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# taz.de -- Hiphopper Akon über Obama: "Auch Verurteilte sind Bürger"
> Akon ist einer der erfolgreichsten US-Sänger: Er war im Knast und wurde
> damit berühmt. Ein Gespräch über Obama, das amerikanische Knastsystem und
> Fehler der Bürgerrechtler.
Bild: Wollte auswandern, falls McCain Präsident geworden wäre: Akon.
taz: Herr Akon, Anfang der Woche haben Sie einer englischen Zeitung gesagt,
Sie würden auswandern, wenn John McCain die Präsidentschaftswahlen gewinnen
würde. Sind Sie froh, dass Sie nicht gehen müssen?
Ich hatte schon alle Vorbereitungen getroffen.
Das soll ich glauben?
Das war mein Ernst. Ich war am Tag der Wahl in Dubai. Nur für den Fall der
Fälle. Um näher an Afrika zu sein (lacht). Aber ich bin beruhigt. Ganz
sicher. Es ist gut, dass Obama gewonnen hat. Viele Dinge werden sich jetzt
zum Besseren wenden.
Obamas Vater ist in Afrika geboren, genau wie Ihr Vater. Sie haben die
ersten Jahre Ihres Lebens im Senegal verbracht. Macht es einen Unterschied,
in den USA mit afrikanischem Background aufzuwachsen?
Ich bin mit sehr starkem afrikanischem Selbstbewusstsein erzogen worden.
Das war meinen Eltern wichtig. Ich sollte nicht vergessen, wo ich herkomme.
Ich spreche die Sprache. Das Afrikanische in uns sollte uns wichtig sein.
Wo immer ich hinkomme, das wird sich nicht ändern.
Zeichnet sich da ein neuer Begriff davon ab, was es heißt "schwarz" zu
sein?
Es ist immer eine Frage des individuellen Backgrounds. Die Hautfarbe als
solche ist nicht wichtig. Es gibt unterschiedliche Hintergründe. Deutsche
unterscheiden sich von anderen Europäern. Afrikaner unterscheiden sich
deutlich von Afroamerikanern. Afroamerikaner haben oft keine Idee, wo sie
herkommen. Sie haben oft nichts über ihre Geschichte gelernt. Sie haben
Geschichte von Leuten gelernt, die einige Kapitel am liebsten verstecken
würden.
Obama ist Präsident, aber Sie durften ihn nicht wählen.
Richtig. Wegen meiner Verurteilung. Wobei sich dieses Jahr einiges geändert
hat, viele Leute konnten wählen, weil einige Regeln geändert wurde, die
bestimmten, wie lange eine Verurteilung zurückliegen muss, damit man wieder
wählen darf. Das hat Obama geholfen. Die Minderheiten leben näher am
Gefängnis. Die meisten Taten sind ja eh nur Kleinigkeiten. Auch Verurteilte
sind Bürger. Sie sollten das Recht haben, zu wählen.
Sie haben eine Klamottenfirma, die "Konvict" heißt, Ihre Plattenfirma heißt
"Konvict". Warum?
Viele Leute hören das Wort Konvict und denken, das ist eine negative
Bezeichnung. In meinem Fall war es ein Segen. Wäre ich nicht im Gefängnis
gelandet, hätte ich niemals "Locked Up" geschrieben, das Stück, mit dem ich
berühmt geworden bin. Das hat mich in die Position gebracht, in der ich
jetzt bin. Die Gefängniserfahrung hat mir die Augen geöffnet. Ich hätte so
weitermachen und wieder im Gefängnis landen können oder nicht.
Sie wollen das Stigma umdrehen?
Jeder macht Fehler. Du solltest niemanden nach seiner Vergangenheit
beurteilen. Leute lernen aus ihren Fehlern. Gerade die Fehler machen
Menschen wertvoll.
Ist das nur symbolisch oder stellen Sie auch Leute ein, die im Knast waren?
Fünfundachtzig Prozent der Leute, die für mich arbeiten, sind Exhäftlinge.
Deshalb bin ich einer der erfolgreichsten Künstler im amerikanischen
Musikgeschäft: ich stelle Leute an, die woanders keine zweite Chance
bekommen hätten. Die arbeiten härter als andere. Sie wollen sich und dem
Rest der Gesellschaft etwas beweisen.
"Freedom", der Titelsong Ihres neuen Albums, beginnt mit dem Umzug Ihrer
Familie aus Afrika in die USA. Damit beginnt die Freiheit.
Sicher. Das ist autobiografisch. Das ist meine Lebensgeschichte in drei
Minuten.
Interessanterweise ist das ja eine echte Reise. Oft ist Afrika im
amerikanischen Pop ein fiktionaler Ort, eine Fantasie.
Das stimmt. Das hat viel mit Ängsten zu tun. Viele Künstler stellen sich
Afrika lieber vor als rüberzufahren und es sich anzuschauen. Dabei kann es
sich jeder leisten, mal rüberzufliegen. Von New York nach L. A. ist es
genauso weit wie von New York nach Afrika. Sechs Stunden. Derselbe Preis.
Es gibt keinen vernünftigen Grund. Der einzige Grund ist, dass die Leute
Angst haben, die Angst vorm Unbekannten. Man weiß nicht, was einen erwartet
(macht schwarzen Slang nach): "Africa, oh man, I dont know about Africa."
Wenn Sie einen Wunsch hätten, was sollte der neue US-Präsident als Erstes
ändern?
Das Grenzregime muss verändert werden. Ich weiß, dass das nicht von heute
auf morgen geht, dass das ein gradueller Prozess sein wird. Aber ich kann
nicht akzeptieren, dass nicht jeder Mensch sich frei bewegen kann. Visa,
Papiere - das muss alles weg. Man sollte frei sein, die Welt zu erkunden.
Sie gehört uns.
Die meisten Amerikaner dürften andere Wünsche auf dem Zettel haben. Die
Wirtschaft, der Krieg - viele Bürgerrechtler dürften sicher darauf drängen,
dass die Geschichte aufgearbeitet wird. Dass das historische Unrecht der
Sklaverei wieder gutgemacht werden sollte.
Das ist totaler Quatsch. Genau wegen solcher Sätze sind die Leute bitter
und bleiben bitter. Es ist passiert. Wir können es nicht ungeschehen
machen. Wir können aber auch keine Entschädigung erwarten. Sie wird nicht
kommen. Wir sind frei! Was wollen wir mehr? Wir sind frei. Wir können tun
und lassen, was wir wollen. Wir müssen die Vergangenheit vergessen und uns
auf die Zukunft konzentrieren.
Ich meine, Sie sind Deutscher. Ich kann den ganzen Tag Hitler hassen, und
es hat trotzdem nichts mit Ihnen zu tun. Ja, es gab einen Genozid in
Afrika, an dem die damaligen afrikanischen Führer im Übrigen nicht
unbeteiligt waren. Viele Menschen sind getötet und Völker vernichtet
worden. Aber wir können daran nichts mehr ändern. Was wir machen können,
ist die Zukunft verändern.
Sollen wir unseren Kindern den ganzen Tag eintrichtern, wie übel alles vor
hundert Jahren war, damit sie bitter werden? Nein! Wir müssen uns
zusammentun und nach vorne blicken. Wir müssen diese Dinge hinter uns
lassen. Wer sich nach vorne bewegen will, muss die Vergangenheit hinter
sich lassen, sie vergessen.
Sie glauben wirklich, dass man die Vergangenheit vergessen muss, um
weiterzukommen? Heißt es normalerweise nicht, dass, wer die Vergangenheit
vergisst, verdammt ist, sie zu wiederholen?
Wie soll es weitergehen? Sollen wir rumlaufen und alle Weißen für die
Sklaverei verantwortlich machen? Das ist doch albern. Diejenigen, die diese
Dinge veranlasst haben, die werden sich vor dem Jüngsten Gericht dafür
verantworten müssen. Aber wir können doch nicht heute Leute für Fehler
richten, die Leute von gestern begangen haben. Das war eine andere
Zeitzone.
Sie haben im Gefängnis gesessen. Die Mehrheit der Gefangenen ist schwarz
oder hispanischer Herkunft. Es gibt immer noch Rassismus.
Absolut. Das ist so. Die Minderheiten füllen das Gefängnissystem. Wir
müssen mit weniger Nachsicht rechnen. So ist das System. Damit müssen wir
umgehen. Wir müssen Wege finden, da rauszukommen. Wir müssen härter
arbeiten. So wie wir es schon immer gemacht haben. Wir dürfen nicht in
Schwierigkeiten geraten, weil wir dann mit weniger Milde behandelt werden
als andere, die das gleiche Verbrechen begangen haben.
Also: am besten gar kein Verbrechen begehen. Ganz einfach. Und sicher:
Viele sitzen auch unschuldig. Leute brauchen besseren rechtlichen Schutz.
Dafür muss man kämpfen. Aber die Dinge ändern sich. Change is happening.
Der Schlüssel ist Geduld.
8 Nov 2008
## AUTOREN
Tobias Rapp
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
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