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# taz.de -- Schulplatzmangel spitzt sich zu: Weite Wege zum sicheren Schulplatz
> Viele Schüler wissen noch nicht, wo sie nächstes Schuljahr nach der
> Grundschule landen werden. Allein in drei Bezirken fehlen fast 200
> Schulplätze.
Bild: Ob das der direkte Weg zur Schule ist? Ab der 7. Klasse wird für viele d…
Berlin taz | Martin, ein Sechstklässler, der eigentlich anders heißt, würde
im kommenden Schuljahr gerne an die 7. Klasse eines Pankower Gymnasiums
wechseln – in dem Bezirk, in dem er auch mit seiner Familie wohnt. Drei
Wunschschulen darf jede*r angeben; Martin nannte als Erstwunsch ein
Gymnasium im Stadtteil Weißensee. Post kam dann allerdings von ganz
woanders aus der Stadt: ein Gymnasium in Wilmersdorf habe noch einen Platz
frei. 55 Minuten Fahrtzeit rechnet der Routenplaner der BVG für diesen
Schulweg vor, zudem hat das Gymnasium einen naturwissenschaftlichen
Schwerpunkt – anders als Martins Erstwunschschule, die breiter aufgestellt
ist. „Wir werden in jedem Fall Widerspruch bei der Schulverwaltung
einlegen“, sagt Martins Vater.
Immerhin hat Martin am Wochenende – am Freitag wurden die Schulbescheide
für die Siebtklässler*innen berlinweit versandt – überhaupt einen Brief
bekommen, in dem ihm eine konkrete Schule zugewiesen wird. Dass die
[1][Schulplatznot in Berlin groß ist], weil jahrelang zu wenig saniert und
zu langsam neu gebaut wurde, ist allgemein bekannt. Dass in diesem Jahr
aber vielen Schüler*innen bislang noch nicht einmal irgendeine Schule im
Stadtgebiet zugewiesen werden kann – von den angegebenen Wunschschulen ganz
zu schweigen – das ist neu. Meist liegt die Quote der Wunscherfüllungen bei
um die 90 Prozent, so auch 2021. Rund 2.700 Schüler*innen bekamen laut
Bildungsverwaltung im vergangenen Jahr keinen Wunschplatz, aber immerhin
einen Schulplatz genannt.
In Pankow wandte sich der Bezirkselternausschuss am Pfingstwochenende mit
einem Schreiben an die Presse: „Erstmalig wurde mitgeteilt, dass in diesem
Jahr nicht alle Schülerinnen und Schüler, die in Klasse 7 wechseln, mit
einem Schulplatz versorgt werden können – noch nicht, wie es heißt“,
berichten die Elternvertreter*innen.
Konkret handele es sich um „20 bis 40 zukünftige Gymnasialschülerinnen und
-schüler, für die nicht nur in Pankow, sondern in der ganzen Stadt kein
Schulplatz zu Verfügung steht“. Es mangele an Räumen wie auch an Personal.
Das Schulamt des Bezirks bestätigt die von den Eltern genannten Zahlen auf
taz-Anfrage. Außerdem wurde 164 Kindern ein „Schulplatzangebot in einem
anderen Bezirk gemacht“, sagt Schulstadträtin Dominique Krössin (Linke).
Auch im Nachbarbezirk Mitte steht Schulstadträtin Stefanie Remlinger
(Grüne) ordentlich unter Druck: „Ich habe 64 Schülerinnen und Schüler, für
die wir aktuell noch einen Platz suchen.“ Remlinger hatte bereits
vergangene Woche vorgeschlagen, an den Berufsschulen nach Raumkapazitäten
zu fahnden. Das solle jetzt offenbar auch geschehen, sagte Remlinger – noch
am Dienstagnachmittag wollte sich die Bildungsverwaltung, die die
beruflichen Oberstufenzentren zentral verwaltet, mit den bezirklichen
Schulämtern gemeinsam an einen Tisch setzen.
Angespannt ist die Lage auch in Treptow-Köpenick. 247 Schüler*innen, meldet
das Schulamt, haben keinen Platz an ihrer Wunschschule bekommen. 104
Jugendlichen konnte gar kein Schulangebot gemacht werden.
„Das Übergangsverfahren zur Sekundarstufe I stellt für die Bezirke
zunehmend eine unlösbare Aufgabe dar“, sagt Schulstadtrat Marco Brauchmann
(CDU). Schwierig ist aus Sicht der Bezirke vor allem die Unberechenbarkeit
der Schüler*innenwanderungen. Denn ab der 7. Klasse ist ganz Berlin ein
Einschulungsbereich – anders als bei der Einschulung hat also nicht mehr
jede*r ihre oder seine zuständige Grundschule im Bezirk. Viele Bezirke
nehmen also auch aus Nachbarbezirken Schüler*innen auf, die
Schüler*innenzahlen lassen sich somit weniger gut kalkulieren als bei
den Erstklässler*innen.
Treptow-Köpenick zum Beispiel hat laut Schulamt 1.962 Schulplätze an seinen
15 Oberschulen. Dem stehen 1.957 Sechstklässler*innen im Bezirk
gegenüber. Es würde also knapp reichen auf dem Papier, aber eben nur für
die Treptow-Köpenicker*innen. Doch der Bezirk nimmt auch 337 Kinder aus
anderen Bezirken auf – demgegenüber gehen nur 41 Jugendliche aus dem Bezirk
auf eine Schule anderswo. Diese „Schülerverschickungen“, sagt Stadtrat
Brauchmann, benachteiligten diejenigen, die weite Fahrwege haben und dann
auch nachmittags nicht mehr so viel Zeit für Sport und Freizeit im Verein
hätten.
Nun ist die freie Schulplatzwahl natürlich eigentlich eine tolle Sache –
wenn es denn tatsächlich Auswahl, sprich: mehr Schulplätze, gäbe.
In den beinahe abgeschlossenen Haushaltsverhandlungen für 2022/23 hatten
die Spitzen der rot-grün-roten Koalitionsfraktionen zuletzt [2][200
Millionen Euro zusätzlich für die Schulbauoffensive] des Senats
rausgeschlagen. „Alle geplanten Maßnahmen werden auf den Weg gebracht
werden können“, freute sich Linken-Fraktionschef Carsten Schatz. Bei den
Oberschulen betrifft das vor allem die schnell zu errichtenden Modularen
Ergänzungsbauten an bereits vorhandenen Standorten; Neubauvorhaben werden
anders finanziert.
Für [3][Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD)] ist die
Oberschulmisere eine weitere schlechte Nachricht, die sie nicht gebrauchen
kann. Sie steht ohnehin gerade massiv in der Kritik: Sie habe schlecht
verhandelt bei den Haushaltsberatungen, finden einige
Fachpolitiker*innen auch aus der Koalition. Sie wirke überfordert,
etwa mit der Ukrainekrise, heißt es – Remlinger, die Schulstadträtin aus
Mitte, hatte sie dafür offen in der Presse angegriffen. Die oppositionelle
[4][CDU will am Donnerstag im Parlament nun über eine Missbilligung von
Busses Amtsführung] abstimmen lassen.
Bis 22. Juni, verspricht die Bildungsverwaltung, soll allen künftigen
Siebtklässler*innen eine Schule genannt werden können. Martins Vater
erwägt noch, ob er auch eine Schulplatzklage anstrengen würde, sollte sein
Widerspruch erfolglos bleiben. Das sei ja auch mit Kosten verbunden. Und er
sagt: „Ich finde es zutiefst ungerecht, dass zum einen die Kinder mit den
schlechteren Noten tendenziell weitere Schulwege haben. Und das zum anderen
diejenigen die Chance haben, sich doch noch an ihre Wunschschule zu klagen,
die am lautesten schreien können.“
7 Jun 2022
## LINKS
[1] /Kuerzungen-bei-Schulbau-befuerchtet/!5852435
[2] /Doppelhaushalt-fuer-Berlin-steht/!5856269
[3] /Mehr-Geld-fuer-Bildung-im-Haushalt/!5853503
[4] /Kritik-an-Bildungssenatorin-Busse-SPD/!5855253
## AUTOREN
Anna Klöpper
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