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# taz.de -- Mehr Eigenständigkeit von Frankreich: Autonomes Korsika?
> Innenminister Darmanin ist nach heftigen Protesten bereit, der Insel mehr
> Selbstbestimmung einzuräumen. Oder ist das nur ein Wahlkampfversprechen?
Bild: Für mehr Selbstbestimmung: Unterstützung der Proteste mit der korsische…
Paris taz | Als Innenminister Gérald Darmanin am Mittwoch auf der
französischen Insel Korsika landet, hatte er schon ein Friedensangebot
vorausgeschickt: Die Regierung in Paris sei „bereit, bis zur Autonomie (für
Korsika) zu gehen“, ließ er verlauten. In der Hoffnung, die [1][zornigen
Demonstrierenden] zu beruhigen, die seit zwei Wochen gegen den
französischen Staat rebellieren, wolle er einen Dialog eröffnen. Es war
immer wieder zu heftigen Zusammenstößen mit Ordnungskräften gekommen.
Die Krise auf Korsika kommt für Präsident Emmanuel Macron zu einem
ungünstigen Zeitpunkt. In weniger als einem Monat steht die [2][erste Runde
der Präsidentschaftswahlen] an – und Macron will im Amt bestätigt werden.
Die Pressebilder der Straßenschlachten in Bastia und Ajaccio schockieren
die Öffentlichkeit – Sicherheit und Gewalt sind wichtige Wahlkampfthemen in
Frankreich. Andere Kandidaten wie die Konservative Valérie Pécresse
kritisieren nun, Macron und seine Regierung reagierten übereilt. Andere
reklamieren, Macron instrumentalisiere das Thema Korsika für sich.
Der Ausbruch der gewaltsamen Unruhen hatte Paris überrascht. Die brutale
Aggression eines Mithäftlings gegen den wegen Mordes inhaftierten
Nationalisten Yvan Colonna im Gefängnis von Arles am 2. März war indes nur
ein Auslöser der anhaltenden Protestbewegung. Der Konflikt schwelte seit
Langem.
Paris hatte auf eine Partnerschaft mit den gemäßigten korsischen
Autonomisten gesetzt, die seit 2015 unter Gilles Simeoni im Exekutivorgan
der Insel regieren und auch in der Korsischen Versammlung über eine
Mehrheit verfügen. Doch eine von Macron angestrebte Verfassungsänderung,
die Korsika mehr Autonomie mit einer gewissen Steuerhoheit geben sollte,
ist wegen der Opposition des Senats liegen geblieben. Auf Korsika sagen die
Separatisten, dass der französische Staat einmal mehr ein Versprechen
gebrochen habe.
## Molotowcocktails statt Diplomatie
Zwischen den Autonomisten Korsikas und den Separatisten, die eine nationale
Unabhängigkeit fordern, verschärfen sich die Spannungen. Und eine neue
Generation zeigt ihre Wut auf die „Arroganz“ und „Bevormundung“ durch
Frankreich mit Gewalt auf den Straßen. Dutzende Polizeikräfte wurden durch
Molotowcocktails oder andere Wurfgeschosse verletzt.
Wie schon die alte Garde der Separatisten der ehemaligen Untergrundbewegung
FLNC glauben diese jungen Nationalisten, dass mit Molotowcocktails mehr zu
erreichen sei als mit Mauscheleien zwischen Simeoni und Macron. Solche
Differenzen hatten schon früher zu Spaltungen und blutigen Abrechnungen
zwischen den Fraktionen und Clans der FLNC geführt.
Der bekannte Anwalt Jean-Guy Talamoni, der den Separatisten nahesteht,
warnte Darmanin vor einer Taktik der Vertröstung: „Sein Vorgehen ist
suspekt, weil alle den aktuellen Kontext der Präsidentschaftswahlen im Kopf
haben. Wer meint, man könne sich auf diese Weise der Korsika-Frage
entledigen, täuscht sich. Es ist an der Zeit, dass Paris Korsika anders
behandelt als mit Indifferenz oder Zynismus.“
Mit Darmanins „Angebot“ einer Autonomie als Perspektive stellt sich die
Frage, wie weit Paris gehen will. Neukaledonien könnte als Vorbild dienen.
In diesem Überseegebiet im Südpazifik konnte die Bevölkerung nach
Jahrzehnten blutiger Konflikte über eine Unabhängigkeit von Frankreich
abstimmen. Drei Mal siegte dort das Nein.
Auf Korsika wünscht eine Mehrheit eine echte Autonomie, wie die letzten
regionalen Wahlen gezeigt haben. Sich ganz von Frankreich loszulösen stellt
dagegen eine Maximalforderung und einen alten Traum einer radikalen
Minderheit dar.
16 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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