# taz.de -- Frankreich vor der Präsidentenwahl: Aufholjagd à la Le Pen | |
> Die rechtsextreme Kandidatin ist Amtsinhaber Macron dicht auf den Fersen. | |
> Ihre Inszenierung als Kümmerin für sozial Benachteiligte scheint | |
> anzukommen. | |
Bild: Wer macht das Rennen? Wahlwerbung zur französischen Präsidentschaftswah… | |
PARIS taz | Im Hauptquartier [1][des französischen Staatschefs Emmanuel | |
Macron] wächst, wenige Tage vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, | |
die Nervosität. Eigentlich wollen Macrons wichtigste Berater ihm zum | |
Gelingen seiner großen Wahlveranstaltung am 2. April gratulieren. Doch | |
Nicolas Sarkozys ehemaliger Minister Éric Woerth, der erst kürzlich | |
hinzugekommen ist, verdirbt ein wenig die Stimmung. „Okay, aber was sagen | |
wir zu Marine Le Pen?“, fragt er. | |
[2][Die rechtsextreme Kandidatin des Rassemblement national (RN)] könnte | |
Macron gefährlich werden, denn sie hat aufgeholt. Jüngste Umfragen sehen Le | |
Pen bei 23,5 Prozent und damit nur noch 3,5 Prozentpunkte hinter dem | |
Amtsinhaber. | |
Diese Werte haben das Selbstbewusstsein des gewöhnlich sehr siegesgewissen | |
Präsidenten ein klein wenig erschüttert. Zwar zweifelt niemand in seinem | |
Team daran, dass er sich am Sonntag für die Stichwahl am 24. April | |
qualifiziert. Doch eine reine Formsache wird das nicht. Die Aussicht auf | |
eine Enthaltung in Rekordhöhe von mehr als 30 Prozent sorgt für weitere | |
Ungewissheit. Laut Le Monde wussten zudem eine Woche vor dem 10. April 33 | |
Prozent der Stimmwilligen noch nicht, wen sie wählen wollen. | |
Auch Jean-Luc Mélenchon hat, wie Le Pen, am Ende seiner Kampagne zulegen | |
können. Der Linkspolitiker mobilisierte noch einmal alle Kräfte, um es | |
vielleicht noch auf Platz zwei zu schaffen. Doch derzeit wird er „nur“ bei | |
17,5 Prozent gehandelt. Simultan zu seiner Rede in Lille trat er am | |
vergangenen Dienstag in elf Städten als Hologramm in 3D auf. Er wandte sich | |
dabei direkt an einen Teil der Le-Pen-Wählerschaft, die er in einem | |
Wortspiel als „fâché, mais pas facho“ („wütend, aber nicht faschistisc… | |
bezeichnete und hofft, noch abwerben zu können. | |
## Realistische Perspektive | |
Für Macron ist der Trend bedenklich, weil sich in den Umfragen auch der | |
Abstand in der voraussichtlichen zweiten Runde gegenüber Le Pen stetig | |
verkleinert. 2017 hatte er sie in der Schlussrunde mit 66/34 sehr deutlich | |
hinter sich gelassen. Jetzt gibt es Prognosen, die einen knappen Sieg mit | |
51,5/ 48,5 Prozent erwarten lassen. | |
Wird gar ein Wahlsieg von Marine Le Pen zu einer realistischen Perspektive? | |
„Die Franzosen möchten doch nicht ihre Außenpolitik und die Streitkräfte | |
einer Kandidatin anvertrauen, die pro Putin und antieuropäisch ist“, hofft | |
Kampagnensprecher Gabriel Attal. Die Kampagne „Macron2022“ warnt mit dem | |
Hashtag #MarinePoutine auf Twitter: „Mit Le Pen kommt der Kreml an die | |
Macht.“ | |
2017 war die 53-Jährige von Wladimir Putin als Wunschkandidatin im Kreml | |
empfangen worden und hatte zur Finanzierung ihrer Kampagne den Kredit einer | |
russischen Bank erhalten. Im aktuellen Kontext des Ukrainekriegs hat Le Pen | |
diese kompromittierende Nähe zum Kreml-Chef erstaunlicherweise kaum | |
geschadet. | |
Sie hat aus ihrer verpatzten Wahlkampagne von 2017 gelernt, indem sie sich | |
ganz darauf konzentrierte, sympathisch zu erscheinen. Kein Selfie mit Fans | |
auf einem Markt ist ihr zu viel. Inspiriert von den Erfolgsrezepten auf | |
Social Media ließ sie sich mit ihren Katzen fotografieren. Nichts | |
symbolisiert besser ihre Kampagne auf leisen Pfoten, mit der sie ihren Ruf | |
einer Extremistin loswerden will. | |
## Verbale Provokationen | |
Dass mit dem Ex-Journalisten Éric Zemmour ein Konkurrent auftauchte, der | |
sie in seiner rassistischen und antimuslimischen Propaganda noch zu | |
überbieten sucht, hatte ihr zunächst geschadet. Zuletzt aber haben Zemmours | |
verbale Provokationen es ihr ermöglicht, vergleichsweise viel gemäßigter | |
und für die bürgerliche Rechte „salonfähig“ zu wirken. In Wahrheit hat Le | |
Pen nur den Stil ihres Auftretens, aber nicht ihr Programm geändert. | |
Der Zulauf der vergangenen Tage erklärt sich damit, dass sie verstanden | |
hat, dass die steigenden Verbraucherpreise für sozial Benachteiligte – ihre | |
Kernwählerschaft – das wichtigste Thema sind. Ihre Vorschläge zur | |
Verteidigung der Kaufkraft mit Festpreisen für Benzin und Gebrauchsgüter | |
oder auch zum Rentenalter gleichen manchmal den Forderungen, die von links | |
kommen. Die generös klingenden Wahlversprechen seiner Gegner kommentierte | |
Macron mit Bitterkeit: „Wenn du weißt, dass du nicht regieren wirst, fällt | |
es leicht, eine Senkung der Mehrwertsteuer und eine Preisregulierung zu | |
versprechen.“ | |
Vor dem ersten Wahlsonntag muss sich Macron zudem Sorgen über mögliche | |
Konsequenzen der McKinsey-Affäre machen. Wie in den Medien ausführlich | |
berichtet wurde, hatte dieses Beratungsbüro lange vor 2017 für den | |
Werdegang des heutigen Präsidenten und bei der Erarbeitung seines Programm | |
eine entscheidende Rolle gespielt. | |
In den vergangenen Jahren wurde die Beratung durch McKinsey von ihm und | |
seinen Ministerien so ausgiebig genutzt, dass eine Senatskommission | |
Klüngelei und auch Steuerbetrug vermutet. Aufgrund des | |
Untersuchungsberichts hat die französische Justiz wegen Steuerbetrugs und | |
Geldwäsche bereits eine Voruntersuchung eingeleitet. | |
7 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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