. Die hatte noch Donald Trump erlassen als Reaktion auf die
Aktivierung des russischen Raketenabwehrsystems S-400.
Der [1][Lieferung von F-16-Kampfjets] stimmt heute zwar die US-Regierung
zu, aber der Kongress muss noch überzeugt werden. Wenn man sieht, wie der
griechische Ministerpräsident Mitsotakis letzte Woche dort nach seiner Rede
– in der er zwischen den Zeilen gefordert hatte, die Jets nicht an die
Türkei zu liefern – gefeiert wurde, zeigt das: Es gibt diesbezüglich noch
viel zu tun. Doch für die USA wäre der Verkauf finanziell und
rüstungspolitisch interessant. Dass sie der Türkei nun doch die neueren
F-35-Jets liefern, so wie von ihr gewünscht, ist kaum mehr möglich.
Welche Trümpfe hält die Türkei gegenüber den USA in der Hand?
Am Dienstag hat der Chef der rechtsextremen MHP, inoffizieller
Koalitionspartner des türkischen Präsidenten Erdoğan, gedroht, man könne
auch aus der Nato austreten – eine rein rhetorische Drohung. Es ist eher
so, dass die Türkei glaubt, mit dem Beitrittswunsch von Schweden und
Finnland zur Nato endlich einen Hebel in der Hand zu haben. Die USA konnten
in den letzten Jahren nach Belieben und Bedarf den Druck auf die Türkei
erhöhen oder mildern. Etwa mit dem Ausschluss der Türkei aus dem
F-35-Programm oder dem Prozess gegen die türkische staatliche Halkbank.
Erdoğan muss sich sehr darum bemühen, von Biden empfangen zu werden. All
das sind Mosaiksteine, die zeigen, dass die Türkei in der schwächeren
Position ist.
Wie sieht das für die europäischen Nato-Staaten aus? Am Dienstag meldete
die dpa, dass die Zahlen der Geflüchteten an der türkisch-griechischen
Grenze zunehmen.
Im Jahr 2019 hat die Türkei schon einmal versucht, auf diese Weise Druck
auf die EU auszuüben – als Erdoğan die Grenzen öffnete und türkische
Sicherheitskräfte versuchten, Migranten über die Landgrenze nach
Griechenland zu bringen. Das ist natürlich ein Instrument. Aber das hat mit
dem aktuellen Streit nur indirekt zu tun: Die Türkei könnte versuchen, die
europäischen Nato-Partner unter Druck zu setzen, und dann hoffen, dass
diese ihrerseits Druck auf Schweden, Finnland und die USA ausüben.
Könnte die Türkei etwa die Sanktionen gegen Russland als Druckmittel
nutzen?
Die [2][Türkei hat den Bosporus für Kriegsschiffe] – übrigens aller
Nationen – bereits gesperrt. Sie könnte zwar noch größere Schlupflöcher z…
Umgehung von Sanktionen für Russland öffnen, aber die Türkei hat auch ein
starkes Interesse daran, mit der Nato zu kooperieren. Denn am Schwarzen
Meer sieht sie sich mit russischer Überlegenheit konfrontiert. Die Annexion
der Krim und die Geländegewinne Russlands im Süden der Ukraine machen aus
dem Schwarzen Meer zunehmend einen russischen See. In den letzten Jahren
hat sich die russische Flotte hochgerüstet, sie ist heute der türkischen
überlegen. Russland sitzt auch in Syrien am östlichen Mittelmeer. Die
Türkei wird von Russland eingekreist. Sie braucht die Mitgliedschaft in der
Nato, um mit Moskau einigermaßen auf Augenhöhe umgehen zu können.
Welche Zugeständnisse könnte die EU der Türkei machen?
In den europäischen Ländern hat es unterschiedliche Stadien gegeben, in
denen mehr oder weniger strikt gegen kurdische Organisationen, denen man
eine Nähe zur PKK unterstellt hat, vorgegangen wurde. Überall in Europa ist
die [3][PKK als Terrororganisation gelistet], immer wieder gibt es Prozesse
gegen mutmaßliche PKK-Unterstützer. Aber wie viel politischer Druck
dahinter ist, ist von politischen Konjunkturen abhängig. Finnland hat
bereits angekündigt, künftig strikter darauf zu achten, wenn PKK-Symbole
durch die Straßen getragen werden. Doch zu viel mehr wird man sich schlecht
durchringen können – kein Nato-Mitglied wird die kurdisch-syrische YPG
offiziell als Terrororganisation anerkennen, solange die USA mit dieser
Organisation kooperieren.
Braucht die Nato die Türkei überhaupt?
Die Nato-Staaten sind in einer schwierigen Phase: Die geschlossene Front
gegen Russland ist brüchig. Große Teile der Welt beteiligen sich nicht an
den Sanktionen gegen Russland. Auch die Türkei hat sich bisher nicht an
Sanktionen beteiligt und Russland ihren Luftraum nur für Militärflugzeuge
gesperrt. Doch hat die Türkei die Entscheidungen der Nato, Truppen an die
Ostgrenze zu verlegen, auch nicht blockiert – diese Strategie könnte sie
künftig aber ändern. Deshalb muss sich die Nato fragen, wie sie die Türkei
an Bord hält.
30 May 2022
## LINKS
[1] https://www.reuters.com/world/us-says-potential-f-16-sale-turkey-would-serv…
[2] /Vermittler-im-Ukrainekrieg/!5844376
[3] /Verbotene-Kurdische-Arbeiterpartei/!5850309
## AUTOREN
Lisa Schneider
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