# taz.de -- Neues Dialogformat in Frankreich: Ein bisschen Mitsprache | |
> Frankreichs Präsident Macron ruft zum Nationalen Dialog auf. Die | |
> Opposition glaubt nicht an das Angebot der Mitgestaltung – und lehnt | |
> dankend ab. | |
Bild: Verspricht eine „neue Methode“ des Dialogs: Frankreichs Präsident Ma… | |
PARIS taz | Der französische Staatspräsident will den Franzosen und | |
Französinnen (ein bisschen) Mitsprache bei der Umsetzung seiner Reformen | |
gewähren. Das zumindest verkündete er am Donnerstag beim ersten Treffen des | |
Conseil national de la Refondation (CNR), was in etwa als Nationaler Rat | |
für einen Neubeginn übersetzt werden kann. | |
Er verspricht dabei, mit dieser „neuen Methode“ eines Dialogs mit Parteien, | |
den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, regionalen und kommunalen | |
Institutionen sowie diversen Vereinigungen der Kritik an seiner bisher sehr | |
„vertikalen“ Form der Machtausübung Rechnung zu tragen. Auch eine bisher | |
nicht bekannte Gruppe von zufällig ausgewählten Bürger*innen ist | |
eingeladen, an den Diskussionen teilzunehmen. Macron stellt zudem zur von | |
ihm gewünschten Erneuerung der Demokratie „Onlinebefragungen“ und | |
„Referendums-Volksabstimmungen“ in Aussicht. | |
Bezüglich der Themen und des Funktionierens des CNR soll noch alles offen | |
sein, aber im Zentrum stehen Macrons Schwerpunkte: das Ziel der | |
Vollbeschäftigung, der Klimawandel, die Schulen und das Gesundheitswesen | |
sowie das Leben der Betagten. | |
Das erscheint vage. Trotz der eigentlich verlockenden Aussicht, dem | |
Staatschef in diesen wichtigen Bereichen hereinreden und widersprechen oder | |
gar den Gang der Dinge ändern zu können, haben daher praktisch alle | |
Oppositionsparteien von links bis rechts, aber auch ein Großteil der | |
Gewerkschaften die Einladung dankend abgelehnt. | |
## Macron braucht die Unterstützung der Opposition | |
Aufgrund der Erfahrung in seiner ersten Amtszeit stellen sie seine | |
Aufrichtigkeit infrage. Wie zahlreiche Sprecher der Oppositionsparteien | |
befürchtet auch der Vorsitzende des Senats, der Konservative Gérard | |
Larcher, dass Macron mit diesem zusätzlichen Gremium die beiden | |
Parlamentskammern aushebeln wolle. | |
Seit der [1][Wahl der Abgeordneten] im Juni hat die Koalition des | |
Staatschefs keine absolute Mehrheit mehr in der Nationalversammlung und | |
muss für jede Abstimmung Kompromisse machen. Darum denken Konservative, | |
[2][extreme Rechte] und die [3][vereinigte Linke], dass sich der politisch | |
geschwächte Macron nur aus schierer Not an sie wendet. | |
Denn um seine Reformen der Renten- und der Arbeitslosenversicherung | |
durchzusetzen, braucht Macron Unterstützung aus den Reihen seiner | |
politischen Gegner. Das Problem für ihn ist es, dass diese es ihm nicht | |
abnehmen, dass er gewillt sei, die Macht auch nur ein klein wenig zu | |
teilen. | |
Wieso also sollen sie sich von einem Präsidenten, der offenbar in der | |
Sackgasse steckt, aber letztlich doch alles selber entscheiden will, über | |
den Tisch ziehen lassen? Das erklärt den fast einstimmigen Boykott der | |
Opposition. Verärgert rief ihnen Macron in seiner Eröffnungsrede in | |
Marcoussis das Sprichwort zu: „Die Abwesenden haben immer Unrecht.“ Und er | |
dramatisiert die Situation mit einer kriegerischen Rhetorik, indem er wegen | |
der gleichnamigen Abkürzung CNR sein Gremium mit dem Nationalen | |
Widerstandsrat während des Zweiten Weltkriegs verglich. | |
Ende August hatte er in pessimistischen Tönen vom „Ende der Sorglosigkeit“ | |
gesprochen und die Nation angesichts des Kriegs in der Ukraine, der | |
Energiekrise und der nötigen Anpassungen wegen des Klimawandels zu Einheit | |
und „Seelenstärke“ aufgerufen. | |
Weil es ihm damit aber nicht gelungen ist, seine Gegner zu einem | |
Burgfrieden zu gewinnen, könnte sich seine Initiative für einen „Neubeginn�… | |
mit dem CNR als „nasser Knallfrosch“ herausstellen, meinte der Politologe | |
Loïc Blondiaux in der Le Monde. | |
8 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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