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# taz.de -- Mögliche türkische Offensive in Syrien: Erdoğan gegen alle
> Der türkische Präsident bereitet offenbar eine neue Offensive gegen die
> kurdische YPG in Syrien vor. Davor warnen Russland und die USA.
Bild: Da waren sie schon: türkische Panzer im syrischen Manbidsch im Oktober 2…
Istanbul taz | Der türkische Staatsrundfunk ist bereit. Sie haben in Kilis,
einer Stadt direkt an der syrischen Grenze ihr Studio eingerichtet und
warten nun darauf, dass der von Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch
angekündigte erneute militärische Einmarsch in das Nachbarland beginnt.
Es wäre die vierte Militäroperation der Türkei in Syrien, nach dem
Einmarsch in Dscherablus im August 2016, der Eroberung der kurdischen
Region [1][Afrin] im Januar 2018 und zuletzt der Besatzung eines Streifens
östlich des Euphrats im Oktober 2019, nachdem US-Präsident Trump
überraschend seine Truppen dort zurückgezogen hatte.
Noch ist aber nichts passiert. Der Reporter von TRT interviewt mangels
aktueller Ereignisse Generäle im Ruhestand, dazu zeigt der Sender Bilder
der [2][vorangegangenen Militäroperationen]. Vereinzelten Raketenbeschuss
in der Nähe der Stadt [3][Manbidsch] bezeichnete das türkische
Verteidigungsministerium gegenüber dpa als alltägliche Routine. „Noch ist
keine größere Operation gestartet worden“, sagte ein Sprecher des
türkischen Militärs.
Die aber soll nun zeitnah erfolgen. Am Mittwoch hatte Präsident Erdoğan im
Parlament verkündet, die Armee solle zunächst einmal die beiden Orte Tall
Rifaat und Manbidsch von „Terroristen“ säubern, danach werde man dann
Schritt für Schritt in andere Regionen vordringen.
## USA und Russland warnen die Türkei
Eine Einnahme dieser beiden Städte hätte allerdings politische
Implikationen, die offenbar noch nicht geklärt sind. In beiden Städten sind
neben den kurdischen Milizen der YPG, die das Ziel eines türkischen
Angriffs wären, auch Truppen der regulären syrischen Armee des Diktators al
Assad stationiert. Dessen Protektor, der russische Präsident Wladimir
Putin, hat einer türkischen Operation gegen Tall Rifaat und Manbidsch aber
bislang nicht zugestimmt.
Am Donnerstagabend sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums,
Maria Sacharowa, die russische Regierung hoffe, dass Ankara von Maßnahmen
absieht, die „die gefährliche und ohnehin schwierige Lage in Syrien
weiterhin verschlechtern könnten“. Ausnahmsweise ist in diesem Fall
Russland mit den USA mal wieder einer Meinung. Zuvor hatte schon
US-Außenminister Antony Blinken gesagt: „Wir warnen die Türkei vor einer
Militäroperation in Syrien. Das könnte unsere Truppen dort gefährden und
die Stabilität in der Region untergraben“.
Ist die neuerliche Ankündigung Erdoğans, in Syrien einmarschieren zu
wollen, also nur ein Bluff? Sowohl Manbidsch als auch Tall Rifaat grenzen
direkt an das Gebiet an, das die Türkei bereits 2016 erobert hat. Schon
beim Einmarsch 2016 wollte Erdoğan die kurdische YPG Miliz westlich des
Euphrats nach Osten zurückdrängen, was aber nicht ganz gelang, da schon
damals sowohl die USA wie auch Russland dagegen war. Kurz vor Manbidsch
mussten die türkischen Truppen halt machen.
Danach setzte Erdoğan im Januar 2018 noch einmal nach und ließ die
Kurdenregion Afrin besetzen und den größten Teil der YPG-Miliz und tausende
kurdische Zivilisten von dort vertreiben. Nur in Tall Rifaat, der Ort liegt
relativ nah an Aleppo, konnte die YPG sich halten. Seitdem beklagt Erdoğan,
dass aus Tall Rifaat und Manbidsch immer wieder türkische Truppen oder mit
der Türkei verbündete syrische Milizen angegriffen werden. Das soll nun
beendet werden.
Militärisch wäre die türkische Armee wohl dazu in der Lage. Die Frage ist,
ob Erdoğan einen solchen Schritt politisch durchsetzen kann. Er hofft
anscheinend, dass Russland in Ukraine soweit beschäftigt ist, dass Putin
ihm in Syrien freie Hand lassen würde.
Auch die USA wollen den türkischen Autokraten nicht vor den Kopf stoßen,
weil angesichts des Ukraine-Krieges [4][die Türkei gebraucht] wird.
Dennoch sind die politischen Widerstände noch nicht ausgeräumt und die
Kriegsreporter von TRT warten noch darauf, dass die türkischen Panzer
rollen werden. Zunächst wird die türkische Armee sich aber wohl auf
Aktionen niedrigerer Intensität beschränken. Der TRT Mann meldete gestern,
dass es dem türkischen Geheimdienst gelungen sei, in Tall Rifaat einen
hochrangigen Kommandeur der kurdischen YPG Miliz zu töten.
3 Jun 2022
## LINKS
[1] /Erdoans-Truppen-in-Syrien/!5488406
[2] /Syrien-und-Irak/!5832863
[3] /Tuerkischer-Einmarsch-in-Nordsyrien/!5630248
[4] /Erdoans-Vermittlerrolle-im-Ukrainekrieg/!5841736
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
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Recep Tayyip Erdoğan
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