# taz.de -- Vor den Parlamentswahlen in Frankreich: Linkes Bündnis gegen Macron | |
> Frankreichs Linksparteien haben eine Allianz geschmiedet, um im Juni die | |
> Nationalversammlung zu erobern. Doch bei den Sozialisten regt sich | |
> Widerstand. | |
Bild: War schon im Wahlkampf um das Präsidentenamt der Star vieler Linken: Pop… | |
PARIS taz | Zwei Wochen nach der [1][Endrunde der Präsidentschaftswahlen] | |
haben sich Frankreichs Linksparteien zusammengerauft – und sich auf eine | |
gemeinsame politische Plattform und Kandidaturen bei den | |
[2][Parlamentswahlen im Juni] geeinigt. | |
Zuerst fanden am Montag die Linkspartei La France insoumise (LFI) von | |
Jean-Luc Mélenchon und die Grünen (EELV) zusammen. Dann schlossen sich am | |
Dienstag nach einem Verhandlungsmarathon die Kommunisten (PCF) und zuletzt | |
die Sozialisten (PS) dieser „Nouvelle Union Populaire, Ecologique et | |
Sociale“ (NUPES) an. Auch kleinere Organisationen wie Génération*s, | |
eine Abspaltung des linken PS-Flügels, wollen dabei sein. | |
Bei den Präsidentschaftswahlen hatten die linken Parteien herbe Verluste | |
einstecken müssen. Einzig [3][Mélenchon von der LFI] konnte als | |
Drittplatzierter hinter Marine Le Pen Erfolge feiern. Dieses Ergebnis hat | |
die [4][gespaltenen Linksparteien] zur Einsicht gebracht, dass sie mehr | |
verbindet als trennt. | |
In kürzester Zeit haben sie einen gemeinsamen Nenner gefunden, der von LFI | |
bereits als „historisch“ gefeiert wird: Zusammen streben sie die Senkung | |
des Rentenalters auf 60 Jahre an, die Erhöhung des gesetzlichen | |
Mindestlohns auf monatlich 1.400 Euro Netto, Festpreise für | |
Grundnahrungsmittel und andere Konsumgüter zum Schutz gegen Teuerung, einen | |
[5][Stopp der Atomenergie] und ein „Prinzip des Ungehorsams“ bezüglich | |
EU-Regeln wie der Haushaltsdisziplin. | |
## Feilschen mit den Sozialisten | |
Historisch ist auch der Bezug auf das sogenannte Programme commun, auf das | |
sich 1972 Sozialisten und Kommunisten geeinigt und damit den Grundstein für | |
die Wahl von François Mitterrand 1981 zum Präsidenten gelegt hatten. | |
PCF-Chef Fabien Roussel betonte hingegen, bei der Allianz handle es sich | |
mehr um eine Koalition und nicht um ein Einheitsprogramm, da jede der | |
Parteien ihre politische Selbständigkeit behalte. | |
Schwieriger als die Verhandlungen um eine programmatische Basis gestalteten | |
sich angeblich die Diskussionen um die gemeinsamen Kandidaturen für die | |
Wahl der Abgeordneten der Nationalversammlung in den 577 Wahlkreisen. Die | |
Sozialisten, die bei den Präsidentschaftswahlen besonders schlecht | |
abgeschnitten hatten, wollten ihren Anschluss möglichst teuer verkaufen. | |
Ihre Fraktion zählte 2012 noch 295 Abgeordnete, 2017 nur noch 31. | |
Ihre Delegation feilschte bis Mittwoch um zusätzliche Wahlkreise, die für | |
sie „reserviert“ werden sollten. LFI hat ihnen 70 Wahlkreise zugestanden. | |
Den Grünen werden 100 und den Kommunisten 50 Wahlkreise überlassen. Die | |
Vereinbarung zwischen Sozialisten und LFI wird am Donnerstagabend der | |
Parteileitungsinstanz zur Verabschiedung vorgelegt. | |
## Kein Platz neben Macron | |
Mehrere Persönlichkeiten des PS, darunter der frühere Staatspräsident | |
François Hollande, sehen in der Einigung eine Unterordnung unter die Partei | |
des Linkspopulisten Mélenchon. Rund tausend lokale Parteimitglieder haben | |
dem Parteichef Olivier Faure am Dienstag schriftlich mitgeteilt, sie seien | |
mit dem Vorgehen über ihre Köpfe hinweg nicht einverstanden. | |
Hollandes früherer Premierminister Bernard Cazeneuve und sein | |
Ex-Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll haben angekündigt, sie würden | |
aus der Partei austreten. Mélenchons „Geschwafel“ von einem „linken Sieg… | |
sei eine „Legende oder ein Vorwand“, sagte Le Foll. | |
Nach dem katastrophalen Ergebnis ihrer Kandidatin Anne Hidalgo, die bei der | |
ersten Runde der Präsidentschaftswahl weniger als 2 Prozent gewann, kämpft | |
die einstige Regierungspartei ums Überleben. Einige bisherige | |
PS-Abgeordnete ziehen es vor, im Juni als Parteilose für ihre Wiederwahl zu | |
kandidieren. 2017 hatten sich zahlreiche Mitglieder dem Wahlsieger Macron | |
angeschlossen, und während des Wahlkampfs im April wechselten weitere | |
prominente Sozialisten ins Lager des nun wiedergewählten Staatschefs über. | |
Zwischen Macron und Mélenchon bleibt immer weniger Raum für eine | |
sozialdemokratische Reformpartei. Und auch die Konservativen von Les | |
Républicains haben zwischen der breiten politischen Mitte des Präsidenten | |
und der [6][extremen Rechten] dasselbe Problem. | |
4 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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