# taz.de -- Beschuss eines türkischen Frachtschiffs: Droht eine neue Eskalatio… | |
> Griechische Küstenschutzschiffe sollen in der Ägäis auf einen Frachter | |
> geschossen haben. Athen spricht von Warnschüssen. | |
Bild: Die griechische Küstenwache nach einem Einsatz, hier im Juni 2022 mit Ge… | |
ISTANBUL taz | Am Samstagnachmittag ist es in der Ägäis unweit von Lesbos | |
zu einem Zwischenfall gekommen, der das angespannte Verhältnis zwischen der | |
Türkei und Griechenland weiter strapazieren wird. Ein türkisches Schiff | |
namens Anatolian, das unter der Flagge der Komoren fuhr, wurde von der | |
griechischen Küstenwache beschossen. | |
Nach der griechischen Version befand sich das Schiff in griechischen | |
Hoheitsgewässern bei Lesbos und hätte auf Anfragen nicht reagiert. Die | |
Küstenwache hätte daraufhin einige Warnschüsse abgegeben, worauf das Schiff | |
in türkische Hoheitsgewässer gefahren sei. Nach türkischen Angaben befand | |
sich das Schiff in internationalen Gewässern elf Meilen südlich der | |
türkischen Insel Bozcaada. Die griechische Küstenwache hätte das Schiff | |
beschossen und sei erst abgedreht, als die türkische Küstenwache | |
herbeieilte und das Schiff in sichere Gewässer eskortierte. | |
Tatsächlich werden in sozialen Medien in der Türkei mehrere von | |
Besatzungsmitgliedern des Schiffes aufgenommene Videos gezeigt, auf denen | |
zu sehen ist, wie die griechische Küstenwache nahe an das Schiff | |
heranfährt. Dann sind Schüsse zu hören und man sieht ein Fenster auf der | |
Brücke, das von einer Kugel durchschlagen wurde. Personen wurden nicht | |
verletzt. Die Besatzung besteht aus Seeleuten aus Somalia, Ägypten, | |
Aserbaidschan und der Türkei. Die Türkei hat von Griechenland eine | |
Erklärung gefordert, die griechische Botschaft in Ankara reagierte auf | |
Anfragen nicht. | |
## Griechenland und Türkei im Dauerkonflikt | |
Die Anatolian ist ein uraltes, völlig heruntergekommenes Schiff, das von | |
Somalia kommend durch die Dardanellen und den Bosporus ins Schwarze Meer | |
fahren sollte, um dort in einer Werft wieder aufgepäppelt zu werden. Dem | |
Äußeren nach zu urteilen könnte es von der griechischen Küstenwache für | |
eines der Schrott-Schiffe gehalten worden sein, mit denen manchmal | |
Flüchtlinge transportiert werden. Allerdings war es nicht in Richtung | |
Griechenland oder Italien unterwegs, sondern eindeutig in Richtung | |
türkischer Küste und den Dardanellen. | |
Griechenland ist in den letzten Monaten immer wieder nachgewiesen worden, | |
dass es [1][Flüchtlinge durch illegale Pushbacks] zurückdrängt und dabei | |
durchaus deren Tod in Kauf nimmt. Zur Verteidigung behauptet die | |
griechische Regierung, die türkische Gendarmerie und Polizei würde | |
Flüchtlinge gewaltsam [2][über die griechische Grenze drängen]. | |
Hinzu kommt, dass sich Griechenland und die Türkei seit Monaten gegenseitig | |
die Verletzung ihrer Hoheitsgewässer oder ihres Luftraumes vorwerfen. | |
Zuletzt waren türkische Jets während eines von der Nato erbetenen Fluges | |
über offenem Meer westlich von Rhodos von einem griechischen | |
Raketenabwehrsystem erfasst worden, das auf Kreta stationiert ist. Das gilt | |
international als kriegerischer Akt. Die türkische Regierung hatte der Nato | |
diesen Vorfall gemeldet. | |
Der Streit hatte sich zuletzt am Status der Inselgruppe Dodekanes vor der | |
türkischen Küste entzündet. Diese Inseln gehörten, als sie 1912 von Italien | |
besetzt wurden, zum Osmanischen Reich. Als die Inseln nach dem Zweiten | |
Weltkrieg 1947 von Italien an Griechenland abgegeben wurden, wurde | |
vertraglich vereinbart, dass sie demilitarisiert sein müssten. Die Türkei | |
beklagt, dass Griechenland immer mehr Militär auf die Inseln verlegt. | |
Athen behauptet, man tue dies, weil die Türkei die Inseln vom Festland aus | |
durch Landungsboote bedrohe. Die türkische Regierung hatte später sogar mit | |
einem Militäreinsatz gedroht. In einer Rede hatte Präsident Erdoğan gesagt, | |
die Griechen sollten sich in Acht nehmen, sonst „wären wir eines Nachts | |
plötzlich da“. Nach dem letzten Zwischenfall am Samstag droht nun eine | |
[3][weitere Eskalation]. | |
11 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Seenotretter-ueber-Pushbacks-und-Hetze/!5873771 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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