# taz.de -- Sterbende Amphibien: Salamanderpest wütet in Deutschland | |
> Tödliche Pilzsorten sind über den Amphibienhandel nach Europa gekommen | |
> und vernichten Molche, Lurche oder Kröten. Verbände schlagen Alarm. | |
Bild: Eine Kröte trägt zwei weitere auf einem Feldweg bei Niendorf: Auch sie … | |
BERLIN taz | Frühling ist Amphibienzeit: Frösche, Lurche, Kröten paaren | |
sich jetzt und wandern zu den Laichplätzen. So war es zumindest bislang in | |
Mitteleuropa. Aber das ändert sich gerade: Die Amphibien in Deutschland und | |
anderen mitteleuropäischen Staaten sterben in rasantem Tempo aus. | |
Einerseits sorgt der Mensch dafür, dass immer mehr Feuchtgebiete und Tümpel | |
verschwinden; sie sind Lebensgrundlage für die kiementragenden Larven der | |
Lurche. Andererseits setzt der Klimawandel die Tiere mit steigenden | |
Temperaturen und zunehmenden Dürreperioden unter Stress. „Neuerdings kommt | |
der Salamanderfresser noch dazu, eine Pilzkrankheit, gegen die es keine | |
Rettung gibt“, sagt die Gewässerökologin Malvina Hoppe vom [1][Landesbund | |
für Vogelschutz (LBV)] in Bayern. | |
Es handelt sich um den Pilz Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal, | |
der aus Asien stammt. „Dort konnte sich die heimische Amphibienfauna über | |
Jahrmillionen auf die Existenz des Erregers einstellen“, sagt Hoppe, die | |
beim LVB zuständig für Amphibienschutz ist. Hier aber sind Molche und | |
Lurche diesem Pilz schutzlos ausgeliefert: Ist ein Tier von dieser Seuche | |
befallen, bedeutet das den raschen Tod, der Pilz frisst buchstäblich Löcher | |
in die Haut. Naturschutzexpertin Hoppe: „Feuersalamander sterben nach etwa | |
zwei Wochen, auch Kammmolche oder Alpensalamander sind bedroht. Bergmolche | |
überleben zwar, aber sie übertragen so die Krankheit auf andere Amphibien.“ | |
In der Eifel, [2][in Hamburg,] in Bayern – Deutschland habe sich in den | |
letzten Jahren zu einem regelrechten Hotspot der „Salamanderpest“ | |
entwickelt, wie es Hoppe nennt: Besonders in der Grenzregion zu den | |
Niederlanden sind viele Fundstellen registriert. Es wird vermutet, dass die | |
Krankheit über den internationalen Amphibienhandel in die Niederlande | |
eingeschleppt wurde. Im Nachbarland ist die Salamanderpopulation bereits um | |
95 Prozent eingebrochen. Um mehr über die Ausbreitung der Krankheit zu | |
erfahren, ruft der Landesbund die Bevölkerung in Bayern nun zur Mithilfe | |
auf: „Wer einen toten Feuersalamander beim Spaziergang bemerkt, sollte | |
diesen fotografieren und uns mit den Koordinaten-Daten melden“, bittet | |
Malvina Hoppe. Die Experten würden dann versuchen, das verendete Tier zu | |
bergen und zu untersuchen. | |
## In Südamerika sind etliche Arten nach Befall ausgestorben | |
Bsal ist nicht der einzige Pilz, der die heimischen Amphibien bedroht. Ein | |
anderer nennt sich Batrachochytrium dendrobatits, kurz Bd, benannt nach den | |
zentralamerikanischen „Dendrobatiden“, den Pfeilgiftfröschen, die | |
massenhaft verenden. „Beide Pilze sind weltweit ziemlich sicher durch den | |
Menschen verfrachtet worden“, sagt Stefan Lötters von der Universität | |
Trier. Neben dem Handel mit Lebendtieren könnten die Erreger auch indirekt | |
verfrachtet worden sein, etwa mittels Wasserpflanzen oder Froschschenkeln | |
für den Kochtopf, sagt der Professor für Biogeografie: „Während Bsal fast | |
nur Schwanzlurche befällt, ist Bd auf alle Amphibien übertragbar.“ | |
Immerhin ist Bd in Europa nicht so aggressiv. „Dieser Pilz wirkt sich | |
ungünstig auf die Amphibien aus, wenn sonstige Bedrohungen hinzukommen wie | |
zum Beispiel der Stress durch den Klimawandel“, so Lötters. Tropische Arten | |
seien durch Bd deutlich bedrohter, vor allem in Südamerika und Australien. | |
„In diesen Regionen hat Bd lokale Massensterben von ganzen Populationen | |
ausgelöst.“ Die Wissenschaft geht davon aus, dass etliche Arten nach dem | |
Befall ausgestorben sind. | |
## „Amphibien spielen wichtige Rolle in den Ökosystemen“ | |
Gibt es irgendeine „Medizin“, mit der Amphibien geschützt werden könnten? | |
„Im Prinzip könnte man Bd und Bsal mit einem Antimykotikum behandeln“, | |
einem Arzneimittel gegen Pilzinfektionen, so Lötters. Bei Bsal würde sogar | |
eine Wärmebehandlung anschlagen, der Pilz stirbt dabei ab. „Im Freiland ist | |
das Ganze jedoch nicht praktikabel: Man würde nicht alle infizierten Tiere | |
erwischen.“ Außerdem existierten wohl bisher nicht bekannte Reservoire, | |
beispielsweise gebe es Hinweise, dass Bsal auch auf totem Laub überleben | |
kann. | |
Für Amphibienschützer wie den bayerischen Verband für Amphibien- und | |
Reptilienschutz bergen die Pilze schlimmste Szenarien: Mit viel Aufwand und | |
Behördengeld richten sie ein für Molche oder Kröten intaktes Habitat her, | |
und plötzlich ist es von einem Monitoring zum nächsten leer. Deshalb | |
arbeitet der Verband mit dem LBV, dem Bund Naturschutz und auch der | |
Universität Trier zusammen: Funde toter Salamander außerhalb Bayerns, die | |
nicht durch Überfahren verendeten, sollten dem Lehrstuhl in Trier gemeldet | |
werden. | |
„Amphibien spielen eine wichtige Rolle in den Ökosystemen“, urteilt | |
Professor Lötters. Würden sie verschwinden, verändere sich das Ökosystem, | |
was letztlich alles durcheinanderbringt und am Ende auch uns schaden kann. | |
Lötters: „Langfristig schneiden auch wir uns den eigenen Ast ab, wenn wir | |
Amphibien nicht schützen.“ | |
2 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lbv.de/naturschutz/lebensraeume-schuetzen/baeche/ | |
[2] /Artensterben-auf-Hamburger-Elbinsel/!5847361 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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