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# taz.de -- Geschlechterdebatte in Kroatien: Freiheit wird am Keks verteidigt
> Ein kroatischer Kekshersteller will die Gleichstellung von Frauen
> fördern. Eine Petition fordert nun Gerechtigkeit für Männer.
Bild: Hausfrau und Managerin steht auf der Kekspackung – und verursacht Aufre…
Ein Kekskrieg tobt in Kroatien. Eine Geschlechterdebatte, die wegen einer
Kekssorte ausgebrochen ist, regt die Nation so auf wie sonst nur das Recht
auf Abtreibung.
Denn in Kroatien trifft man nicht selten noch auf richtig ursprüngliche
Geschlechterbilder. Und auf echte Männer. Sie sitzen breitbeinig, egal wo,
kratzen sich am Sack, ziehen die Rotznase hoch, raunen; „Davon hast du
keine Ahnung“, wenn eine Frau was zum Thema sagt, und besaufen sich mit
anderen Männern bis zum Halleluja, während sie Frauen, die das Gleiche tun,
„Huren“ nennen.
[1][Ein Foto] des Großunternehmers und ehemaligen Bürgermeisters von Split,
Željko Kerum, das ihn während des Wahlkampfs im Jahr 2013 zeigt, steht
exemplarisch für diese ursprüngliche, wild-toxische Männlichkeit:
rotzbesoffen und breitbeinig im Trainingsanzug auf einem Stuhl sitzend, die
Sonnenbrille im Hemd steckend, vor der riesigen Plauze einen fast leeren
Plastikbecher Bier in der Hand haltend und eine Scheibe Räucherschinken auf
der Stirn klebend. Diese stinkende Mischung aus Schweiß, Korruption und
Lächerlichkeit wurde dutzendfach memisiert und wird bis heute belacht. Denn
freilich gibt es auch in Kroatien andere Männer.
Aber vor allem gibt es Frauen, die all diese Männer sehr gut kennen. Sie
wissen genau, wer nach Feierabend noch den Abwasch, die Wäsche, die
Toilette, die Kinder und alles andere, was mit Waschen, Putzen, Spülen und
Aufräumen zu tun hat, machen muss. Sehr viele dieser wilden Männer in
Kroatien sind Baustellenarbeiter, die hier „Bauštelac“ heißen. Zement
mischen und Etagen bauen gehört zur kroatischen Identität wie geräucherter
Schinken, die Mutter Gottes und „Domaćica“. Letzteres ist eine Kekssorte,
die es seit 1957 gibt und deren Name „Hausfrau“ bedeutet.
Die Hausfrau, ein einfacher sandig-pulvriger Keks mit einer mitteldicken
Schicht Milchschokolade überzogen, steht in jedem kroatischen Haushalt für
Gäste bereit. Und wenn Bauarbeiter Mittagessen im Supermarkt einkaufen
gehen, kaufen sie meist immer auch eine Packung Hausfrau.
Anfang Mai dieses Jahres hat der Hausfrauen-Keks eine neue Imagekampagne
gestartet. Auf den Packungen steht jetzt immer ein Zusatz: „Hausfrau und
Programmiererin“, „Hausfrau und Managerin“, „Hausfrau und
Krankenschwester“, „Hausfrau und Künstlerin“ oder „Hausfrau und
Rechtsanwältin“. Das Ziel der Keksfirma: „In der Öffentlichkeit ein
Bewusstsein schaffen für die Komplexität und Wichtigkeit der Tätigkeiten im
Haushalt“ und daran erinnern, „dass jedes Mitglied im Haushalt sich auch
um diesen kümmern muss“.
[2][Eine Petition fordert nun: Gerechtigkeit für Männer]. Die Keksfirma
Kraš solle eine Edition namens „Bauštelac“ herausbringen. Das sei kein
Sexismus, sondern die Anerkennung dessen, dass die „Hausfrau“ seit über 60
Jahren auf keiner kroatischen Baustelle gefehlt hätte. Es gibt auch schon
Motivvorschläge: Bohrmaschinen, Bagger und Betonmischer.
Die Antwort auf die Kampagne der Keksfirma sagt alles: Auch wenn Frauen in
Kroatien in vielen Fällen sogar besser verdienen als ihre Männer – waschen,
putzen, spülen und aufräumen bleibt weiterhin ihr Job. Der Kekskrieg ist
hier noch lange nicht zu Ende.
5 Jun 2022
## LINKS
[1] https://balkaninsight.com/2017/05/31/my-mayor-kerum-croatian-donald-trump-0…
[2] https://www.change.org/p/peticija-da-tvornica-kra%C5%A1-napravi-keks-naziva…
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Kroatien
Gleichberechtigung
Kekse
Kolumne Das bisschen Haushalt
Kolumne Geraschel
Kroatien
Musik
Upskirting
Schwerpunkt Klimawandel
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