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# taz.de -- Fotografien von Menschen mit Behinderung: Miranda auf der „Titani…
> Die Schau „ICONS“ in den Nordischen Botschaften Berlin zeigt Porträts von
> Menschen mit Trisomie 21. Das Setting sind ikonische Figuren der
> Popkultur.
Bild: Mit „Die Kriegerin“ ist dieses Porträt betitelt. Es zeigt Moa, die a…
Eine Kapelle mit geschwungenen Fenstern. Breite Stufen führen zu einem
Altar. Auf ihnen steht eine Braut, ganz in Weiß mit langem Schleier. Es ist
ein Bild, was man sofort zu kennen meint, weil man es schon häufig gesehen
hat. Natürlich zieht die Braut alle Blicke auf sich. Jenny hält einen
weißen Brautstrauß in der Hand, sie lächelt.
„Wer träumt nicht von der großen Liebe und vom Gang zum Altar?“, steht auf
dem Schild neben dem Foto. Und weiter: „Wird Jenny das jemals erleben?
Können Menschen mit Downsyndrom heiraten? Sollten sie es können?“
Es sind kleine Sätze, die in der Ausstellung „ICONS“ in den Nordischen
Botschaften in Berlin zum Nachdenken anregen. Warum werden auch 2022
Serien, die Menschen mit Behinderung zeigen, als „besonders progressiv“
gefeiert? Warum sind sie noch lange nicht alltäglich? Warum sind Menschen
mit Behinderung hauptsächlich auf Veranstaltungen sicht- und hörbar, wenn
es um Inklusion, Diversität und Teilhabe geht?
Sagt jemand etwas über „Jack und Kate auf der ‚Titanic‘ “, so sehen wo…
die meisten Menschen vor ihrem inneren Auge Kate Winslet mit ausgebreiteten
Armen, die von Leonardo DiCaprio umschlungen wird. Außerdem summt man für
den restlichen Tag Céline Dion. Kulturwissenschaftlich spricht man von
Medienikonen, wenn Bilder im kollektiven Gedächtnis eingeschrieben, berühmt
und kulturell prägend sind.
## Menschen mit Behinderung werden unsichtbar gemacht
Wer ist auf ihnen zu sehen? Wer nicht? In der Porträtreihe „ICONS“, die
erstmals 2016 in Schweden im Fotografiska in Stockholm präsentiert wurde,
steht Miranda mit ausgebreiteten Armen auf dem Deck der „Titanic“. Das Bild
wird begleitet von der Frage, was passiert wäre, wenn Miranda, die
ebenfalls mit Trisomie 21 geboren wurde, die Rolle von Kate Winslet
gespielt hätte.
Immer häufiger sieht man auf der Bühne und in Filmen
[1][Schauspieler*innen mit Downsyndrom.] Immer häufiger heißt aber
nicht gleich häufig. Im Februar dieses Jahres berichteten zahlreiche
internationale Medien über Sofía Jirau aus Puerto Rico, das erste
Victoria’s-Secret-Model mit Downsyndrom. Doch in der öffentlichen
Würdigung hält sich standhaft das Wort „trotz“. Statt über die Begabungen
auf der Bühne, dem Laufsteg oder im Sport zu berichten, wird hervorgehoben,
dass es die jeweiligen Personen „trotz“ ihrer Behinderung „geschafft
haben“.
Auch in der Ausstellung „ICONS“ erfährt man relativ wenig über die
schwedischen Models und ihre Lebensgeschichten. Die Menschen auf den
Bildern der High-Fashion-Fotografin Emma Svensson sind hervorragend in
Szene gesetzt, und die Individualität der Fotografierten wird trotz
Anlehnung an viele bekannte Motive – etwa Che Guevara – dargestellt. Die
ikonischen Bilder mit den aufwendigen Kostümen von Linda Sandberg und
Helena Andersson sind schön anzusehen.
Sucht man im Anschluss an die Ausstellung gezielt nach ihnen, kann man auch
durch einen Artikel der [2][schwedischen Zeitung Aftonbladet], die
Medienpartner der Ausstellung war, mehr über die Protagonist*innen
lesen. Doch besonders die Nennung der Models nur mit ihrem Vornamen
erinnert an Medienberichte, in denen Menschen mit Behinderung als unmündig
dargestellt werden und in denen es Fremdcharakterisierungen, etwa durch
nichtbehinderte Assistenzpersonen, gibt statt eigener Zitate.
## Mediale Verantwortung in der Berichterstattung
Wiederkehrende Sprachbilder in journalistischen Beiträgen gelangen in den
aktiven Sprachgebrauch einer Gesellschaft und prägen das Zusammenleben. Die
Verantwortung der Medien besonders in der Berichterstattung über
Minderheiten kann man daher nicht genug hervorheben.
Die schwedische Botschaft in Berlin nahm die Ausstellung „ICONS“ zum
Anlass, die häufig fehlende Diversität in der Berichterstattung mit
Medienschaffenden mit und ohne Behinderung zu diskutieren. Die
Journalistinnen [3][Andrea Schöne] und Laura Mench kritisierten dabei vor
allem, wie schwer es für Journalist*innen mit Behinderung ist, sich in
ihrem Berufsfeld durchzusetzen.
Neben meist schlecht bezahlten Praktika sehen sie Barrieren in
Bewerbungsprozessen und das Fehlen von inklusiven Ausbildungsplätzen an
Journalist*innenschulen als Hauptprobleme. „Ich will nicht immer nur
journalistisch angefragt werden, wenn es um Ableismus oder Inklusion geht“,
sagt Andrea Schöne, die viel über Feminismus und den Klimawandel
berichtet.
Auch herrsche immer noch, besonders in Film- und TV-Produktionen, die
redaktionelle Annahme, Rezipient*innen bräuchten für eine gelingende
Transferleistung Erklärungen und Hintergründe, wenn Menschen mit
Behinderung vorkommen. Die Konsequenz: Menschen mit Behinderung werden aus
alltäglichen Umfragen oder Berichten rausgeschnitten, unsichtbar gemacht.
Zu sehen sind sie, wenn es explizit um ihre Behinderung geht. René Schaar,
der stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte des NDR, sagt dazu: „Wir
müssen den Zuschauenden mehr zutrauen.“
23 May 2022
## LINKS
[1] /Inklusives-Theater-in-Berlin/!5789636
[2] https://deutrotningshotade.story.aftonbladet.se/chapter/english/
[3] /Studieren-in-Italien/!5358277
## AUTOREN
Linda Gerner
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