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# taz.de -- Schulplatzmangel in Berlin: Große Pause statt Bauoffensive
> Obwohl die Schulbauoffensive seit Jahren läuft, kommt man nicht aus der
> Defensive. In Mitte kämpft das Schulamt gegen Personalnot und
> Fehlplanungen.
Bild: Soll wieder reaktiviert werden: Der alte Standort des Weddinger Diesterwe…
Berlin taz | Eigentlich sollten inzwischen alle künftigen
Siebtklässler*innen wissen, auf welche Oberschule sie nach den
Sommerferien gehen: Spätestens [1][am 20. Juni sollten die Bescheide
zentral verschickt werden] – was auch schon deutlich später war als in
anderen Jahren, doch es fehlten nun einmal Hunderte Schulplätze an
Oberschulen. Viele Schüler*innen bekamen deshalb erstmals nur einen
Blanko-Bescheid, ohne konkrete Schulzuweisung.
Bei David M., Vater eines Sechstklässlers aus Mitte, ist allerdings auch am
Montag, sieben Tage nach Versand, noch immer nichts im Briefkasten
gelandet. Die Sommerferien beginnen kommende Woche. Im Schulamt, erzählt
M., sei niemand zu erreichen gewesen, die Stelle für die
Oberschulzuweisungen ist als „vakant“ aufgeführt. Irgendwann erreichte er
dann die Sachbearbeiterin für die Grundschulen. „Sie konnte mir sagen, was
in dem noch nicht zugestellten Brief steht: dass unser Sohn einen Platz auf
dem Tiergarten-Gymnasium hat.“
Das Beispiel aus Mitte zeigt ganz schön, warum viele Berliner Eltern und
Lehrkräfte gerade das Gefühl haben, dass man auch im fünften Jahr der
Schulbauoffensive eher noch dabei ist, sich [2][aus der Defensive zu
kämpfen]: Die bezirklichen Schulämter sind überlastet, und konkrete
Baumaßnahmen kommen oft langsamer voran als gedacht, so dass sie nicht
kurzfristig den Druck aus der Entwicklung der Schüler*innenzahlen
nehmen könnten.
„Das wird in den kommenden Jahren schlimmer, als ich es mir vorgestellt
habe, gerade im Oberschulbereich“, gibt Mittes Bildungsstadträtin Stefanie
Remlinger (Grüne) auf Nachfrage umumwunden zu. Für das kommende Schuljahr
nimmt das Diesterweg-Gymnasium in der Böttgerstraße im Wedding, quasi als
„Überlaufschule“ für alle Unversorgten, noch zwei zusätzliche Klassen au…
dafür wurden wiederum Willkommensklassen für ukrainische Geflüchtete in
einen Jugendklub und die bezirkliche Musikschule ausgelagert.
„Das zeigt, wie enorm hoch der Druck ist“, sagt Remlinger. „Denn auch die
ukrainischen Kinder brauchen ja möglichst schnell eine Perspektive in
Regelklassen.“ Spätestens nach den Sommerferien dürfte dieses Thema aktuell
werden – und Remlingers „Jugendklub“-Modell an seine Grenzen kommen.
## Planungsfehler der Vergangenheit
Das Diesterweg-Gymnasium ist zugleich ein Beispiel für Planungsfehler in
der Vergangenheit, die jetzt die schnelle Schaffung von dringend benötigten
Schulplätzen weiter verzögern. Der ehemalige Standort in der Putbusser
Straße ist ein Sanierungsfall, sogar ein sogenannter „Großschadensfall“. …
denkmalgeschützten Gebäudeensemble aus den 70er Jahren steht das Wasser, es
gebe wohl auch eine Asbestbelastung, sagt Remlinger, die das Gebäude
neulich begehen konnte, „mit Schutzanzug“.
Eigentlich übernimmt in solchen Fällen die landeseigene Howoge: auch eine
Idee der Schulbauoffensive, um die Bezirke bei solchen Großbaustellen zu
entlasten. Doch die Bildungsverwaltung nahm die Sanierung vor rund zwei
Jahren aus der Schulbauoffensive raus – jetzt ist formal der Bezirk
zuständig. Dort passierte erst mal nichts.
Remlinger sagt, man brauche diese Schule aber dringend in Mitte, sie will
den Standort reaktivieren und die Baustelle in die Schulbauoffensive
„zurückverhandeln“. In die Investitionsplanung für ihren Bezirk, die
allerdings vom Senat noch beschlossen werden muss, hat Remlinger jetzt 50
Millionen Euro dafür eingestellt. Eine erste Tranche 2024 über 2,5
Millionen Euro soll für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bestimmt sein:
„Damit wir wissen, ob eine Sanierung überhaupt noch in Frage kommt im
Vergleich zu einem Abriss.“ Remlinger rechnet „nicht vor 2028/29“ mit ein…
Wiedereröffnung des Schulstandorts.
Eine Frage sei auch, sagt die Stadträtin, die das Amt im Herbst 2021
übernommen hat, was aus den Investitionsplanungen der vergangenen Jahre
überhaupt realisiert werden könne. Da seien viele Investitionsmittel „nicht
mit einer Planung hinterlegt“, habe sie festgestellt. Das ist vor allem
auch deshalb schlecht, weil die [3][Senatsfinanzverwaltung bei jeder
Haushaltsaufstellung] schaut, wie viele Mittel tatsächlich abgerufen wurden
– und den Etat im Zweifel nach unten korrigiert.
Auch in anderen Bezirken sind langsame Baufortschritte ein Problem, heißt
es am Montag in einer Mitteilung der Linke-Fraktion in Marzahn-Hellersdorf.
Dort geht es eher um Grundschulstandorte. Eine Anfrage an das Schulamt habe
gezeigt, dass bei vielen Baumaßnahmen der Zeitplan nicht eingehalten werden
könne, sagt Fraktionschef Bjoern Tielebein. Man wünsche sich daher, „dass
das Bezirksamt klar artikuliert, an welchen Stellen es einen erhöhten
Bedarf sieht.“
Vater David M. aus Mitte protestierte noch am Telefon spontan, als er vom
Tiergarten-Gymnasium erfuhr: Die Schule in Moabit sei zu weit weg, zudem
habe sie „einen schlechten Ruf“. Die Sachbearbeiterin habe dann noch
„spontan“ einen Platz am Diesterweg-Gymnasium gefunden: „Gerade sei einer
frei geworden, das Kind gehe wohl auf eine Privatschule, hieß es.“ Für M.
zeigt das aber auch, wie viel Chancenungerechtigkeit in dem
Schulplatzmangel steckt: „Wer die Ressourcen hat und sich zu wehren weiß,
der hat Glück.“
Wann die vakante Stelle im Schulamt Mitte nachbesetzt wird, ist noch nicht
klar, sagt Remlinger. Sie bemühe sich um eine Abordnung aus einer anderen
Abteilung: „Es ist gerade ganz einfach die Entscheidung, ob die Mitarbeiter
ans Telefon gehen oder Akten bearbeiten – eins geht nur, sonst brechen wir
zusammen“, erklärt sie die schlechte Erreichbarkeit für besorgte Eltern
kurz vor den Ferien. Und der verzögerte Versand der Schulbescheide in
Mitte? Auslieferungsschwierigkeiten beim Zusteller, sagt Remlinger.
Zumindest dafür kann das Schulamt also mal nichts.
28 Jun 2022
## LINKS
[1] /Schulplatzmangel-spitzt-sich-zu/!5856621
[2] /Mehr-Geld-fuer-Bildung-im-Haushalt/!5853503
[3] /Kuerzungen-bei-Schulbau-befuerchtet/!5852435
## AUTOREN
Anna Klöpper
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