# taz.de -- Planstadt des Rappers Akon in Senegal: Zukunft, die vielleicht nie … | |
> US-Rapper Akon will in Senegal eine futuristische Stadt namens Akon City | |
> errichten. Bis auf einen Grundstein ist allerdings noch nichts zu sehen. | |
Die Computergrafiken sind futuristisch: Verspiegelte Gebäude, die aussehen, | |
als ob sie zerschmelzen, ein Turm mit 68 Stockwerken, kleinere Bauten in | |
Wellenform mit riesigen Fensterfronten; andere Fenster wirken wie | |
überdimensionale, langgezogene Augen. Als Materialien sollen viel helles | |
Holz und Metall verarbeitet werden. Die wenigen Innenansichten versprechen | |
Luxus pur: große Hotelzimmer mit riesigen Betten, viel, aber nicht zu | |
gleißendes Sonnenlicht, ein verspieltes Interieur. | |
All das erinnert mehr an futuristische Poster mit fliegenden Autos, | |
Planeten und in Zimmer fließende Flüsse, die in den Jugendzimmern der | |
1980er und 1990er Jahre hingen, als an eine echte Stadt der Zukunft. Doch | |
genau die soll am nördlichen Rand des Dorfs Mbodiène, gut zwei Autostunden | |
südöstlich von Senegals Hauptstadt Dakar entstehen: [1][Der | |
US-amerikanische Sänger Akon], dessen Eltern aus Senegal stammen, will sich | |
mit Akon City sein ganz persönliches Denkmal setzen. | |
Zu sehen ist davon bisher aber nichts. Auf dem rund 500 Hektar großen | |
Gelände steht ein Wasserturm des Wasserversorgers Sones. In seinem Schatten | |
ist ein aus Holzplatten zusammengezimmerter Quader aufgestellt worden, auf | |
dem ein Stein liegt. Er erinnert an die Grundsteinlegung im August 2020. | |
Die dazugehörige Infotafel ist längst ausgeblichen. | |
In unmittelbarer Nähe haben Ousmane Sow, seine Frau und die beiden Kinder | |
im Januar zwei Hütten aufgebaut. Drumherum liegen gelbe Kanister, mit denen | |
Wasser geholt wird, ein Eselkarren steht vor dem Eingang. Ein paar bunte | |
Tücher werden in der Sonne getrocknet. Die Familie gehört der [2][Ethnie | |
der Peul] an und lebt bis heute halbnomadisch. Immer wieder baut sie für | |
ein paar Monate ihre Unterkunft aus Planen und Stroh auf, um dann später | |
weiterzuziehen. Die beiden Esel und ein paar Ziegen sind stets dabei. Dass | |
hier einmal Senegals modernste Stadt entstehen soll, davon hat der | |
25-Jährige längst gehört. „Klar spricht man darüber. Das ist doch ein gut… | |
Projekt, das Früchte tragen wird. Wenn es einmal fertig ist, möchte ich es | |
mir schon ansehen. In den Medien haben wir so viel darüber gehört.“ | |
Auf die Frage, ob er auch selbst einziehen möchte, lacht er. „Warum denn | |
nicht?“ Ernst genommen hat er die Frage allerdings nicht. Bei der | |
Vorstellung des Projekts Ende August 2020 und bei der Grundsteinlegung | |
sprach Akon, der mit vollem Namen Aliaune Damala Badara Akon Thiam heißt, | |
von einer Summe von 6 Milliarden US-Dollar, finanziert von amerikanischen | |
Investoren. Etwa eine Dekade soll es dauern, bis der Wohn-, Arbeits- und | |
Urlaubskomplex fertig ist. In welche Preiskategorien die Unterkünfte | |
fallen, geht aus der Website nicht hervor. Auf eine taz-Anfrage gibt es | |
keine Antwort. Doch für die große Mehrheit der Senegales*innen dürften | |
die Wohnungen unerschwinglich sein. | |
Die Weltbank schätzt, dass 2019 knapp 33 Prozent der fast 18 Millionen | |
Einwohner*innen unterhalb der Armutsgrenze lebten. In Mbodiène leben | |
rund 5.000 Menschen. Durch das Dorf führt eine einzige geteerte Straße. Die | |
übrigen engen Gassen sind Sandpisten. Der Ort hat eine Schule und eine | |
Moschee. An der Hauptstraße stehen ein paar kleine Läden, die Lebensmittel, | |
Ersatzteile für Mopeds und Guthaben für Handys verkaufen. | |
## Hoffnung auf Perspektive | |
Unter dem riesigen Baobab, der in der Nähe der Kirche steht, wurde schon | |
immer über die Belange des Dorfs und seine Zukunft debattiert. Joachim | |
Jean-Marc Diouf kennt es nicht anders. Er ist hier aufgewachsen und heute | |
Vizepräsident der Jugendvereinigung. Er gehört zu jenen, die den Ort noch | |
nicht verlassen haben. Viele andere Menschen, die längst in Dakar leben, | |
fahren höchstens am Wochenende ihre Familien besuchen. Dennoch bleibt ihr | |
Heimatort für sie auch ihr Zuhause, ein Ort, mit dem sie für immer eng | |
verbunden sind. | |
Mbodiène, beschreibt Diouf, sei friedlich und ruhig. Lagune und Küste sind | |
wunderschön, das Städtchen Saly etwas weiter nördlich ist ein beliebtes | |
Ausflugsziel. „Aber gerade für junge Menschen ist das Leben etwas | |
schwierig. [3][Es gibt keine Arbeit]“, sagt Diouf. Schon für die | |
weiterführende Ausbildung müssen viele nach M’bour, Thiès oder eben in die | |
Hauptstadt ziehen. Auch ohne den alltäglichen Stau rund um Dakar beträgt | |
die Fahrtzeit dorthin zwei Stunden. Die Landflucht ist allgegenwärtig. Vor | |
allem junge Menschen erhoffen sich bessere Perspektiven und | |
Verdienstmöglichkeiten in den Städten – und überhaupt eine Anstellung. | |
## Wenig Aussichten bei Jobvergabe | |
Akon City ist deshalb hochwillkommen – sofern Arbeitsplätze entstehen. Da | |
jedes Jahr rund 200.000 junge Menschen in Senegal auf den Arbeitsmarkt | |
drängen, werden vor allem Jobs dringend gebraucht. „Wir empfangen das | |
Projekt mit offenen Armen.“ Diouf fühlt sich geehrt, dass Sänger Akon | |
ausgerechnet Mbodiène ausgewählt hat. „Jeder Ort, jede Stadt, jedes Land | |
möchte eine solche Initiative haben.“ Dass Akon City dem Ort zu einer | |
besseren Zukunft verhilft, habe der US-Amerikaner schließlich versprochen. | |
Konkrete Zahlen gibt es allerdings nicht, und in ganz Westafrika lassen | |
sich Beispiele finden, dass die Bevölkerung vor Ort bei derartigen | |
Großprojekten letztendlich nicht bei der Jobvergabe berücksichtigt wird. | |
Einmal hat sich der Musiker selbst mit der Jugend getroffen. Joachim | |
Jean-Marc Diouf war dabei. Sogar an das Datum erinnert er sich noch: „Am | |
30. August 2020 ist Akon persönlich zu uns gekommen und hat mit allen | |
Gruppen gesprochen, mit den Jugendlichen, den Frauen. Die Pläne für die | |
Stadt hat er uns genau erklärt.“ Diouf hat sich damals geehrt gefühlt. „Er | |
ist ein Mann der Tat. Er ist entschlossen und hält an seinem Projekt | |
fest.“ | |
## Stadt mit Modellcharakter | |
Die neue Stadt soll nicht nur architektonisch außergewöhnlich sein, sondern | |
Modellcharakter haben. Entworfen wurde die Planstadt vom libanesischen | |
Architekten Hussein Bakri, der sein Büro in Dubai hat. In einem der wenigen | |
Interviews sagte Bakri: „Ich freue mich, mit Akon City etwas gestalten zu | |
können, das zur Entwicklung des Landes beiträgt.“ Laut aktueller Planung | |
liegen Wohn- und Arbeitsviertel dicht beieinander. Eine Schule soll ebenso | |
entstehen wie ein Krankenhaus. Sport- und Freizeitangebote, Grünflächen, | |
Bars, Restaurants und ein Einkaufszentrum runden Akon City ab. Auch besteht | |
die Hoffnung auf eine „Smart City“, also darauf, dass sich | |
Technologiefirmen und Forschungsinstitute ansiedeln. Ebenso soll das | |
African Village Urlauber*innen anziehen. | |
Bezahlen – so die Vorstellung – lässt sich all das mit Akons eigener | |
Kryptowährung Akoin; und das in einem Land, in dem die Mehrheit der | |
Erwachsenen nicht einmal über ein Konto verfügt. In Mbodiène baut Michel | |
Diome gerade sein Haus um. Der Dorfchef hat viel zu tun und möchte sich | |
eigentlich nicht zu Akon City äußern. Dann willigt er doch ein und | |
kritisiert: „Wir haben eine Kommission, die sich damit befasst. Mir fehlen | |
allerdings weitere Informationen darüber.“ Begeisterung klingt anders. | |
## Gerät das Leben aus den Fugen? | |
Auch im Dorf werden hinter vorgehaltener Hand Befürchtungen ausgesprochen, | |
die vor dem Mikrofon und mit Namen niemand nennen will. Sobald es | |
ausgeschaltet ist, heißt es: „Wir wissen nicht, wer kommt. Vielleicht | |
kommen viele junge Leute, die die ganze Zeit über nur Partys feiern wollen. | |
Vielleicht nimmt die Prostitution zu.“ Das ruhige Leben könnte aus den | |
Fugen geraten. | |
Bisher haben viele afrikanische Planstädte den gleichen Fehler gemacht und | |
die lokale Bevölkerung wenig oder gar nicht miteinbezogen. Mitunter gibt es | |
zwar Treffen und Gespräche. Entscheidungen werden aber anderswo und ohne | |
Rücksicht auf die Menschen vor Ort getroffen. Ein Beispiel dafür ist die | |
künstlich angelegten Halbinsel Eko Atlantic City direkt vor der | |
nigerianischen Hafenmetropole Lagos. [4][Umwelt- und | |
Küstenschützer*innen warnten lange] vor Projektbeginn vor den | |
möglicherweise gravierenden Folgen für die Küste. Zum erhofften boomenden | |
Stadtviertel ist es bisher nicht geworden. Straßen und Gebäude wurden zwar | |
gebaut, doch vieles steht leer. | |
## „Wir bleiben positiv“ | |
Der Run auf das neue Viertel blieb bisher aus. Die letzten Updates auf der | |
Website stammen aus dem Jahr 2019. Immerhin ist Eko Atlantic City damit | |
aber in der Megacity Lagos mit ihren 20 Millionen Einwohner*innen ein | |
Ort, an dem man morgens in Ruhe joggen und spazieren gehen kann: Verkehr | |
gibt es kaum. Das hatten sich die Entwickler*innen sicherlich anders | |
vorgestellt. | |
Auch über Akon City wird immer wieder gespöttelt, dass die Stadt lange vor | |
ihrem Bau schon wieder tot sei. Seit der Grundsteinlegung hat sich – | |
zumindest sichtbar – nichts mehr getan. Joachim Jean-Marc Diouf kennt die | |
Kritik. Über die Vermutung, dass die Stadt nicht weitergebaut werden | |
könnte, lacht er: „Nein, auf gar keinen Fall.“ Das Projekt habe Zukunft. | |
Durch die Coronapandemie habe es Verzögerungen gegeben. „Das ist doch | |
weltweit so gewesen. Nichts hat funktioniert.“ Die zurückgehenden | |
Fallzahlen und geöffneten Grenzen geben Hoffnung. „Wir bleiben positiv. | |
Bald wird alles losgehen.“ | |
12 May 2022 | |
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[3] /Senegal/!5763219/ | |
[4] https://www.dw.com/de/eko-atlantic-city-megaprojekt-auf-abwegen/a-43223787 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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