| # taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Paris, gehäutete Stadt | |
| > Vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich zeigen sich die Linken | |
| > gespalten und die Rechtsradikalen ohne Scham. Präsident Macron sieht sich | |
| > als Sieger. | |
| Wir haben gar keine Wahl“, sagt meine frühere Nachbarin. Sie hat ihr Leben | |
| lang für die Sozialisten gestimmt und wollte schon vor Jahren eine Frau im | |
| Élysée-Palast haben. Aber jetzt ist sie enttäuscht. An der Spitze | |
| Frankreichs habe die Partei nicht genug für die kleinen Leute getan. Und | |
| das Rathaus von Paris habe die Stadt „verkommen“ lassen. Mit 89 Jahren | |
| wechselt Edith Roizman die Seiten. Sie hat sich für die Wahl von | |
| [1][Emmanuel Macron] entschieden, weil er „jung und superintelligent“ ist, | |
| und obwohl ihm „Stimme und Statur fehlen“. | |
| Wir rühren in unseren Teetassen auf der Terrasse desselben Lokals, in dem | |
| wir schon vor Jahren gesessen haben. Edith trägt ihr Haar immer noch in | |
| einem geflochtenen Zopf, der sich ihren Rücken hinunterschlängelt. Es ist | |
| nur dünner geworden. Ich schwärme von der Verkehrsberuhigung auf den | |
| Pariser Boulevards, von verengten Fahrbahnen, verbreiterten Trottoirs und | |
| Hunderten Kilometern neuer Radwege. Als ich Paris vor zwölf Jahren | |
| verlassen habe, hätte ich mir nicht ausmalen können, dass dies einmal eine | |
| Radfahrerstadt werden würde. | |
| Für Edith ist das Bild der Gegenwart düster. Sie klagt über aggressive Rad- | |
| und Rollerfahrer, über schwere Unfälle, über mangelnde Disziplin auf den | |
| Straßen und darüber, dass sie kaum noch mit dem Taxi zu einem Restaurant in | |
| der Innenstadt kommt, weil die Straßen gesperrt sind und die Stadt eine | |
| einzige Baustelle geworden ist. „Die Spinnerin im Rathaus macht uns das | |
| Leben schwer“, sagt sie über Anne Hidalgo. Die sozialistische | |
| Bürgermeisterin von Paris ist eine von zwölf KandidatInnen für den | |
| Élyséepalast. | |
| Menschen wie Edith haben Paris für mich zu einem Zuhause gemacht. Als wir | |
| uns kennenlernten, legte sie einen Brief in meinen Kasten, der erzählte, | |
| wie sie als Kind in einer christlichen Familie auf dem Land überlebte, | |
| nachdem ihre Mutter deportiert worden war. Später, als ein wütender Ex auf | |
| Rache sann, warnte sie mich telefonisch, wenn er um den Block schlich. Nach | |
| meinem Umzug nach Washington schickte sie mir jahrelang immer am 7. jeden | |
| Monats eine E-Mail über das Leben in unserer Straße im Osten von Paris. Der | |
| 7. war der Tag meines Umzugs. An dem förmlichen „Sie“ – verbunden mit | |
| meinem Vornamen – hält sie fest. | |
| Edith ist eine eingefleischte Pariserin. Sie hat zu jeder Straßenecke eine | |
| Geschichte und sie ist überzeugt, dass sie die Stadt „nie“ verlassen wird. | |
| Ausgerechnet sie rät mir davon ab, nach Paris zurückzukommen: „Zu | |
| unbeweglich. Zu schmutzig. Zu gefährlich.“ Dann fügt sie hinzu: „Wenn ich | |
| jünger wäre, würde ich nach Berlin gehen. Das ist lebendiger.“ | |
| Paris war schon ein Freilichtmuseum, als ich Mitte der 1990er Jahre dorthin | |
| zog. Eine Insel des Wohlstands, umgeben von einer in Teilen bitterarmen | |
| Banlieue, die direkt jenseits des Périphérique – des Autobahnrings – | |
| beginnt. Um die Pariser Bourgeois bei Laune zu halten, verzichtete der | |
| damalige konservative Bürgermeister Jacques Chirac auf eine Hundesteuer. | |
| Pro Quadratmeter Blumenbeet in den Parks stellte er mehr Geld zur Verfügung | |
| als jeder andere Rathauschef der Welt. | |
| Seine sozialistischen Nachfolger bedienen eine jüngere, aber ebenfalls | |
| wohlhabende Klientel: Bobos – Bourgeois Bohémiens. In den neuen Parks, | |
| wachsen Obstbäume und Weinreben. Mit ihrer Stadtpolitik nehmen die | |
| Sozialisten die Luftverschmutzung und Autos ins Visier. An den | |
| durchsichtigen Plastikmüllsäcken, die wie benutzte Pariser in ihren | |
| Halterungen hängen, haben auch die Sozialisten festgehalten. Sie tauchten | |
| erstmals nach den Anschlägen von 1995 auf. Angeblich halfen sie, frühzeitig | |
| Bomben zu erkennen. Seither sind neue Attentate und ein neues Design für | |
| die Aufhängung dazugekommen. Die „Motocrottes“ hingegen, die Motorräder m… | |
| Staubsaugern auf dem Rücksitz, die Hundehaufen aufsammelten, sind | |
| verschwunden. Hundehaltern, die den Dreck nicht mitnehmen, drohen jetzt | |
| Geldstrafen. Allerdings setzt außerhalb der Innenstadt niemand diese Regel | |
| durch. In den östlichen Arrondissements ist Paris ein Hundeklo geworden. | |
| Für die fünf [2][Gelbwesten], die an diesem Sonntag im März auf den Platz | |
| der République in Paris gekommen sind, ist der Zustand der Straßen und der | |
| Ausbau der Radwege in der Hauptstadt ein Luxus, mit dem sie keine Zeit | |
| verlieren. Sie kommen aus der Provinz, aus Orten, in denen es keine | |
| Bäckerei, keine Apotheke und kein Café mehr gibt und deren Bahnstationen | |
| stillgelegt worden sind. | |
| 2018 haben sie angefangen, Straßenkreuzungen zu blockieren, um gegen | |
| Niedriglöhne und hohe Lebenshaltungskosten zu protestieren. Aber die | |
| Verschlechterung ihrer Lage konnten sie nicht aufhalten. Im zurückliegenden | |
| Winter hat eine der fünf, die ehemalige Putzfrau Bibiche, ihre Heizung | |
| abgestellt, weil ihre Rente nicht für das Öl reicht. „Ich schalte nur noch | |
| an, um das Duschwasser zu erhitzen“, sagt sie. | |
| ## Gelbwesten wollen den linken Populisten wählen | |
| Alle fünf Gelbwesten haben früher kommunistisch oder sozialistisch gewählt. | |
| Aber damit ist es nun vorbei. Dieses Mal wollen sie ihre Stimme einem Mann | |
| geben, den die französischen Medien einen „linken Populisten“ nennen: | |
| [3][Jean-Luc Mélenchon]. Falls der es nicht in den zweiten Wahlgang | |
| schafft, bleiben die fünf Gelbwesten zu Hause. Für eine zweite Amtszeit mit | |
| Macron werden sie selbst dann nicht stimmen, wenn die Alternative die | |
| rechtsextreme Marine Le Pen ist. „Das sind alles dieselben“, sagt | |
| Elektromonteur André über Macron, über traditionelle Rechte und über | |
| Rechtsextreme: „Es gibt keine Unterschiede mehr.“ | |
| Zu meiner Zeit in Paris existierten die Gelbwesten nicht. Auf der Linken | |
| gaben die traditionellen Parteien – Sozialisten und Kommunisten – den Ton | |
| an und die Gewerkschaften konnten das Land noch stilllegen. Mitte der | |
| 1990er Jahre berichtete ich wochenlang aus einem Frankreich ohne Zugverkehr | |
| und Postzustellung. Hunderttausende streikten gegen die Verlängerung der | |
| Arbeitszeit und den Abbau von Sozialleistungen. An einem einzigen Tag im | |
| Dezember 1995 gingen mehr als zwei Millionen Menschen auf die Straße. | |
| „Hoch lebe das Frankreich derer, die nichts sind“, steht auf einem | |
| Transparent, das an diesem 20. März auf dem Platz der République zu lesen | |
| ist. Der Kandidat Mélenchon verspricht, dass er das Rentenalter auf 60 | |
| Jahre heruntersetzen und einen Mindestlohn von 1.400 Euro garantieren will. | |
| An die 100.000 Menschen sind seinem Aufruf gefolgt. Es ist eine | |
| beeindruckende Unterstützung für einen Präsidentschaftskandidaten, der | |
| bereits seinen dritten Anlauf macht. Sie schwenken die bunten Fähnchen der | |
| Bewegung, die sich France Insoumise nennt – aufrührerisches Frankreich –, | |
| und vorgedruckte Transparente, die sich gegen Krieg und gegen | |
| Atomkraftwerke richten. Von dem kreativen Chaos linker Demonstrationen, bei | |
| denen Kommunisten, Trotzkisten, Anarchisten und linke Sozialdemokraten | |
| zusammenkommen, ist nichts zu spüren. An diesem Tag geht es nur um | |
| Mélenchon. | |
| Der 70-Jährige ist keiner, der wie einst François Mitterrand eine | |
| Generation zum Träumen bringen kann. Aber er ist der einzige Kandidat links | |
| der Mitte, der eine Chance zu haben scheint, über 10 Prozent zu kommen. Die | |
| optimistischsten unter seinen Unterstützern hoffen, dass er es in den | |
| zweiten Wahlgang schafft. An seinen Sieg glauben auch sie nicht. | |
| In einer großen Geste widmet Mélenchon seine Veranstaltung dem Widerstand | |
| des ukrainischen Volkes. Sein Wort „Résistance“ knüpft an einen großen | |
| Moment der französischen Geschichte an. Kritiker nennen Mélenchon | |
| russlandfreundlich. Er ist gegen die Stationierung von US-Raketen in Polen, | |
| gegen die osteuropäische Nato-Ausdehnung und gegen die französische | |
| Nato-Mitgliedschaft. | |
| ## Gemeinsamkeiten nur bei einer Beerdigung | |
| „Die Zeiten sind härter geworden“, sagt ein Gitarrist auf dem Platz der | |
| Nation, „dabei gibt es heute noch mehr Gründe zur Revolte“. Der 40-jährige | |
| Simon ist kein Nostalgiker der Sowjetunion. Er wollte nie etwas mit dem | |
| real existierenden Sozialismus zu tun haben. Aber seit die Berliner Mauer | |
| gefallen ist, spüren auch radikale Linke wie er, wie sich das | |
| Kräfteverhältnis zu ihren Ungunsten verändert hat. „Am Ende eines Streiks | |
| in den 1990er Jahren suchten die Bosse nach Kompromissen mit der | |
| Belegschaft“, vergleicht Simon, „heute lassen sich der Radiosender France | |
| Inter und der Buchladen FNAC auch nach monatelangen Arbeitskämpfen nicht | |
| auf Verhandlungen ein.“ | |
| Der Gitarrist hat sich dem Trauerzug für den Trotzkisten [4][Alain Krivine] | |
| angeschlossen, der auf einer großen Schleife durch den einst populären | |
| Pariser Osten zum Friedhof Père Lachaise zieht. Krivine war an allen linken | |
| Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte beteiligt. Im Gegensatz zu | |
| anderen Alt-68ern driftete er nicht nach rechts ab. | |
| „Der Kampf geht weiter“, versichern die Trauernden. Bei der Ankunft auf dem | |
| Père Lachaise ist ihre Zahl auf mehrere Tausend angewachsen, darunter | |
| Mélenchon, mehrere prominente Kommunisten und Mitglieder anderer linker | |
| Parteien. Gemeinsam singen sie „Bella ciao“ und summen die Internationale. | |
| Am kommenden Sonntag werden sie wieder getrennte Wege gehen. Eine alte | |
| Regel für die französischen Präsidentschaftswahlen, die in zwei Wahlgängen | |
| abgehalten wird, besagt: Im ersten Durchgang wählst du nach deiner | |
| Überzeugung, in der Stichwahl zwei Wochen später eliminierst du. Wie üblich | |
| gibt es im ersten Durchgang jede Menge KandidatInnen. Linke haben die Wahl | |
| zwischen zwei TrotzkistInnen, einem Grünen, einem Kommunisten, einer | |
| Sozialistin und Mélenchon. | |
| Zwei Rentnerinnen in der Trauergemeinde erwägen, dieses Mal schon im ersten | |
| Durchgang „nützlich“, statt nach ihrer Überzeugung zu stimmen. | |
| Zähneknirschend wollen sie Mélenchon wählen, obwohl er „von allen anderen | |
| erwartet, dass sie sich unterordnen“. Sie wollen verhindern, dass wegen der | |
| Spaltung der Linken eine Rechtsextreme in die Stichwahl kommt. | |
| ## Keine Scham bei den Rechtsextremen | |
| Für die Wähler der Rechtsextremen ist die Scham vorüber. „Marine ist die | |
| Hoffnungsträgerin“, ruft ein Mann dazwischen, als er hört, dass es um | |
| Politik geht. Er knallt seinen Espresso mit Wucht auf die Untertasse. Wir | |
| sind im Tabac du Marché in Clichy, nördlich von Paris. José, der | |
| Zwischenrufer, ist 57, Maurer und hat in den 1980ern Mitterrand gewählt. | |
| Jetzt will er allen erklären, warum [5][Marine Le Pen] die Beste sei. Er | |
| nennt Stichworte, die auch bei den Meetings der Linken fallen: eingefrorene | |
| Löhne, weniger Krankenhausbetten, unzureichende Rente. José fügt „Europa“ | |
| hinzu, die EU, die „Marine“ verlassen werde, weil das „besser für | |
| Frankreich“ sei. Auch den Krieg in der Ukraine, der wie eine Bombe in die | |
| Endphase des französischen Wahlkampfes eingeschlagen ist, hat er in seine | |
| Lobeshymne integriert: „Marine wird uns da raushalten. Denn wir sind nur | |
| noch einen Hauch von einem Atomkrieg entfernt.“ Darüber, dass Le Pen enge | |
| Beziehungen zu Putin pflegte, zuckt er die Schultern. | |
| Vor zwei Jahrzehnten, beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen von | |
| 2002, hat ein anderer Le Pen mit fast 17 Prozent der Stimmen den | |
| Sozialisten Lionel Jospin geschlagen und kam so in die Stichwahl. In den | |
| dramatischen Wochen bis zum zweiten Wahlgang zwischen Jean-Marie Le Pen, | |
| dem Vater Marines, und Chirac gingen in Frankreich Millionen auf die | |
| Straße. Sie waren entsetzt, dass ein Holocaustleugner und offener Rassist | |
| es in ihrem Land so weit gebracht hatte. Dank ihrer Stimmen bekam Chirac in | |
| der Stichwahl 82 Prozent. Die Unterstützer von Le Pen gaben damals | |
| allenfalls hinter vorgehaltener Hand zu, für wen sie gestimmt hatten. | |
| Heute ist José ein selbstbewusster Wähler der Tochter, die ihre Partei | |
| umbenannt und deren Politik fortgesetzt hat. „Sie ist nicht rassistisch wie | |
| ihr Vater und wie Zemmour“, versichert er. Der zweite Rechtsextreme im | |
| Wahlkampf, Éric Zemmour, ist radikaler als die Tochter. Zusammen bringen es | |
| die drei Rechtsextremen – Le Pen, Zemmour und Nicolas Dupont-Aignan – in | |
| den Umfragen auf ein solides Drittel der Wähler. Marine Le Pen unternimmt | |
| gerade ihren dritten Anlauf auf das Élysée. Dank Zemmour kann sie sich als | |
| moderate Kraft präsentieren. | |
| Die Angst vor den Rechtsextremen und der Zusammenbruch der traditionellen | |
| Parteien der Mitte, Sozialisten und Neogaullisten, die sich jahrzehntelang | |
| im Élyséepalast ablösten und es dieses Mal nicht einmal mehr in die | |
| Stichwahl schaffen werden, haben den Weg für Macron geebnet. Bei seiner | |
| ersten Kandidatur vor fünf Jahren wollten viele noch glauben, dass er ein | |
| Sozialist sei. Inzwischen ist klar, dass das ein Irrtum war. Im ersten | |
| Durchgang wird er vor allem Stimmen von rechts bekommen. Im zweiten | |
| allerdings kann er, falls ihm erneut Le Pen gegenübersteht, auch dieses Mal | |
| auf einen Teil der Linken zählen. | |
| ## Der abgehobene Präsident | |
| Seine Wiederwahl behandelt Emmanuel Macron, heute 44, wie eine Formalität. | |
| Er ist sich seiner Sache so sicher, dass er sich keine Zeit für Debatten | |
| mit anderen KandidatInnen nimmt. Bei seinem einzigen nationalen Meeting | |
| lässt er sich wie ein Popstar inszenieren. Statt auf die innenpolitischen | |
| Themen setzt er im Wahlkampf auf Kriegsdiplomatie. Wie ein Manager eilt er | |
| von einem Telefonat mit Putin, Biden und Scholz zur nächsten Sitzung seines | |
| Nationalen Sicherheitsrats. | |
| So von der Öffentlichkeit abgeschirmt, wie Macron durch den Wahlkampf geht, | |
| hat er auch seine fünf Jahre im Élyséepalast absolviert. Er holte sich Rat | |
| bei Unternehmensberatern. Während der Pandemie fällte er seine | |
| Entscheidungen in „Verteidigungsräten“, die mit Ärzten, Militärs und | |
| ausgewählten Ministern besetzt waren. Die Protokolle dieser Sitzungen sind | |
| Staatsgeheimnisse. Die gewählten Abgeordneten der Nationalversammlung | |
| hatten lediglich die Möglichkeit, die Ergebnisse durchzuwinken. | |
| In meinen ersten Jahren als Frankreichkorrespondentin hatte ich mir | |
| gewünscht, deutsche Politiker könnten so viel Geschichte und so viele Ideen | |
| in ihre Reden bringen, wie Mitterrand es tat. Kurz vor den jetzigen | |
| Präsidentschaftswahlen sagt die französische Journalistin Sylvie Braibant, | |
| dass sie angesichts des autoritären Tons in Paris in den zurückliegenden | |
| Jahren manchmal sehnsüchtig nach Berlin geschaut hat: „Während Angela | |
| Merkel konsultierte, dekretierte Macron“. | |
| Braibant ist eine Kritikerin des Präsidentialismus, in dem eine Person alle | |
| Macht an sich reißen kann. Und sie vertraut niemandem, der „diese Macht | |
| noch weiter ausbauen will“. Mélenchon kommt deswegen nicht für sie in | |
| Frage. | |
| Zum ersten Mal in ihrem Leben liebäugelt Braibant mit einer Stimmabgabe | |
| für einen kommunistischen Kandidaten. Fabien Roussel wirbt für die Rückkehr | |
| der „glücklichen Tage“. Bei Umfragen rangiert der Kommunist vor der | |
| Sozialistin Hidalgo. Aber er hat keine Chance, in die Stichwahl zu kommen. | |
| An den Rändern von Paris ist einiges passiert. Im Bois de Boulogne im | |
| Westen ist ein nagelneues Kunstmuseum entstanden, das der New Yorker | |
| Architekt Frank Gehry entworfen hat. Die Gerichte sind von der dicht | |
| gedrängten Île de la Cité in ein Hochhaus im 17. Arrondissement umgezogen, | |
| das aus Renzo Pianos Feder stammt. Mit seinen 160 Metern ist es das | |
| zweithöchste Gebäude der Stadt. Es hat auch ein paar nachhaltige | |
| Accessoires: Solarzellen an der Fassade, die freilich nicht annähernd für | |
| die Versorgung des Turms ausreichen. Damit die 9.000 Beschäftigten, die | |
| täglich in dem Gebäude arbeiten, ihre Autos zu Hause lassen, gibt es | |
| lediglich 80 Parkplätze. | |
| Paris hat Milliarden in die Erneuerung der Infrastruktur investiert. Nicht | |
| nur oberirdisch, sondern auch im Untergrund mit dem Ausbau von Métrolinien. | |
| An einem der ersten Schönwettertage dieses Frühlings ertönt in der Métro | |
| eine Durchsage. Wegen der schlechten Luftwerte gibt es das verbilligte | |
| Umweltticket. Für 3,80 Euro kann man den ganzen Tag fahren. | |
| Mein Zeitungshändler grinst, als ich darüber ins Schwärmen gerate: „Wenn | |
| Paris wirklich etwas für das Klima tun wollte, dann würde es den Nulltarif | |
| einführen.“ In seinem Laden im 20. Arrondissement habe ich früher meine | |
| Arbeitstage begonnen. Mhamed Azzouz und seine Stammkunden, die mit | |
| gefüllten Kaffeetassen zu ihm kamen und blieben, bis die Weltlage erörtert | |
| war, haben mich oft mit Themenvorschlägen versorgt. Zwischen seinen | |
| meterhohen Stapeln von Zeitungen und Illustrierten empfiehlt der inzwischen | |
| 62-Jährige Azzouz immer noch seine beiden alten Lieblingszeitungen: Die | |
| kommunistische Humanité und die katholische Croix, „weil sie eine Meinung | |
| haben und analysieren“. Die Präsidentschaftswahlen? „Das ist gelaufen“, | |
| sagt er, „weil die Sozialisten versagt haben, wird Macron gewinnen.“ | |
| Das Jammern der Pariser, dass die Dinge nicht mehr so sind wie früher? „Die | |
| Leute sind unglücklich, weil sie so glücklich sind“, lacht Azzouz: | |
| „Frankreich ist das beste Land der Welt. Wo sonst kann man jedes Jahr seine | |
| Gesundheit checken lassen, ohne dafür zu zahlen?“ | |
| 7 Apr 2022 | |
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