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# taz.de -- Bundestag debattiert über Sterbehilfe: Selbstbestimmt mit Würde
> Der Bundestag debattierte über Beihilfe zum Suizid. Die vorgestellten
> Gesetzentwürfe haben unterschiedliche Beratungskonzepte.
Bild: Im Oktober will sich der Bundestag für einen der Entwürfe entscheiden
Berlin taz | Jeder Mensch hat das Recht, selbstbestimmt über seinen Tod zu
entscheiden – so jedenfalls die Idee des Bundesverfassungsgerichts, als es
Anfang 2020 das damals geltende Verbot der Sterbehilfe [1][für
verfassungswidrig erklärt] hatte. Aufgrund der Bundestagswahl hatte es das
vorige Parlament nicht mehr geschafft, zu einer Entscheidung zu kommen.
Um die Folgeregelung zu klären, führt der Bundestag am Mittwoch eine
sogenannte Orientierungsdebatte durch und stellt drei Vorschläge vor. Alle
drei haben gemeinsam, dass eine Beratung vorab verpflichtend ist.
Die erste Gruppe verlangt mit ihrem Entwurf, die Beihilfe zum Suizid wieder
unter Strafe zu stellen. Eine Ausnahme soll gelten, wenn die sterbewillige
Person volljährig und einsichtsfähig ist und mindestens zwei psychiatrische
und psychotherapeutische Untersuchungen im Abstand von drei Monaten
durchgeführt hat. Außerdem sollen die Betroffenen mindestens ein
ergebnisoffenes [2][Beratungsgespräch] absolviert haben und die freie
Entscheidung ohne inneren oder äußeren Druck feststellbar sein. Zwischen
der abschließenden Untersuchung und der Selbsttötung soll es eine
„Wartefrist“ von mindestens zwei Wochen geben.
Zusätzlich soll es einen neuen Paragrafen 217a geben, der die „Werbung für
die Hilfe zur Selbsttötung“ unter Strafe stellt. Wer Sterbehilfe um „seines
Vermögensvorteils wegen“ oder „in grob anstößiger Weise“ anbietet, soll
sich demnach strafbar machen. Zu den Initiator:innen des Entwurfs
gehören Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten
Kappert-Gonther (Grüne), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP)
und Kathrin Vogler (Linke).
## Priorität liegt auf Selbstbestimmung
Zwei weitere Gesetzesvorschläge stellen das [3][Recht auf selbstbestimmten
Suizid] in den Vordergrund und lehnen eine neue strafrechtliche Regelung
ab.
Das Suizidhilfegesetz, entworfen von Katrin Helling-Plahr (FDP), Otto
Fricke (FDP), Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD), sieht ein breites
Beratungsangebot vor. Frühestens zehn Tage nach einer solchen Beratung soll
es Ärzt:innen möglich sein, [4][tödliche Medikamente] zur Selbsteinnahme
zu verabreichen.
Dabei müssen die Ärzt:innen von der „Dauerhaftigkeit und inneren
Festigkeit des Sterbewunsches“ ausgehen. Für die Durchführung plant der
Entwurf den Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen,
die Betroffene aufklären sollen. Bei diesem Vorschlag sollen alle, die „aus
autonom gebildetem freiem Willen [ihrem] Leben beenden möchte[n]“, das
Recht haben, „hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen“.
So erklärt Lindh, dass es „der falsche Weg“ sei, die Beihilfe zum Suizid
unter Strafe zu stellen. „Auch, wenn wir sie rational für falsch halten“,
müsse man die Debatte aus der Perspektive der Betroffenen und Helfenden
sehen. Das Spannungsverhältnis zwischen „Individuum und Gesellschaft“ müs…
die Gesellschaft zugunsten des Individuums aushalten, so der
SPD-Abgeordnete.
## Nur Ausgewählte dürfen Sterben
Ein weiterer Entwurf, verfasst von den Grünen Abgeordneten Renate Künast
und Katja Keul, trägt den Namen „Gesetz zum Schutz des Rechts auf
selbstbestimmtes Sterben“. Dieser Entwurf sieht zwei Wege zum assistierten
Suizid vor. Menschen in einer medizinischen Notlage können von ihrer
behandelnden Ärzt:in mit hinzuziehen einer weiteren Ärzt:in ein tödliches
Medikament „nach § 13 Absatz 1 Satz 1 des Betäubungsmittelgesetzes zum
Zwecke der Selbsttötung“ verschrieben bekommen.
Eine solche medizinische Notlage können schwere Leiden oder starke
Schmerzen sein. Sterbewillige, die sich nicht in einer medizinischen
Notlage befinden, sollen sich von einer unabhängigen Beratungsstelle
mindestens zwei Mal beraten lassen und eine Bescheinigung erhalten. Zudem
sollen Betroffene ihren Sterbewunsch samt Ursache, Dauerhaftigkeit sowie
Erklärung schriftlich formulieren.
Die Stiftung Patientenschutz sowie die evangelische Kirche kritisieren die
Vorschläge. Eugen Brysch von der Stiftung betont, dass durch eine solche
Beratung kein praktikabler Schutz vor Fremdbestimmung erzielt werden könne.
Die Kirche fordert indes, dass es ein Suizidpräventionsgesetz geben müsse,
damit es gar nicht erst zu suizidalen Gedanken kommen kann. Die Entwürfe
sollen noch vor der Sommerpause beraten werden. Die Anhörungen soll es nach
dem Sommer geben, damit im Oktober die Entscheidung getroffen werden kann.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie
können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111
oder 08 00/111 0 222 oder www.telefonseelsorge.de).
Aktualisiert am 19.05.2022 um 11:25 Uhr. Im Text hieß es zuvor
fälschlicherweise, dass der Gesetzentwurf der Grünen assistierten Suizid
ausschließlich für Menschen in einer medizinischen Notlage vorsieht.
Tatsächlich ist aber geplant, assistierten Suizid auch Menschen außerhalb
medizinischer Notlagen ermöglichen, allerdings nur unter bestimmten
Bedingungen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.
18 May 2022
## LINKS
[1] /Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5666846
[2] /Gesetzentwuerfe-zur-Sterbehilfe/!5768011
[3] /Grundsatzurteil-zu-Sterbehilfe/!5666895
[4] /Urteil-zu-Sterbehilfemedikament/!5749301
## AUTOREN
Shoko Bethke
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