# taz.de -- Affenpocken in Medienberichten: Vorsicht vor Vorurteilen | |
> Wegen Corona liegen die Nerven blank – und nun auch noch Affenpocken. | |
> Doch Medien müssen aufpassen, dass sie nicht in die Ressentiment-Falle | |
> tappen. | |
Bild: Hilft auch gut gegen Affenpocken: die Pockenimpfung | |
Ausgerechnet jetzt, wo die gemeldeten Coronazahlen sinken und kaum noch | |
staatliche Infektionsschutzmaßnahmen den Alltag beschränken, genau da | |
breitet sich offenbar die nächste Krankheit aus: [1][die Affenpocken]. Das | |
Bundesministerium für Gesundheit meldete am Montag den vierten Fall in | |
Deutschland. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtete am Wochenende, | |
ihr seien 92 bestätigte Fälle und 28 Verdachtsfälle in 12 Staaten gemeldet | |
worden. | |
Umso wichtiger, dass Journalist*innen angemessen über die Affenpocken | |
berichten. Denn im deutschen Kontext der [2][Covid-19-Pandemie], der | |
Hunderttausenden Long-Covid-Betroffenen, der Tausenden Toten und der | |
psychisch belastenden Coronamaßnahmen ist Angst vor der nächsten Pandemie | |
verständlich. Aber nach aktuellem Wissenstand ist sie unbegründet. Die | |
Krankheit verläuft milder als Corona und ist weniger ansteckend. | |
Es gilt, die Krankheit medial ernst zu nehmen, ohne Panik zu verbreiten und | |
vor allem: ohne Vorurteile gegen Gruppen zu bedienen. Das ist während | |
Corona passiert. Interessenverbände wie das UN-Programm gegen Aids oder der | |
Verband der Afrikanischen Auslandspresse FPA warnen zu Recht vor | |
rassistischen und homophoben Stereotypen in der Berichterstattung. | |
## Ein paar Fakten | |
Aktuell ist das Interesse an den Affenpocken groß, denn so viele Fälle | |
außerhalb des afrikanischen Kontinents gab es bisher noch nie. Es ist zwar | |
keine neuartige Krankheit, aber sie ist selten, es gibt noch wenige Daten. | |
Was wir aktuell für richtig oder gesichert halten, kann sich noch ändern. | |
Das hat es bereits. Dass sich Menschen gegenseitig in diesem Ausmaß | |
infizieren, war auch überraschend. Daher mal ein paar beruhigende Fakten: | |
Die Affenpocken wurden 1970 zum ersten Mal im Kongo nachgewiesen. In west- | |
und zentralafrikanischen Ländern kam es seitdem immer wieder zu | |
Ansteckungen – vermutlich übertragen vom Tier auf den Menschen. Das kann | |
passieren, wenn Menschen mit dem Blut, Gewebe oder den Ausscheidungen von | |
Tieren in Kontakt kommen. Bis zu drei Wochen können zwischen der Ansteckung | |
und dem Ausbruch der Symptome vergehen. Zu denen gehören dann Fieber, | |
Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Ein paar | |
Tage nach dem Fieber entstehen der Hautausschlag und die Pocken. Meist | |
breiten sie sich vom Gesicht auf Mundschleimhäute, Hände und Füße aus. Laut | |
ersten Berichten sollen sie auch im Genitalbereich auftreten. | |
Die Affenpocken verlaufen meistens mild und heilen in drei bis vier Wochen | |
von selbst ab. Völlig komplikationsfrei sind sie aber nicht: Offene | |
Hautläsionen können sich entzünden und mit Bakterien superinfizieren, wie | |
zum Beispiel die bekannte Virologin Sandra Ciesek auf Twitter warnt. | |
Dem ersten Patienten in Deutschland geht es den Umständen entsprechend gut. | |
Am Montag bestätigte die Münchener Klinik, in der er sich kuriert, sein | |
Zustand sei unverändert: „Der Mann hat mit leichten Schluckstörungen und | |
erhöhter Temperatur geringfügige Symptome. Die für die Erkrankung typischen | |
Pusteln lösen einen entsprechenden Juckreiz aus.“ Neue Medikamente gibt es | |
noch keine, allerdings wirkt die normale Pockenimpfung zu 85 Prozent | |
vorbeugend. Ob Kontaktpersonen sich nun diese Impfung holen sollten, das | |
debattieren Expert*innen noch. | |
Um sich bei anderen Menschen anzustecken, ist nach derzeitigen | |
Erkenntnissen ein direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder dem Schorf | |
der Affenpocken nötig. Auch über Atemwegssekrete ist eine Übertragung | |
möglich. Das RKI verweist zudem darauf, dass sich Menschen „auch im Rahmen | |
von sexuellen Handlungen“ infizieren können. „Aktuell scheinen die | |
Risikoexpositionen vorwiegend sexuelle Kontakte unter Männern zu sein“, | |
hieß es vom BMG. „Expositionsorte der in Deutschland bislang bekannt | |
gewordenen Fälle waren Partyveranstaltungen, unter anderem auf Gran Canaria | |
(Spanien) und in Berlin, bei denen es zu sexuellen Handlungen kam.“ | |
## Vorsicht in der Berichterstattung | |
Journalist*innen sollten aber vorsichtig sein, wenn sie platt darüber | |
berichten, Sex unter Männern mit Affenpocken in Verbindung zu bringen. Der | |
stellvertretende Direktor des UN-Aids-Projekts UNAIDS warnt davor, dass das | |
schnell in stigmatisierende Rhetorik umschlagen könnte. Neben den | |
generellen diskriminierenden Effekten könnte das die Betroffenen auch davon | |
abhalten, sich im Gesundheitssystem Hilfe zu suchen. | |
Dass Medien negative Vorurteile schüren können, verdeutlichte die | |
Coronapandemie. Rassismus gegenüber Menschen, die als asiatisch gelesen | |
werden, den gab es auch schon vorher. Aber mit dem Beginn der Pandemie | |
wurde es noch mal schlimmer. Ähnliches befürchtet die Vereinigung | |
afrikanischer Auslandspresse (FPA) nun für Schwarze Menschen. Denn Medien | |
nutzen aktuell Fotos von Schwarzen Menschen, um Affenpockenfälle in Europa | |
und Nordamerika zu bebildern. Das bediene Vorurteile, nach denen Schwarze | |
Unheil über andere bringen würden. „Wir verurteilen die Aufrechterhaltung | |
dieses negativen Klischees“, heißt es in der Mitteilung der FPA. Ihr | |
Gegenvorschlag: Krankenhäuser in den Regionen zeigen oder Mikroaufnahmen | |
des Virus selbst. | |
23 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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