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# taz.de -- Klage gegen Groß-Hühnerställe: Schöne Zahlen für Mäster
> Der Umweltverband BUND klagt gegen die Genehmigung zweier großer Ställe
> in Niedersachsen: Die Investoren hätten nicht genug Land, um Futter zu
> produzieren.
Bild: Wer viele hält, muss auch viel Futter beibringen: Masthähnchen im Ställ
Hamburg taz | Gegen zwei Hähnchenmastanlagen für jeweils fast 40.000 Tiere
im niedersächsischen Landkreis Rotenburg [1][hat der BUND Niedersachsen
Klage eingereicht]. Der Umweltverband kritisiert insbesondere ein Gutachten
der Landwirtschaftskammer: Es hatte einem Landwirt in Zeven bescheinigt,
ausreichend Futter für die Tiere in dem Betrieb selbst anbauen zu können.
Das ist die Voraussetzung für die Genehmigung der Ställe.
Der BUND wirft der Landwirtschaftskammer – einer Körperschaft öffentlichen
Rechts wie etwa die Handwerkskammer – vor, bei der Berechnung dieser
„Futtergrundlage“ zu großzügig vorzugehen. „Zeven ist kein Einzelfall�…
kritisiert der BUND-Landesvorsitzende Heiner Baumgarten. „Hier wird bewusst
schöngerechnet.“ In Niedersachsen würden auf dieser Basis möglicherweise
Hunderte von Ställen zu Unrecht im Außenbereich – außerhalb der Dörfer –
genehmigt.
Problem Nährstoffüberschüsse
Dem BUND geht es darum, die Umweltverschmutzung durch die Riesenställe zu
begrenzen: Die Nährstoffüberschüsse aus Massentierhaltungen belasten
Grundwasser und Flüsse. „Die Konzentration von Tierplätzen in einem Stall
bringt auch konzentrierte Auswirkungen von Feinstaub, Keimen, Geruch,
Ammoniak- und Stickstoffdepositionen für Anwohner und Umwelt mit sich“,
warnte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) schon vor
zwei Jahren mit Blick auf die Gutachten der Landwirtschaftskammer. Das im
Zuge der Stickstoffdüngung in den Boden gelangende Nitrat reichert sich im
Grundwasser an, was die Trinkwasserversorgung schwierig macht.
Bei der [2][Novelle des Baugesetzbuchs 2013] hat der Bundestag deshalb
maximale Tierzahlen für die Ställe festgelegt. So sind Ställe, in denen
mehr als 30.000 Masthähnchen, 600 Rinder oder 4.500 Schweine gehalten
werden sollen, außerhalb eines Dorfes nur noch zulässig, wenn sie eine
ausreichende Futtergrundlage haben.
Das bedeutet laut Baugesetzbuch, dass „das Futter überwiegend auf den zum
landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten
Flächen“ erzeugt werden muss – oder zumindest werden kann. Darüber, wie d…
auszulegen ist, haben der BUND und die AbL auf der einen und die
Landwirtschaftskammer auf der anderen Seite unterschiedliche Auffassungen.
Falsche Futterpflanzen
„Das Futter muss für die jeweilige Tierart geeignet sein“, sagt BUND-Chef
Baumgarten. Dieser Grundsatz sei in Zeven nicht beachtet worden. Die Kammer
habe Silomais als Futter angesetzt, der sich zwar für Rindermast und
Biogasanlagen eigne, nicht aber für Hähnchen. Die errechnete eigene
Futtergrundlage, nach der 52 Prozent des benötigten Hähnchenfutters von dem
Hof selbst erzeugt werden könne, sei deshalb falsch.
Dabei richte sich die Landwirtschaftskammer nicht einmal nach ihren eigenen
Fütterungsempfehlungen für die Hähnchenmast, kritisierte der BUND, sondern
setze den Anteil des sehr energiereichen Mais besonders hoch an. „Da die
Getreidebestandteile nicht nach Gewicht, sondern nach Energiegehalt in die
Berechnung einfließen, ist es für den Landwirt ein Leichtes, auf dem Papier
die erforderlichen Futterwerte zu erreichen“, erläutert Manfred Radtke vom
BUND Rotenburg.
Nach geltendem Recht komme es „nicht darauf an, ob die gehaltenen Tiere
tatsächlich mit überwiegend selbst erzeugten Produkten gefüttert werden“,
rechtfertigt sich die Landwirtschaftskammer. Vielmehr reiche es aus, dass
das erzeugte Futter theoretisch unmittelbar an Nutztiere verfüttert werden
könne. Es tatsächlich im Stall zu verwenden, verlange das Gesetz nicht. Im
übrigen sei es „gängige Praxis, dass die Betriebe das Futter produzieren,
das auf ihren Böden am besten anzubauen“ ist, sie dieses vermarkten und mit
den Erlös einen zu ihrem Tierbestand passenden Futtermix kaufen.
Der BUND befürchtet, dass diese Sichtweise rechtlich im Grunde unzulässige
Großstallbauten über eine Hintertür dennoch ermöglicht. „Das Ziel muss ei…
bodengebundene, artgerechte, bäuerliche Tierhaltung sein, bei der das
Futter überwiegend auf den Flächen des Betriebes selbst erzeugt wird und
Wirtschaftsdünger ohne Nährstoffüberschüsse auf diesen Flächen ausgebracht
wird“, fordert Baumgarten. Da die Berechnung der Futtergrundlagen in den
Bundesländern nicht einheitlich geregelt seien, habe die Klage des BUND
Niedersachsen grundsätzliche Bedeutung.
31 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.bund-niedersachsen.de/service/presse/detail/news/schoengerechne…
[2] https://www.bmel.de/DE/Laendliche-Raeume/04_Flaechennutzung/_texte/Baugeset…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Landwirtschaft
Umweltschutz
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