| # taz.de -- Störche in Brandenburg: Das Klappern lässt nach | |
| > Bis 2019 war Brandenburg das storchenreichste Bundesland in Deutschland. | |
| > Nun steht es auf Platz drei. Schuld ist auch der Spargel. | |
| Bild: Kommen sie zu spät, brüten sie vielleicht nicht mehr | |
| Der erste Rückkehrer traf am 10. Februar in Kremmen ein – ausgesprochen | |
| früh. In der Regel kommen Brandenburgs Störche erst Ende März, Anfang April | |
| zurück. Inzwischen sind viele da, aber längst noch nicht alle. Denn: | |
| Brandenburgs Störche sind Ostzieher, bis nach Afrika fliegen sie in ihre | |
| Winterquartiere. Wenn am Bosporus schlechte Witterung ist, könne sich die | |
| Rückkehr manchmal bis Anfang Mai hinziehen, sagt Bernd Ludwig zur taz. | |
| „Dann fangen die Spätheimkehrer gar nicht mehr an zu brüten.“ Voriges Jahr | |
| sei das bei einigen so gewesen, „das befürchte ich auch dieses Jahr“. | |
| Bernd Ludwig ist in Brandenburg der Storchenexperte. [1][Seit über 60 | |
| Jahren verfolgt der 82-jährige Mann, der in Rangsdorf, Landkreis | |
| Teltow-Fläming, lebt, den Adebar]. Bestätigt sich seine Prognose, wäre das | |
| fatal, denn um Brandenburgs Weißstorchpopulation ist es nicht gut bestellt. | |
| Bis 2019 war Brandenburg das storchenreichste Bundesland Deutschlands. | |
| Inzwischen ist es auf Platz drei abgesackt. Selbst typische Storchendörfer | |
| haben stark an Brutpaaren verloren. | |
| Der Abwärtstrend erfüllt auch das grün regierte Brandenburgische | |
| Umweltministerium und das Landesamt für Umwelt (LfU) mit Sorge. Die | |
| Situation sei „allen bewusst“, teilte LfU-Sprecher Thomas Frey mit – unter | |
| Verweis auf „herausragendes“ Datenmaterial des Nabu über die Weißstörche, | |
| das Analysen über Jahrzehnte ermögliche. | |
| Im vergangenen Jahr wurden in Brandenburg 1.244 Brutpaare von Weißstörchen | |
| gezählt. Schon 2020 hatte Baden-Württemberg Brandenburg mit 1.328 Paaren | |
| überholt und auch Niedersachsen war mit 1.298 Storchenpaaren vorbeigezogen. | |
| Selbst Hessen ist Ludwig zufolge auf dem Vormarsch. | |
| ## Westzieher und Ostzieher | |
| Denn: die Störche in den westlichen Bundesländern sind sogenannte | |
| Westzieher – sie überwintern in Spanien. Auf dem Zug gibt es nicht die | |
| vielfältigen Gefahren, die den Ostziehern auf ihrer weiten Reise nach | |
| Afrika drohen. Zudem ist das Nahrungsangebot in Spanien, bedingt durch | |
| Reisfelder und nicht abgedeckte Müllkippen, sehr gut. Im Frühjahr sind | |
| Westzieher deutlich früher zurück und haben mehr Zeit zum Brüten. Das alles | |
| wirkt sich positiv aus. „Die Population hat gewaltig zugenommen“, sagt | |
| Ludwig. | |
| Was Ost- und Westzieher gemein ist: Im Frühjahr kommt zunächst ein Storch | |
| an. Zumeist, sagt Ludwig, sei das ein Männchen. „Er“ warte, bis ein | |
| Weibchen komme, und mache ihr gegebenenfalls Avancen. Dass Störche zeit | |
| ihres Lebens monogam seien, sei indes ein Märchen. | |
| Alle Daten, wie Ankunfts- und Abflugzeit und das Brutergebnis – also die | |
| Anzahl Jungstörche –, werden von den Storchenbeauftragten der Kreise am | |
| Ende der Saison an Ludwig übermittelt. Der Aderlass zeichnet sich seit | |
| Längerem ab. Die Nachwuchszahlen seien seit Jahren sehr gering, sagt | |
| Ludwig. „2021 hatten wir im Durchschnitt pro Horstpaar nur 1,6 Junge.“ Um | |
| die Population zu erhalten, müssten es mindestens zwei Junge sein. Bisher | |
| habe Brandenburg immer noch Zuzug aus Polen – dem storchenreichsten Land | |
| Europas – gehabt. Aber auch in Westpolen gingen die Brutzahlen zurück. | |
| ## Landwirtschaft trägt Mitschuld | |
| Die Gründe dafür seien überall die gleichen: zu viel intensive | |
| Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen mit Pestizideinsatz, zu | |
| wenig ökologischer Landbau, zu wenig Renaturierungsflächen. „Wenn riesige | |
| Flächen nur mit Mais, Raps und Getreide bebaut werden, ist für Störche und | |
| andere Vögel einfach keine Nahrung mehr da“, sagt Ludwig. Dazu kommt die | |
| Trockenheit, den ganzen März hatte es nicht geregnet. „In staubtrockenen | |
| Böden ziehen sich die Regenwürmer tief in der Erde zurück“, weiß er. | |
| Und dann gibt es diese Witterungsextreme, zum Beispiel am 30. Juni und 1. | |
| Juli 2021. Aufgrund des Starkregens sind in Nord- und Ost-Brandenburg | |
| mindestens 320 Junge im Nest verendet. Weil sich die Alten ab einem | |
| bestimmten Alter nicht mehr zum Schutz auf die Jungen setzen, durchnässen | |
| sie und verklammen. „Das“, so Ludwig, „war oft so in den letzten Jahren.�… | |
| Das Storchendorf Rühstädt hatte 1996 noch 43 Horstpaare. 2021 waren es noch | |
| 26. Mit insgesamt 37 Jungen war die durchschnittliche Brutrate in Rühstädt | |
| mit 1,4 pro Horst deutlich zu niedrig. Noch dramatischer ist es in Linum. | |
| 18 Horstpaare waren es 1994, vergangenes Jahr nur noch neun. Mit fünf | |
| Jungen betrug die Brutrate nur 0,7. „Jedes Dorf, das noch Störche hat, kann | |
| sich glücklich preisen“, konstatiert Ludwig. Sein Appell: Gemeinden und | |
| Landespolitik müssen handeln. „Die besten Nestunterlagen auf den Gebäuden | |
| nützen nichts. Sie werden nicht besetzt, wenn es keine Nahrung gibt.“ Der | |
| Pestizideinsatz auf den Feldern müsse drastisch beschränkt, Feuchtgebiete | |
| müssten wieder vernässt werden. | |
| Auch Thomas Frey, Sprecher des LfU, sieht in der intensiven Landwirtschaft | |
| einen Schlüsselfaktor. Der Wegfall von Brachen und die Ausdehnung des | |
| Spargelanbaus hätten die Bedingungen für die Störche verschlechtert, dazu | |
| kämen das Klima und Risiken des Zuges in die Winterquartiere. | |
| Brandenburg unterstütze den Ökolandbau und eine naturfreundliche | |
| Bewirtschaftung der Flächen, so Frey. Mit landesweiten Programmen und | |
| Initiativen mit Naturschützern vor Ort versuche man dem Trend zu begegnen. | |
| Im Biosphärenreservat Brandenburgische Elbtalaue und im Rhinluch rund um | |
| Linum sei das Land etwa für den Erhalt der Störche engagiert. Auf | |
| Teilflächen habe man dort die Nahrungsbasis der Störche wie Kleinsäuger, | |
| Amphibien und Insekten verbessern können. | |
| Voraussetzung für eine storchenfreundliche Bewirtschaftung sei aber stets, | |
| dass die Maßnahmen von Landkreisen und Storchengemeinden gezielt | |
| unterstützt würden. Letztendlich, so Frey, liege die Verantwortung „bei | |
| jedem Einzelnen“. | |
| 18 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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