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# taz.de -- Stallbrände in Norddeutschland: Die gesengte Sau
> Offizielle Stellen erfassen nicht, wie oft es in Niedersachsen und
> Schleswig-Holstein zu Stallbränden kommt. Die Opposition fordert
> schärfere Regeln.
Bild: Erst gelöscht, dann vergessen? Stallbrand im Emsland im April 2020
Osnabrück taz | Der Verein für Nutztierschutz „Pro Vieh“ hat den geplanten
Ausbau einer Schweinezucht und -mastanlage auf der Insel Fehmarn
kritisiert. Der Landwirt Falk Voß-Hagen will dort seine Sauenplätze von 900
auf 1.800 verdoppeln und seinen anderen Betriebsteil auf bis zu 13.000
Mastschweine erweitern.
Den Tierschützern graut es bei der Vorstellung: Das Brandschutzsystem sei
„aus Sicht von Fachleuten unzureichend“, sagt [1][Pro Vieh], eine
Brandmeldeanlage werde laut Bauantrag als nicht erforderlich angesehen.
Voß-Hagen, von der taz um Kommentierung gebeten, schweigt.
Dabei ist Brandschutz in Ställen [2][kein Nischenthema]. Rund alle zwei
Stunden geht in Deutschland ein Tierstall in Flammen auf, rein rechnerisch.
5.000 Brände erfasst der Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft (GDV), Berlin, pro Jahr. „Ein großes Problem sind
dabei korrosive Gase wie Ammoniak, die von den Tieren ausgestoßen werden“,
sagt ein Sprecher des GDV. „Sie können Bauteile der Elektroinstallation
angreifen, „wodurch Brände etwa aufgrund von Kurzschlüssen entstehen
können“. Bislang sei häufig nicht festgelegt, wie oft die Inhaber der
Ställe ihre Anlagen prüfen lassen müssen.
Der GDV plädiert für kleinere [3][Ställe]. „Rein brandschutztechnisch wird
es nicht zu schaffen sein, jedes Tierleben zu schützen“, schränkt er ein.
Es sei aber „eine Debatte nötig, wie viel Verlust gesellschaftlich
akzeptabel ist und welche Brandschutzmaßnahmen dafür notwendig sind“.
Auch Stefan Stein vom [4][Tierschutz]-„Team Stallbrände“ hat Zahlen in
„horrenden Dimensionen“ zusammengetragen: Allein 2021 seien knapp 153.000
Tiere getötet und 433 Menschen verletzt oder getötet worden, schreibt er in
einem offenen Brief an die Politik.
Die Frühjahrs-Agrarministerkonferenz (AMK) hat Anfang April einen Bericht
„begrüßt“, der sich mit Brandvorbeugung, Brandbekämpfung und Tierrettung
befasst, das Thema aber im Übrigen auf den Herbst vertagt. Die Bau- und
Innenministerkonferenz sei zu fragen, ob ein präventiver Brandschutz
bundesrechtlich geregelt werden könne.
Bund und Länder schöben sich gegenseitig die Verantwortung zu, kritisiert
Claudia Preuß-Ueberschär, Sprecherin des [5][Tierschutznetzwerks „Kräfte
bündeln“]. Das Netzwerk fordert, „angesichts des schleppenden Prozesses bis
zur gesetzlichen Festschreibung von Brandschutz- und Havariekonzepten einen
sofortigen Bau- und Genehmigungsstopp für agrarindustrielle
Tierhaltungsanlagen“.
Wer fragt, wie oft es in Norddeutschlands Ställen brennt, wie viele Tiere
dabei sterben und was die Brände verursacht, stößt schnell an Grenzen –
auch in Schleswig-Holstein. „Für das Thema ‚Brandschutz‘ ist das
Innenministerium zuständig“, bescheidet Jana Ohlhoff, Sprecherin des
Landwirtschaftsministeriums.
Doch dort ist nichts zu holen. „Daten zu Stallbränden werden nicht zentral
erfasst“, sagt Tim Radtke, Sprecher des Innenministeriums. Auch Christian
Böse, Sprecher des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein,
teilt mit, dass „keine Daten zum Thema Brände, Brandursachen o.ä. erfasst
werden“. Er empfehle, die Feuerwehr zu fragen.
Ähnlich in Niedersachsen: Man möge sich an das Landeskriminalamt (LKA)
wenden, sagt Alexandra Schönfeld, Sprecherin des
Landwirtschaftsministeriums. Konkrete Fallzahlen können auch die
LKA-Sprecher Simon Ebbertz und Philipp Hasse nicht bieten. Die Zahlen für
Brände von „Ställen, Scheunen oder Schuppen“ lägen seit 2018 „jeweils …
unteren dreistelligen Bereich“ – erfasst ist hier aber nur strafrechtlich
Relevantes, kein technischer Defekt. Zu geschädigten oder getöteten Tieren
gebe es bei der Vorgangserfassung kein Pflichtfeld. Die Zahl der
fahrlässigen Brandstiftungen habe seit 2018 „durchgehend im mittleren
zweistelligen Bereich“ gelegen, die der vorsätzlichen 2018 bis 2020 „im
niedrigen dreistelligen“.
## Grüne in Niedersachsen frustriert
Niedersachsens Landesamt für Statistik muss gleich ganz passen. Daten zu
Stallbränden würden „leider nicht erhoben“, sagt Sprecherin Konstanze Ute…
Möglicherweise könne das Innenministerium weiterhelfen, die Bundespolizei.
Stall-Brandschutz ist in Niedersachsen und Schleswig-Holstein kein
rechtsfreier Raum, von der Landesbauordnung bis zur
Nutztierhaltungsverordnung. Die Opposition sieht allerdings
Schärfungsbedarf.
Miriam Staudte, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im von CDU und SPD
beherrschten Landtag Niedersachsen, zeigt sich auf taz-Anfrage frustriert,
dass „unser Antrag zu Stallbränden in dieser Wahlperiode nicht mehr
beschlossen wird“.
## Tierschutzrecht lückenhaft
Der Antrag ist schon von Mitte 2021. Einer seiner zentralen Sätze: „Die
häufigen und oftmals verheerenden Brände in großen Tierhaltungsanlagen
zeigen die erheblichen Schwierigkeiten dieser Anlagen mit Blick auf
bauliche und präventive Brandschutzvorkehrungen auf.“
Die Liste der Forderungen der Grünen ist lang: von automatischen
Brandmeldeanlagen mit Rufweiterleitung an die Einsatzleitstelle über die
erhöhte Feuerwiderstandsdauer für alle tragenden und aussteifenden Bauteile
bis zu automatisch auslösenden Fluchttüren und zur Prüfung aller
elektrischen Anlagen durch Sachverständige alle zwei Jahre.
Auch Sandra Redmann, landwirtschaftspolitische Sprecherin der
Landtagsfraktion der SPD im durch CDU und Grüne geführten
Schleswig-Holstein, sieht Handlungsbedarf: „Leider fehlen im geltenden
Tierschutzrecht hinreichend konkrete Anforderungen zu
Sicherheitsvorkehrungen im Falle technischer Störungen und im Brandfall“,
sagt sie. „Zudem verhindert die Bauweise großer Ställe oft die Rettung von
Tieren.“
17 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.provieh.de/
[2] /Braende-in-Tierstaellen/!5786490
[3] /Staelle/!t5345143
[4] /Tierschutz/!t5008147
[5] https://www.tierschutznetzwerk-kraefte-buendeln.de/
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Stall
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Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Nutztiere
Landtagswahl in Niedersachsen
Niedersachsen
Tierschutz
Tierschützer
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