# taz.de -- Neue Premierministerin für Frankreich: Macron setzt auf Technokrat… | |
> In Frankreich wird die regierungserfahrene Elisabeth Borne neue | |
> Premierministerin. Ihre Zukunft hängt stark von den Parlamentswahlen im | |
> Juni ab. | |
Bild: Roter Teppich für die neue Premierministerin Elisabeth Borne | |
PARIS taz | Erstmals seit dreißig Jahren hat Frankreich wieder eine Frau an | |
der Spitze der Regierung. Präsident Emm anual Macron hat die bisherige | |
Arbeitsministerin Elisabeth Borne als Premierministerin nominiert. Sie soll | |
ihm Vorschläge für die Bildung eines neuen Regierungsteams unterbreiten. | |
Denn nach seiner Wiederwahl im April möchte er zu Beginn seiner zweiten | |
Amtszeit nicht nur ein neues Gesicht auf dem Posten des Regierungschefs, | |
sondern auch ein erneuertes Kabinett. | |
Wie in Frankreich nach [1][Präsidentschaftswahlen] üblich, hat darum der | |
bisherige Premier Jean Castex am Montag seinen Rücktritt eingereicht. | |
Macron hatte gesagt, er wisse schon seit Tagen, wer die Nachfolge antreten | |
werde und nannte seine Kriterien: eine Frau mit Erfahrung in der Umwelt- | |
und der Sozialpolitik. Dieses Profil erfüllt die mehrfache Ministerin Borne | |
in jeder Hinsicht. Und zwar so gut, dass man sich fragt, ob Macron nicht | |
zuerst seine Regierungschefin gefunden und dann ihrem Profil entsprechend | |
die Kriterien definiert hat. | |
Die in Paris geborene 61-jährige Borne hatte nach ihrem Ingenieurstudium | |
zuerst führende Posten im öffentlichen Transport und danach unter anderem | |
als rechte Hand der damaligen Umweltministerin Ségolène Royal Erfahrungen | |
in den von Macron genannten Bereichen gesammelt. Sie stand politisch eher | |
den Sozialisten nahe, schloss sich aber 2017 Macron und seiner Bewegung En | |
marche an. Unter Marcron wurde sie zuerst Ministerin für Verkehr, dann für | |
Umwelt und ab 2019 für Arbeit. | |
Medien sehen in der Nominierung vor allem den Wunsch des Staatschefs nach | |
politischer Kontinuität. Borne wird von [2][Le Monde] und Le Figaro als | |
„Technokratin“ ohne besondere politische Ambitionen beschrieben. Ähnlich | |
meint [3][Mediapart]: Der Staatschef habe sich mit der Ernennung „für das | |
Profil einer Diskreten und Loyalen entschieden“. Er habe damit „die | |
einfachste Lösung gewählt“. | |
## Elisabeth Borne soll auch unpopuläre Reformen durchsetzen | |
Da in Frankreich zudem die Premiers den Präsidenten nie in den Schatten | |
stellen dürfen, sondern immer unter der Führung des Élysée die zweite Geige | |
spielen sollen, passt Borne bestens. Sie soll organisieren, koordinieren | |
und verwalten. Für sie kommt zuerst die Arbeit … und danach die Arbeit. | |
Von früheren Mitarbeiter*innen wird sie als autoritär und gelegentlich | |
als nicht sehr umgängliche Chefin beschrieben, die so manche Untergebene in | |
den Burn-out getrieben habe. Daher ihr Spitzname „Borne-out“. Von ihr | |
erwartet Macron, dass sie auch unpopuläre Reformen durchsetzt, wie sie das | |
bereits als Ministerin bei der Arbeitslosenversicherung machte, indem sie | |
zur Senkung der „Kosten“, die Leistungen für fast eine Million | |
Stellensuchende massiv senkte. Doch gleich von einer „Eisernen Lady“ im | |
Stil von Margareth Thatcher zu reden, wäre jedoch übertrieben oder | |
deplatziert, meint die Wirtschaftszeitung [4][La Tribune], denn Borne sei | |
„weder eine Merkel noch eine Thatcher“. | |
Das Hauptereignis der Nominierung ist, dass Macron sein Versprechen hält, | |
endlich – und erst zum zweiten Mal überhaupt – eine Frau an die Spitze der | |
französischen Regierung zu stellen. Die Sozialistin Edith Cresson, die | |
1991/1992 unter Präsident François Mitterrand die erste Premierministerin | |
war, wünscht aufgrund ihrer Erfahrungen mit den „Machos“ der „classe | |
politique“ der neuen Regierungschefin „bon courage“. | |
Viel Mut brauche sie, um den absehbaren sexistischen Anfechtungen Stand zu | |
halten. Borne hat sich gewünscht, dass ihr offizieller Titel feminisiert | |
wird: Sie ist jetzt Madame la Première ministre, was für Frankreich ein | |
Novum ist. Der Rechtsextreme [5][Eric Zemmour] empörte sich über diese | |
Bezeichnung eines Postens, den er anscheinend Männern vorbehalten glaubt | |
und die er „hässlich“ nennt. | |
Wie lang die neue Regierung und deren Chefin sich halten, hängt von den | |
Parlamentswahlen im Juni ab. Die Zusammensetzung des Kabinetts muss die | |
Mehrheitsverhältnisse der neuen Nationalversammlung berücksichtigen. Borne | |
kandidiert am 12. und 19. Juni in einem Wahlkreis in der Normandie. Wird | |
sie gewählt, kann sie ihr Abgeordnetenmandat nicht antreten. Falls sie | |
wider Erwarten in diesem Macron-nahen Bezirk verliert, müsste sie laut | |
einer ungeschriebenen Regel als Premierministerin demissionieren. | |
17 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5850146 | |
[2] https://www.lemonde.fr/en/politics/article/2022/05/17/elisabeth-borne-a-tec… | |
[3] https://www.mediapart.fr/journal/france/160522/elisabeth-borne-matignon-mac… | |
[4] https://www.latribune.fr/opinions/editos/elisabeth-borne-a-matignon-la-nouv… | |
[5] https://www.leparisien.fr/elections/legislatives/pour-zemmour-macron-a-nomm… | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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