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# taz.de -- Mastanlage im Kreis Oldenburg gestoppt: Gericht zerlegt Hühnerschi…
> Die Klage gegen eine Hähnchenmastanlage im Kreis Oldenburg ist
> erfolgreich. Die Baugenehmigung war unrechtmäßig, urteilt das OVG.
Bild: Steht einen Großteil seines Lebens auf dem eigenen Kot: Masthähnchen in…
Göttingen taz | Die Betreiber von Hähnchenmastanlagen in Niedersachsen
spüren derzeit viel Widerstand: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des
Bundeslandes hat jetzt den Betrieb einer solchen Anlage für 30.000 Tiere in
Amelhausen im Kreis Oldenburg gestoppt. Und auch in den Landkreisen Celle
und Gifhorn sehen Umweltschützer gute Chancen, den Bau von
Hähnchenmastfabriken zu verhindern.
Der Streit um den Stall in Amelhausen währt schon acht Jahre. Die
Baugenehmigung lag seit September 2014 vor, im Mai 2017 begannen die
Bauarbeiten. Anfang März 2018 nahm Kreislandwirt Jürgen Seeger die Anlage
in Betrieb. Weil Belange des Natur- und Umweltschutzes außen vor geblieben
seien und insbesondere das benachbarte [1][Fauna-Flora-Habitat-Gebiet]
Poggenpohlsmoor durch den Maststall beeinträchtigt werde, klagte der
Naturschutzbund (Nabu) beim Verwaltungsgericht Oldenburg.
Dieses wies den Eilantrag des Nabu zunächst zurück. Vor dem [2][OVG hatte
der Verband dann aber Erfolg:] Das Gericht bestätigte die vorgebrachten
Beschwerden und stellte klar, dass allein die Bodenversiegelung zu einer
Beeinträchtigung des Naturschutzes und damit zur Unzulässigkeit des
Vorhabens führe.
Dessen ungeachtet erteilte der Kreis Oldenburg im März 2020 eine sogenannte
Nachtragsbaugenehmigung. Damit bescheinigte die Behörde dem ohne
rechtskräftige Erlaubnis und auf eigenes Risiko errichteten Bau eine
landwirtschaftliche Privilegierung – und eröffnete dem Betreiber die
Möglichkeit, beim Verwaltungsgericht Oldenburg die Inbetriebnahme zu
beantragen. Trotz erheblicher Einwände des Nabu und des Bündnisses für
Mensch, Umwelt und Tier erlaubte das Gericht im vergangenen September den
Weiterbetrieb.
Mit seinem Ende April veröffentlichten Beschluss stellte das OVG nun die
Unrechtmäßigkeit der Nachtragsbaugenehmigung fest und entzog dem
[3][Maststall] erneut die Genehmigungsgrundlage. Nach Auffassung der
Oberverwaltungsrichter ist die Änderung der Privilegierungsgrundlage von
einer gewerblichen auf eine landwirtschaftliche Privilegierung nicht im
Rahmen einer Nachtragsbaugenehmigung möglich, sondern erfordert ein ganz
neues Genehmigungsverfahren.
Nach Angaben des Berliner Fachanwalts Ulrich Werner, der den Nabu in dem
Verfahren vertritt, hatte das OVG zudem erhebliche Bedenken an der
Vereinbarkeit der Intensivtierhaltungsanlage mit dem Natur-, Tierschutz-
und Brandrecht.
Uwe Behrens, der selbst in Amelhausen wohnt und Sprecher des Bündnisses für
Mensch, Umwelt und Tier ist, kann sich über den juristischen Erfolg
allerdings nur bedingt freuen. „Es ist inakzeptabel, dass Umweltverbände
und Bürgerinitiativen regelmäßig viel Zeit und erhebliche finanzielle
Mittel für gerichtliche Kontrollen aufbringen müssen, um durch behördliche
Fehlentscheidungen verursachte Gefahren von Mensch, Umwelt und Tier
abzuwenden“, sagt er.
Unterdessen machen Umweltschützer auch gegen geplante Hähnchenmastanlagen
in Beedenbostel (Kreis Celle) und Brome (Kreis Gifhorn) mobil. In
Beedenbostel ist der Bau von zwei Ställen mit jeweils 60.000 Tierplätzen
vorgesehen, in Brome sollen drei gleich große Anlagen errichtet werden. Der
[4][Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz] (LBU) hat gegen diese
Ställe jetzt beim Kreis Gifhorn Einwendungen eingereicht. Ansatzpunkte
seien fehlende und fehlerhafte Annahmen über Betriebsflächen, Immissionen,
Zuwegung und Brandschutz, sagt Eckehard Niemann vom LBU.
Nach seinen Worten leiden in solchen agrarindustriellen Anlagen die
„turbomast-qualgezüchteten Tiere“ unter Skelett- und Kreislaufschäden. Es
stünden etwa 20 Hähnchen auf nur einem Quadratmeter, somit während eines
großen Teils der Mastzeit auf ihrem eigenen Kot. Ihren natürlichen
Bedürfnissen wie Laufen, Picken, Scharren oder Sandbaden könnten die Vögel
nicht nachgehen, viele erreichten nicht einmal mehr die Futter- und
Wasserspender und verendeten.
## Verheerende Stallbrände
Der mit [5][dieser Art von Tierhaltung] systematisch verbundene Einsatz von
Antibiotika und die Bildung von multiresistenten Keimen bedroht laut LBU
zudem die Gesundheit vieler Menschen. Die an Feinstaub und Ammoniak
gebundenen Keime aus den Anlagen gefährdeten auch weiträumig die Anwohner.
In den Einwendungen gegen die Bromer Ställe beanstandet der LBU auch die
Zuwege wegen nicht ausreichender Tragfähigkeit – die geringe Breite von nur
drei Metern erlaube im Brandfall keinen Begegnungs- und Ausweichverkehr.
Ohnehin sei bei diesen Anlagen der Brandschutz nicht ausreichend. Die
Agrarminister des Bundes und der Länder hätten erst jüngst nach den vielen
Stallbränden und dem katastrophalen Verbrennen von 50.000 Schweinen in
Alt-Tellin in Mecklenburg-Vorpommern deutlich schärfere
Brandschutz-Anforderungen bei Genehmigungen gefordert; unter anderem
feuerfeste Zwischenwände in den Ställen.
Bei der in Brome geplanten Anlage, so der LBU, seien die Abstände zwischen
den mehr als 100 Meter langen Ställen so schmal, dass Feuerwehren nicht
dazwischenkämen und Tiere nicht entweichen könnten.
12 May 2022
## LINKS
[1] /Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie/!t5015166
[2] /Gericht-stoppt-Haehnchenmastbetrieb/!5533555
[3] /Mastbetriebe/!t5012642
[4] http://www.lbu-niedersachsen.de/
[5] /Massentierhaltung/!t5007834
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Niedersachsen
Oldenburg
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Stall
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Tierschutzbund
Landwirtschaft
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