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# taz.de -- Nominierung für US-Supreme-Court: Absurde Fragen an die Kandidatin
> Bei der Anhörung der nominierten Schwarzen Richterin Ketanji Brown
> Jackson im US-Justizausschuss packen die Republikaner*innen jede
> Menge Hass aus.
Bild: Ketanji Brown Jackson während der Rede von US-Senator Cory Booker
New York taz | Es war ein erstes hörbares Zeichen der Zermürbung.
„Senator…“, hob [1][Ketanji Brown Jackson] an und seufzte leicht genervt.
Texas’ republikanischer Senator Ted Cruz hatte die Nominierte für den
Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten soeben gefragt, ob sie Babys
für Rassist:innen halte.
Es war nur eine der erstaunlichen und teils aggressiven Fragen, mit der die
republikanischen Senator:innen die 51-jährige Richterin an den
vergangenen Tagen überhäuften. Seit Montag sitzt Jackson in ihren
Anhörungen vor dem Justiz-Ausschuss des US-Senats, der sie für den
freiwerdenden Posten am Supreme Court empfehlen soll. Zumindest wenn es
nach dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden geht, der sie [2][für
dieses Amt nominiert] hat.
Sie wäre die erste Schwarze Frau in dieser Position, ebenso die erste mit
Erfahrung als Pflichtverteidigerin. Harvard-Abschluss, ein Lebenslauf mit
beeindruckenden Stationen, Erfahrungen in vielen Bereichen des
US-amerikanischen Rechtswesens – an Qualifikationen mangelt es Jackson
jedenfalls nicht.
Doch die Besetzung von Richter:innenposten am Supreme Court ist hart
umkämpft. Die live übertragenen Befragungen sind für die Senator:innen
des Justiz-Ausschusses zudem eine Möglichkeit, sich ausgiebig zu
präsentieren – und die Republikaner:innen spielten dieses Mal auch
schon ihre Karten für die kommenden Wahlkämpfe durch.
## Konservative Talking Points gegen die Kandidatin
„[3][Critical race theory]“ ist einer ihrer Trümpfe. Der Begriff bezeichnet
vereinfacht gesagt ein akademisches Konzept, das von einem tiefgehenden
strukturellen Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft ausgeht. Für
Republikaner:innen ist der Begriff ein radikales Reizwort, mit dem
sie verlässlich Aufregung bei ihrer Wähler:innenschaft generieren.
Jackson jedoch ließ sich nicht auf Diskussionen ein, als der Senator Ted
Cruz sie danach fragte. Sie sagte, die „Critical race theory“ komme in
ihrer Arbeit nicht vor. Später holte Cruz Bücher heraus: Diese seien den
Schüler:innen der Washingtoner Privatschule empfohlen oder zum Lesen
vorgeschrieben, in deren Kuratorium Jackson sitze – unter anderem das Buch
„Antiracist Baby“. Jackson verwies darauf, dass diese Bücher nun nicht in
ihrer Arbeit als Richterin vorkämen – und um über diese Arbeit zu sprechen,
sei sie heute da.
Ein anderes Thema war schon gesetzt, bevor die 51-Jährige für die
Befragungen erstmals an dem großen hölzernen Tisch in der Mitte des Raumes
Platz genommen hatte: Missouris republikanischer Senator Josh Hawley hatte
in den Tagen zuvor der Richterin vorgeworfen, vor allem Konsument:innen
von Kinderpornografie mit Milde zu behandeln.
„Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit liegen“, entgegnete Jackson
am Dienstag. Es handele sich um einige der schwierigsten Fälle, mit denen
Richter:innen zu tun hätten. Der rechtliche Rahmen dazu sehe nicht
unbedingt die höchstmögliche Strafe vor, sondern weise dazu an,
verschiedene Aspekte des Vergehens zu werten und eine ausreichende, nicht
höher als notwendige Strafe zu verhängen.
## Wut auf die Demokrat*innen geht gegen die Richterin
[4][Expert:innen hatten den Vorwurf Hawleys] zurückgewiesen – auch der
konservative Jurist und Kommentator Andrew C. McCarthy, der vielbeachtet
schrieb, [5][die Behauptung erscheine „unbegründet und grenze an
Demagogie“]. Doch konzentrierten sich in den Anhörungen die Anstrengungen
gleich mehrerer Senator:innen darauf, Jackson in dieser Hinsicht
anzugreifen.
Hawley versuchte die Richterin mit Fragen nach einzelnen Fällen in die Enge
zu drängen. Ob sie ihr Urteil in einem Fall von 2013 bereue? „Ich bereue,
dass wir in einer Anhörung über meine Qualifikationen für das Richteramt am
Obersten Gerichtshof viel Zeit damit verbracht haben, uns auf diese kleine
Teilmenge meiner Urteile zu konzentrieren“, erwiderte Jackson.
Besonders bissig wurde South Carolinas Senator Lindsey Graham. Noch im
Vorjahr war Graham einer der drei Republikaner:innen gewesen, der für
Jacksons Bestätigung als Richterin am Bundesberufungsgericht der Hauptstadt
Washington gestimmt hatte. Allerdings hätte er nun lieber die
Bundesrichterin J. Michelle Childs aus South Carolina auf dem ledernen
Bürostuhl gesehen, auf dem nun Jackson als designierte Verfassungsrichterin
saß.
An der schien er nun seine Wut auszulassen – sogar darüber, wie sich die
Demokrat:innen 2018 beim Bestätigungsprozess des konservativen
Verfassungsrichters [6][Brett Kavanaugh] verhalten hätten. Damals hatten
mehrere Frauen Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh erhoben, es kam zu
heftigen Protesten gegen seine Ernennung. „Er wurde überfallen“, polterte
Graham am Mittwoch. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn wir das mit Ihnen
täten?“
## Cory Booker: „Sie haben sich diesen Platz verdient!“
Auch musste Jackson sich Vorwürfe anhören, in ihrer Rolle als
Pflichtverteidigerin Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo vertreten zu
haben: Sie habe ihre Zeit und Talente nicht dafür genutzt, etwa
Veteran:innen zu unterstützen, sondern Terroristen kostenlose
Rechtsberatung gegeben, damit diese aus Guantánamo herauskämen und sich
wieder dem Kampf anschlössen, hatte die Republikanerin Marsha Blackburn aus
Tennessee bereits am Montag erklärt.
Am Dienstag legte Blackburn mit einem weiteren Kampfthema der Konservativen
nach und zielte auf das Thema Geschlechtsidentität: „Können Sie eine
Definition für das Wort ‚Frau‘ geben?“ Jackson wich aus: „Nicht in die…
Kontext. Ich bin keine Biologin.“ Sie wies darauf hin, dass es ihre Rolle
als Richterin sei, sich mit Streitfällen zu befassen und auf Grundlage des
Gesetzes zu entscheiden.
Nach Stunden der Attacken war es der demokratische Senator Cory Booker aus
New Jersey, der kurz vor Ende der Sitzung mit einer emotionalen Ansprache
dafür sorgte, dass sich Jackson die Tränen von der Wange wischen musste. Er
betonte die historische Nominierung, welche Anstrengungen Jackson auf sich
genommen habe, um dort anzukommen, wo sie sei. „Sie haben sich diesen Platz
verdient.“
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Kandidatin-fuer-Supreme-Court/!5842505
[2] /Oberstes-Gericht-der-USA/!5828912
[3] /Critical-race-theory-in-den-USA/!5816079
[4] https://sentencing.typepad.com/sentencing_law_and_policy/2022/03/contextual…
[5] https://www.nationalreview.com/2022/03/senator-hawleys-disingenuous-attack-…
[6] /Trotz-Uebergriffsvorwuerfen-bestaetigt/!5541859
## AUTOREN
Eva Oer
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