# taz.de -- Türkei-Blockade bei Nato-Norderweiterung: Den Erpressern nicht nac… | |
> Der Widerstand der Türkei gegen die Nato-Erweiterung ist ein Test für das | |
> Bündnis. Es sollte nicht erneut Völkerrechtsverstöße dulden. | |
Bild: Präsident Erdogan fordert für seine Zustimmung zur Nato-Norderweiterung… | |
Die Nato, derzeit engagiert in der Unterstützung der Ukraine gegen | |
Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, bezeichnet sich selbst gerne | |
als „Wertegemeinschaft“. Ihre Mitglieder sind laut der [1][Gründungsakte | |
von 1949] „der UNO-Charta verpflichtet“ und darüber hinaus, „den Prinzip… | |
der Demokratie, individuellen Freiheiten und der Rechtsstaatlichkeit “. | |
Abgesehen von den vergangenen Völkerrechtsverstößen der Nato oder einzelner | |
Mitgliedsstaaten in Ex-Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen und anderwo, | |
sah und sieht die Realität auch im Inneren der Allianz in den letzten 73 | |
Jahren anders aus, als es die hehre Selbstbeschreibung vorgibt. | |
Das gilt – mehr noch als für den von der Nato bislang nicht kritisierten | |
Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten in [2][Ungarn] und [3][Polen] – | |
vor allem mit Blick auf die beiden 1952 beigetretenen südosteuropäischen | |
Mitgliedsstaaten Türkei und Griechenland. Die blutigen Militärputsche und | |
nachfolgenden faschistischen Dikaturen in der Türkei 1960 und 1980 sowie in | |
Griechenland 1967 wurden von den USA und anderen NATO-Mitgliedsstaaten | |
nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt. | |
Dasselbe gilt für seit die 1976 anhaltende völkerechtswidrige Besatzung | |
Nordzyperns durch die Türkei sowie für die anhaltenden kriegerischen | |
Interventionen der [4][Türkei im Irak und Syrien]. Auch die Unterdrückung | |
der Kurden in der Türkei sowie der Abbau von Demokratie und Rechtsstaat | |
durch den zunehmend diktatorischen Präsidenten Erdogan waren bislang kein | |
Anlass für die übrigen Nato-Mitglieder, diesen schwerwiegenden Verstößen | |
gegen die „Prinzipien Demokratie, individuelle Freiheiten und Rechtsstaat“ | |
entgegenzutreten. | |
## Faustpfand Nato-Basis Incirlik | |
Im Nato-Vertrag seien „keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder | |
vorgesehen“, wird diese Untätigkeit in der Brüsseler Zentrale der Allianz | |
entschuldigt. Doch der eigentliche Grund ist, dass sich die Nato seit | |
vielen Jahren von Ankara erpressen lässt durch die Drohung, die Nato-Basis | |
Incirlik in der Südosttürkei zu schließen. Incirlik ist für die Nato und | |
für die USA wichtigste Basis für sämtliche Luftoperationen im Nahen und | |
Mittleren Osten. Zudem sind in Incirlik US-amerikanische Atomwaffen | |
stationiert. | |
Mit dem [5][Widerspruch Ankaras] gegen einen Nato-Beitritt Finnlands und | |
Schweden, die sämtliche zitierten Prinzipien der Nato-Gründungsakte besser | |
erfüllen als irgendein anderes Land, ist eine noch nie dagewesene | |
Kontroverse entstanden. Hätte Erdogan seinen Einspruch damit begründet, | |
dass diese Erweiterung sicherheitspolitisch falsch und eine unnötige, | |
gefährliche Provokation Russlands und seines Halbverbündeten Putin sei, | |
hätte daraus eine politisch relevante, längst überfällige Nato-interne | |
Debatte entstehen können. | |
Doch den Einspruch mit der Forderung zu begründen, dass die Regierungen in | |
Helsinki und Stockholm ihre Schutz- und Asylverpflichtungen für verfolgte | |
türkische KurdInnen aufgeben, die von Erdogan systematisch als | |
„Terroristen“ diffamiert werden, ist schiere Erpressung. | |
Dasselbe gilt für Erdogans Forderung nach Wiederaufnahme von | |
Waffenlieferungen, die die Regierungen in Oslo und Stockholm gestoppt | |
hatten aus berechtigter Sorge, dass die Türkei diese Waffen bei ihren | |
völkerrechtswidrigen Interventionen in Syrien und Irak einsetzt oder gegen | |
die Kurden im eigenen Land. Erdogans Erpressungmanöver zielt ganz | |
offensichtlich darauf ab, die USA zur Lieferung von Kampfflugzeugen an die | |
Türkei zu nötigen, die Washington nach Ankaras Kauf russischer | |
Boden-Luftraketen gestoppt hatte. | |
Eine ähnlich miese Erpressung versucht der irreführender Weise als | |
„Sozialist“ firmierende nationalistische Präsident Kroatiens, Zoran | |
Milanovic. Er fordert, dass das Wahlgesetz im benachbarten | |
Bosnien-Herzegowina zugunsten der dort lebenden Kroaten geändert wird, | |
bevor das kroatische Parlament den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands | |
ratifiziert. Dahinter steht das seit Anfang der 1990er Jahre von den | |
Nationalisten in Zagreb wie in Belgrad unverändert verfolgte Ziel, den | |
souveränen Staat Bosnien-Herzegowina zwischen Kroatien und Serbien | |
aufzuteilen. | |
Dieses Ziel des Präsidenten eines Nato-Mitgliedsstaates ist von ähnlich | |
völkerrechtswidriger Qualität, wie die Ansprüche von Putin auf Teile der | |
Ukraine. Die USA und alle anderen NATO-Staaten ebenso wie Finnland und | |
Schweden sollten den Erpressern in Ankara und Zagreb keinen Zentimeter | |
entgegenkommen. | |
23 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_17120.htm?selectedLocale=… | |
[2] /Parlamentswahl-in-Ungarn/!5845923 | |
[3] /Pressefreiheit-in-Polen/!5786010 | |
[4] /Konflikt-zwischen-Tuerkei-und-Kurden/!5846435 | |
[5] /Nato-Beitritt-von-Schweden-und-Finnland/!5855907 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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