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# taz.de -- Holstenquartier kommt nicht voran: Dem Adler geht die Luft aus
> Auf einem Brauereigelände in Hamburg-Altona sollte ein Vorzeigequartier
> entstehen. Nun schwächelt der Investor, auf den der Bezirk gesetzt hat.
Bild: Ob hier jemals etwas fertig wird? Das Holstenareal in Hamburg-Altona im J…
Hamburg taz | Wer wissen will, was alles schief laufen kann auf einem
überhitzten Immobilienmarkt, muss nur nach Hamburg-Altona schauen. Dorthin,
wo neben den Bahngleisen mit der Neuen Mitte Altona ein ganzer Stadtteil
aus dem Boden gestampft wird. 5.000 Wohnungen sollen es mal werden, 1.200
davon auf einem ehemaligen Brauereigelände, dem „[1][Holstenquartier]“.
„Wir freuen uns auf das neue Holstenquartier, in dem sich Menschen lange
wohlfühlen können“, steht auf einem Plakat am Zaun des Geländes, das wohl
der Investor dort angebracht hat. Und, direkt daneben: „Mehr Altona pro
m2“. Drinnen reißen Bagger die alten Lagerhallen ab, Staub liegt in der
Luft.
[2][320 Millionen Euro] hat der jetzige Eigentümer, die [3][Adler Group],
für das Gelände bezahlt, doch noch ist der städtebauliche Vertrag nicht
unterschrieben. Und dann gibt es auch noch keinen Bebauungsplan, obwohl die
Verhandlungen mit dem Bezirk Altona schon seit Jahren laufen. Und so, wie
es derzeit aussieht, wird das so schnell auch nichts werden. Denn um die
Adler Group scheint es nicht gut zu stehen.
Bereits im Oktober letzten Jahres geriet der Immobilienkonzern in die
Schlagzeilen, als der britische Spekulant Fraser Perring mit seiner Firma
Viceroy Research die Geschäftspraktiken der Adler Group [4][anprangerte].
Die Immobilien der Adler Group seien überbewertet, Beteiligungen und
Übernahmen würden gemacht, um an Kredite heranzukommen, Geldflüsse würden
an Privatpersonen verschoben. Im Zentrum stehe ein Geschäftsmann, der
offiziell nur als Berater fungiere und die Adler Group von seiner Yacht vor
Monaco aus lenke.
Diese Nachrichten waren nicht gut für den Kurs der Adler-Group-Aktien und
sollten es auch nicht sein: Fraser Perring verdient sein Geld mit so
genannten „[5][Leerverkäufen]“, bei denen auf fallende Aktienkurse
spekuliert wird. Die Adler Group beauftragte die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft [6][KPMG], den Vorwürfen nachzugehen, in
der Hoffnung, die Wirtschaftsprüfer würden diese entkräften. Doch es
geschah das Gegenteil.
Die Vorwürfe „können anhand der vorgelegten Unterlagen weder verifiziert
noch falsifiziert werden“, schrieben die KPMG-Prüfer vor einigen Tagen in
ihrem [7][Bericht]. Hunderttausende von Mails und anderen Dokumenten seien
von der Adler Group und ihren Unternehmen nicht wie verlangt ausgehändigt
worden, die Vorgänge ließen sich darum nicht abschließend bewerten. Aber es
seien Gelder nach außen geflossen, und die betreffenden Personen seien
beteiligt gewesen.
Ein richtiger Freispruch war das nicht, auch wenn sich der
Verwaltungsratschef der Adler Group, Stefan Kirsten, zunächst noch mit dem
Satz, seine Gruppe sei „angeschlagen, aber vital“, im Gesundbeten
versuchte. Als Erfolg feierte er auch noch, dass ein „systematischer
Betrug“ dem Konzern von den Wirtschaftsprüfern nicht nachgewiesen werden
konnte.
Am vergangenen Freitag dann kam der endgültige Tiefschlag: KPMG, die für
die Adler Group auch die Bilanz prüft, [8][weigerte sich], ihr Urteil für
den Jahresabschluss 2021 abzugeben. Die Adler Group musste ihn trotzdem
veröffentlichen, wobei ein Verlust von über einer Milliarde Euro zutage
kam. Der Kurs sackte auf einen historischen Tiefstand ab.
Die Entwicklungen um die Adler Group lösten in den vergangenen Tagen auch
Unruhe in der Altonaer Bezirkspolitik aus. Vor allem ein Satz aus dem
KPMG-Gutachten machte den Politikern zu schaffen: „Der Vorwurf, dass Adler
nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen
umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung
stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden“, heißt es da.
Wäre es denkbar, dass die wechselnden Manager der Adler Group und ihrer
Töchter, mit denen die Bezirkspolitiker in Altona verhandelt hatten, nur
warme Luft produziert hatten? Wollten sie das neue Holstenquartier in
Altona wirklich bauen? Können sie es überhaupt?
„Man muss ernsthaft die Frage stellen: Wenn die nicht in der Lage sind, das
Projekt zu realisieren, will man dann zuschauen, wie sie das auf dem freien
Markt verkaufen, oder muss die Stadt dann da eintreten?“, sagt Thomas
Adrian, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Altona.
## Schärfere Maßnahmen gefordert
Die Bürgerinitiative „[9][Knallt am dollsten]“, die seit Jahren die
Entwicklung des Holstenareals kritisch begleitet, fordert schon länger
schärfere Maßnahmen von Seiten der Politik. „Es kann doch nicht sein, dass
alle, sogar die CDU, sagen, das ist eine Katastrophe für den Stadtteil, und
am Ende nichts machen“, sagt Theo Bruns, der Sprecher der Initiative.
Er fordert die Stadt Hamburg auf, eine sogenannte „städtebauliche
Entwicklungsmaßnahme“ einzuleiten, die es der Stadt ermöglichen würde, auf
dem Holstengelände wieder Herr des Verfahrens zu werden – bis hin zur
Enteignung des bisherigen Eigentümers und einer Entschädigung in Höhe des
Verkehrswertes.
Zuständig wäre in diesem Fall die Stadtentwicklungsbehörde. Aus der heißt
es, sie betrachte die Entwicklung „mit Sorge“. Für „alle in Hamburg
betroffenen Grundstücke“ beobachte man „intensiv“, „ob die Bedingungen…
die Ausübung von Vorkaufsrechten eintreten“.
Sollte es so kommen, wäre das doch immerhin ein Anfang.
3 May 2022
## LINKS
[1] https://holstenquartier.com/
[2] /Grundstueck-Deals-in-Hamburg-Altona/!5817163
[3] https://www.adler-group.com/
[4] https://viceroyresearch.org/wp-content/uploads/2021/10/Viceroy-Research-Adl…
[5] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/hr-boerse-story-23563.html
[6] https://home.kpmg/de/de/home.html
[7] https://ir.adler-group.com/download/companies/adoproperties/Audit/KPMG_Beri…
[8] https://www.boersen-zeitung.de/banken-finanzen/adler-group-meldet-verlust-k…
[9] https://www.knallt-am-dollsten.de/
## AUTOREN
Daniel Wiese
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