# taz.de -- Türkei und Griechenland im Dauerkonflikt: Athen und Ankara streite… | |
> Russlands Angriffskrieg schien auch eine Annäherung zwischen den | |
> Nato-Staaten Griechenland und Türkei zu bringen. Damit ist es nun vorbei. | |
Bild: Präsident Erdogan bei einem Militärmanöver in der Ägäis am 9. Juni 2… | |
ISTANBUL taz | Der [1][Dauerstreit zwischen Griechenland und der Türkei] | |
geht in eine neue Runde. Statt Verhandlungen über die strittigen | |
Seerechtsfragen im Mittelmeer und der Ägäis zu führen, wurden die Gespräche | |
wieder einmal abgebrochen und stattdessen wird erneut verbal gedroht und | |
vor allem in Griechenland Kriegsszenarien heraufbeschworen. | |
Dabei sah es vor nicht langer Zeit noch ganz gut aus. Angesichts des | |
Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar rückten die Nato-Staaten | |
zusammen. Auch Griechenland und die Türkei wollten und sollten ihren | |
Beitrag zur Verteidigung der Ukraine leisten. Griechenland mit einer neuen | |
US-Militärbasis in Alexandroupolis in der Nordägäis, über die ein Großteil | |
der US-Waffenlieferungen in die Ukraine abgewickelt wird, die Türkei über | |
den Versuch, sich als [2][Vermittler für Friedensverhandlungen] zu | |
positionieren. | |
Diese Arbeitsteilung wurde von den meisten Nato-Staaten begrüßt, der lange | |
isolierte türkische [3][Präsident Recep Tayyip Erdoğan] konnte im Westen | |
wieder etwas punkten. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen | |
Regierungschefs aus EU und Nato reiste Mitte März auch der griechische | |
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zu einem Kurzbesuch nach Ankara. Der | |
Tenor der Gespräche: Angesichts der neuen Krise sollten die | |
griechisch-türkischen Streitigkeiten möglichst zügig in konstruktiven | |
Gesprächen zwischen beiden Ländern gelöst werden. | |
Nato und EU durften hoffen, dass sich im Dauerkonflikt zwischen den beiden | |
Nato-Ländern nun vielleicht ein Kompromiss anbahnen würde. | |
## Erdoğan: „Mitsotakis existiert für mich nicht mehr“ | |
Aus türkischer Sicht hat der griechische Ministerpräsident Mitsotakis | |
dieses Einvernehmen aufgekündigt, als er Mitte Mai zu einem Besuch nach | |
Washington fuhr. In einer leidenschaftlichen Rede vor beiden Kammern des | |
Kongresses beschwor er die Senatoren und Abgeordneten, Waffenlieferungen | |
ins östliche Mittelmeer zu verhindern. Obwohl er die Türkei nicht | |
namentlich nannte, war allen klar, was gemeint war. Die Parlamentarier | |
sollten die Lieferungen moderner F-16-Kampfflieger an die Türkei | |
verhindern, ein Deal, der zwischen der Biden-Administration und Ankara | |
bereits vereinbart war. | |
Erdoğan fühlte sich von Mitsotakis hintergangen und muss nun tatsächlich | |
fürchten, dass aus dem Kauf der F-16 nichts wird, weil der Kongress schon | |
traditionell eher auf Seiten Griechenlands steht. Entsprechend sauer war | |
der türkische Autokrat. In einer Rede eine Woche später erklärte er: | |
„Mitsotakis existiert für mich nicht mehr. Ich werde nie mehr mit ihm | |
reden.“ Die Verhandlungen mit Griechenland wurden eingestellt. | |
Seitdem eskalieren der verbale Schlagabtausch und die militärischen | |
Provokationen. Türkische Kampfflugzeuge würden immer häufiger den | |
griechischen Luftraum über Inseln entlang der türkischen Küste verletzen, | |
wird in Athen beklagt, während der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşo�… | |
kritisiert, dass, entgegen der geltenden Abkommen, die Inseln mit | |
griechischem Militär vollgepackt seien. Beides, die sogenannten Dog-Fights | |
zwischen türkischen und griechischen Kampffliegern und auch der Status der | |
Dodekanes-Inseln, sind uralte Streitklassiker, die bei passender | |
Gelegenheit aktiviert werden. | |
Während in Griechenland und vor allem auf den Inseln eine regelrechte | |
Kriegsangst geschürt wird, betonen beide Seiten, dass von ihnen keine | |
Bedrohung ausgeht. Mitsotakis sagte am Mittwoch, es sei doch jedem klar, | |
dass Griechenland niemals von den Inseln aus die Türkei angreifen würde. | |
Und der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar meinte am gleichen Tag | |
vor der parlamentarischen Versammlung der Nato-Staaten, Griechenland solle | |
aufhören, in Washington und Brüssel die Türkei anzuschwärzen, sondern sich | |
stattdessen zu aufrichtigen Verhandlungen bereitfinden. | |
Das scheint selbst innerhalb der Nato die Mehrheitsmeinung zu sein. | |
Gegenüber der griechischen Nachrichtenagentur ANA sagte der sonst immer so | |
zurückhaltende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag sichtlich | |
genervt, das sei ein Konflikt zwischen zwei Nato-Ländern, den beide | |
bilateral lösen müssten. Die Nato habe damit nichts zu tun. | |
16 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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