Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wahlkampf in Frankreich: Linke schöpft wieder Hoffnung
> Jean-Luc Mélenchon ist der aussichtsreichste linke Kandidat bei den
> Präsidentschaftswahlen. Er könnte die Stichwahl gegen Emmanuel Macron
> erreichen.
Bild: Jubel auf dem Place de la République: Jean-Luc Mélenchon mit Anhänger*…
Paris taz | Mehrere Zehntausend Menschen, laut den Organisatoren sogar mehr
als Hunderttausend, haben am Sonntag dem Aufruf des linken
Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon Folge geleistet und an einem
„Marsch für die Sechste Republik“ teilgenommen. Sie forderten lautstark
einen Bruch mit dem heutigen politischen System, General de Gaulles Fünfter
Republik.
Auf der kurzen Strecke zwischen der Pariser Bastille und der Place de la
République flatterten die unzähligen Trikoloren der Marschierenden im Wind,
auf Transparenten stand „Union populaire“ (Volkseinheit), der Name der
Wahlallianz, in deren Namen Mélenchon kandidiert.
Auf den meisten Fahnen aber war der griechische Kleinbuchstabe Phi
abgebildet. Er steht phonetisch für „Fi“, die Abkürzung für Mélenchons
Partei France Insoumise (Unbeugsames Frankreich). All diese Symbole würden
auch zu einem Rechtspopulisten passen. Aber Mélenchon ist wie schon 2017
der aussichtsreichste Kandidat der französischen Linken.
„Hört auf, meinen Namen zu brüllen, ich weiß, wie ich heiße“, ruft Jean…
Mélenchon seinen Anhänger*innen zu, die seine Rede mit dem Slogan
„Mélenchon – Président!“ unterbrochen haben. Seinen Humor hat der linke
Präsidentschaftskandidat nicht verloren, auch seine Hoffnung nicht, es am
10. April [1][gegen den Amtsinhaber Emmanuel Macron] in die zweite Runde zu
schaffen.
## Nur wenige Prozentpunkte hinter Le Pen
Daran hätten noch vor ein paar Wochen die Wenigsten ernsthaft geglaubt. In
den letzten zwei Wochen aber hat der Kandidat, den die Umfragen zu Beginn
der Wahlkampagne mit weniger als 10 Prozent der Stimmen auf dem fünften
oder sechsten Platz sahen, plötzlich Auftrieb bekommen. In den jüngsten
Umfragen liegt er mit 12 bis 13 Prozent auf dem dritten Platz, nur noch
wenige Prozentpunkte hinter der [2][Rechtsextremistin Marine Le Pen] mit 15
bis 18 Prozent. Im Sprint will Mélenchon nun die Aufholjagd gewinnen und
die Karten der Präsidentenwahl neu mischen.
Was, wenn diese Wahlen nicht bereits mit einem Remake des Finales Le Pen
gegen Macron von 2017 und einer Wiederwahl des Präsidenten gelaufen wären?
Die meisten auf der Place de la République, in deren Mitte die
Freiheits-Monumentalstatue aus Solidarität mit der Ukraine mit einer
gelb-blauen Weste bekleidet ist, glauben daran.
Die beiden Rentner Thierry und Daniel, die aus Caen in der Normandie
angereist sind, sind mehr für das Programm, weniger für den Kandidaten.
„Ich kann verstehen, dass Mélenchon mit seinem übersteigerten Ego oder
gewissen Äußerungen in der Vergangenheit aneckte“, meint der ehemalige
Informatiker Daniel.
Die 23-jährigen Kunstgeschichte-Studierenden Clara und Mathieu sagen, sie
hätten schon 2017 mit 18 Jahren Mélenchon aus Überzeugung gewählt. Dieses
Mal hoffen sie, dass er die extreme Rechte aus der Stichwahl verdrängt. „Es
ist eine historische Chance“, erklärt Clara.
Auch für andere tönt die Idee attraktiv. Die ehemalige Sozialistin und
Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal hatte mit ihrer Empfehlung
überrascht: „Die einzig nützliche Wahl für die Linke ist das Votum
Mélenchon!“ Die bekannte Feministin Caroline de Haas hofft mit Mélenchon im
zweiten Durchgang auf einen neuen Elan für die sozialen Bewegungen und auf
„zwei Wochen ohne Rassismus und Sexismus zwischen den Wahlgängen“.
## Plötzlich Hoffnungsträger
So ist Mélenchon, der schon zum dritten Mal antritt, plötzlich zum
Hoffnungsträger einer gespaltenen Linken geworden, die sich schon halbwegs
damit abgefunden hatte, dass es wieder zu einer Stichwahl zwischen Macron
und Le Pen kommen würde. Wie schon 2017 wäre das frustrierend für die
meisten Linkswähler*innen, die am Ende keine andere Wahl als die des
kleineren Übels hätten – in der Person des Amtsinhabers Macron. Mit einem
linken Kandidaten im Finale anstelle von Le Pen oder des anderen
rechtsextremen Kandidaten Eric Zemmour, sähe das anders aus.
Mélenchon fordert nun die noch Unentschlossenen oder bisher mit [3][anderen
linken Kandidaten] wie Yannick Jadot von den Grünen, Fabien Roussel von den
Kommunisten oder Anne Hidalgo von den Sozialisten Sympathisierende auf, mit
einer „nützlichen Wahl“ seinen Traum zu verwirklichen.
Alle Stimmberechtigten hätten eine „persönliche Verantwortung“, denn mit
ihrem Wahlzettel könnten sie in einem „sozialen Referendum“ über zwei
politische Alternativen abstimmen, etwa der Rente mit 60 oder mit 65 Jahren
wie bei Macron und den übrigen Kandidaten der Rechten. Mélenchon verspricht
eine Erhöhung der Mindestrenten, einen monatlichen Mindestlohn von 1.800
Euro, gedeckelte Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin sowie kostenlose
öffentliche Verkehrsmittel, solange die Treibstoffkrise anhält. Und während
Präsident Macron gerade neue Reaktoren bestellt, fordert Mélenchon einen
Ausstieg aus der Atomkraft.
Einen Schritt in diese Richtung hat er am Sonntag mit der erfolgreichen
Mobilisierung getan. Er selbst versichert mit seiner bebenden Rednerstimme
eines Volkstribuns: „Eine andere Stichwahl ist möglich!“, und auch: „Eine
andere Welt ist möglich!“
21 Mar 2022
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5839369
[2] /Rechte-in-Frankreich-im-Aufwind/!5831901
[3] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5839660
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
## ARTIKEL ZUM THEMA
Frankreich vor der Präsidentenwahl: Aufholjagd à la Le Pen
Die rechtsextreme Kandidatin ist Amtsinhaber Macron dicht auf den Fersen.
Ihre Inszenierung als Kümmerin für sozial Benachteiligte scheint
anzukommen.
Vor den Wahlen in Frankreich: Nicht für Le Pen, nicht für Macron
Mit ihrem Protesten hat die Gelbwestenbewegung die Staatsmacht erzittern
lassen. Wie aber wählen sie? Eines ist relativ klar: extrem.
Wahlen in Frankreich: Endlich Frühling
Frankreichs Linke ist zerstritten. Anders in Marseille: Dort geht seit zwei
Jahren ein Bündnis aus linken Parteien und Bürgergruppen neue Wege.
Wahlen in Frankreich: Encore une fois?
Der amtierende Staatspräsident Emmanuel Macron ist sich seiner Wiederwahl
so sicher, dass er sich nicht einmal Zeit für den Wahlkampf nimmt.
Mehr Eigenständigkeit von Frankreich: Autonomes Korsika?
Innenminister Darmanin ist nach heftigen Protesten bereit, der Insel mehr
Selbstbestimmung einzuräumen. Oder ist das nur ein Wahlkampfversprechen?
Mythen und Klischees über Frankreich: Von Amélie bis Käse
Sorgenfrei und unbeschwert, so zumindest ist das Image des Nachbarn. Aber
was für ein Frankreich wählt im April ein neues Staatsoberhaupt? Ein
Update.
EU-Gipfel zur Ukraine-Lage: Macrons Doppelrolle
Der französische Präsident möchte die europäische Verteidigung stärken.
Trotzdem will er mit Putin im Gespräch bleiben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.